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Deutsche Noman-Sitiliothek.
selbigen bevollmächtigte, Arthur's Monatsgelder fortan um ein Bedeutendes zu erhöhen.
Der Sohn des Hauses flüchtete in das Freie hinaus. Als er am offenen Billardzimmer vorüberkam, hörte er das Rollen der Kugeln und sah Sir Thomas Lawrence mit dem Hausarzt in einem hitzigen Wettkampf begriffen.
Vor dem Schlosse traf Arthur Edward Gordon, der einsam zwischen blühenden Orangenbäumen ans und nieder wandelte, vermuthlich seiner fixen Idee „Flora-Kaled" hingegeben.
Arthur zog den Abbo tiefer in den Garten hinein.
„Ed," sagte er aufgebracht, „Du hast mir einen schlechten Dienst erwiesen, indem Dil Papa gar so sehr gegen George Byron einnahmst. Dieß hat einen radikalen Bruch herbeigeführt zwischen dem governor und mir."
Edward schaute mit seinen ehrlichen, sanften Augen verwundert ans.
„Was sagst Du da, Arthur? Ich hätte — O, der Name des Verhaßten kam nie über meine Lippen in Gegenwart Deines Vaters. Zwar bin ich der Ansicht, daß Dir aus dem Verkehr mit dem Unhold von Newstead kein Heil erwächst, aber dieß ist Deine Sache, und überdieß ist es mir eine Art von Trost und Beruhigung, daß Du Flora von Zeit Zn Zeit begegnest und mich — ala8! — dem theuren Wesen in Erinnerung bringst. Arthur, es muß mich kränken, von Dir als Zwischenträger und Intrigant betrachtet zu werden."
Der vorschnelle Arthur bereute, den Zartfühlenden, bis Zur Empfindlichkeit weichherzigen Freund verletzt zu haben.
„So verzeihe mir, Ed! Wenn ich nur wüßte, wer meinem Vater —"
„Das will ich Dir sagen: Lady Mowbray war soeben bei Deinen Eltern."
„Ha, diese graue, giftige Spinne! Nun wird mir Alles klar, ich sah ihre süperben Trakehner in der Einfahrt halten. Ja, sie kann nicht ruhen, bis sie unschuldig vergnügte Insekten in ihre mißfarbigen Fäden einspann. Ed, was ich sagen wollte: thu' mir den Gefallen und bleib' ein paar Tage hier, Zerstreue Mama und Nancy, lies ihnen vor, während Lawrence sie malt."
„Kind, wo denkst Du hin? Uebermorgen muß ich predigen, und meine Armen, meine Blumen und Hühner?"
„Kokettire nicht Zn sehr mit Deiner geistlichen Würde," lachte Arthur, „denn siehst Du, ich bin gewissermaßen vogelsrei, bin in die Acht erklärt, der govornor zahlt nicht mehr. Wenn die Damen dieß erfahren, wird die Betrübniß groß sein."
„Nun, ich werde an meinen Stellvertreter, den jungen Hülfsprediger, schreiben. Vor Allem, sei Du getrost und vergiß nicht," wisperte der Abbö dem jungen Manne in's Ohr, „daß Du Freunde hast."
Arthur fiel ihm um den Hals.
„Du Rettungsengel aller Bedrängten, so lege doch endlich von Deinen Pfründen beiseite statt uns Taugenichtsen immer aus der Klemme zu helfen."
Edward ließ ihn nicht ausreden.
„Und nun erzähle," drängte er, „sahst Du sie vorgestern? Sprich mir von ihren höhnenden, zündenden Blicken! Ob sie meinen Brief erhalten hat?"
Das Gespräch der Vertrauten wurde leiser und bald vom Rauschen der Taxusbäume und dem Zwitschern der Vögel übertönt.
Unterdessen standen Lady Medora und Nancy wieder Hand in Hand aus der Hängebrücke im schmalen, schattigen Thale. Sie sprachen nur wenig, waren sie doch gleichsam verbannt aus dem Umkreise der väterlichen Ermahnung, die Lord Oxford seinem Sohne angedeihen ließ.
Heute stimmte der Anblick der schönen, geknickten Andromeda die Schloßherrin besonders wehmüthig.
„Ach," begann sie entmuthigt, „wir Frauen sind alle machtlos und gefesselt wie unsere arme Schönheit drüben an der Felsenwand."
„Ja, so lange bis Perseus kommt," sagte mit sinnigem Lächeln Nancy Harleigh, „ich meine, bis ein Entschluß, eine Eingebung von oben uns erlöst. Jede qualvolle, drückende Lage ist durch eigene Energie zu besiegen."
„Schau'," versetzte Medora überrascht, „das ist ja die Sprache einer regierenden Königin oder, um zeitgemäßer zu sprechen, das sind die Ideen eines Mädchens von Saragossa."
„O nicht doch, ich würde in der Oeffentlichkeit eine triste Rolle spielen; ich habe nur so meine Gedanken, beste Mama: man sollte durchaus den Umgang mit gewissen Personen abbrechen, weil es ein Elend ist, eine Erniedrigung, ihnen Konzessionen Zu machen, und man sollte andere Personen, die es verdienen," — Nancy's Stimme vibrirte leise, — „an sich heranziehen, ihnen Gutes erweisen, statt sie demonstrativ zu vermeiden."
„Der männliche Geist wohnt Dir inne, Lilie des Thales, nicht Deinem Bruder."
„O, gegen seine Altersgenossen weiß Arthur seine Meinung sehr bestimmt zu verfechten. Glaubst Du, Mama, daß Papa unserem Arthur den Umgang mit Lord Byron fortan erschweren wird?"
„Gar verbieten, fürcht' ich."
Tiefbekümmert neigte Nancy den lieblichen Kopf in die Hand.
„Wetten wir," sagte sie nach einigem Stillschweigen, „daß George Byron von Einfluß auf die Zukunft sein wird. Lautet nicht sein Wappenspruch: Lreäs IH-ron? Wohlan, ich glaube an ihn."
„Du liebes, seltsames Kind, vielleicht bringt ihm Deine wohlwollende Gesinnung Segen!" Medora's Auge richte zuversichtlich auf der hold verklärter: Erscheinung.
Träumerisch, kaum hörbar wiederholte Nancy:
., 6 reäe U)'1'0N." (Fortsetzung folgt.)