Kinder der Flamme von Günther von Freiberg.
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an den Gürtel und die faltige Schleppe des Gewandes, unter dem ein breites Volant Brabanter Spitzen hervorbauschte.
Byron hatte seine prächtige Haussurie seit Monden nur als Kaled gesehen, jetzt erschien ihm Flora größer, effektvoller, sein Künstlerauge konnte unmöglich blind sein dafür; trotzdem regte sich nicht der leiseste Wunsch, nicht der Schatten einer Zärtlichkeit in seinem Innern, vielmehr war es ihm entschieden unangenehm, von Flora überrascht Zu sein; denn er konnte seine tiefe Abneigung nicht mehr überwinden; selbst die unedlen Regungen der Sinne, welche ihn bis vor Kurzem an den verkappten Pagen gefesselt hatten, wie die Schlangen den Jxion an sein Rad, selbst diese waren erloschen — ans immer!
Flora Gordon konnte, mochte dieß nicht fassen; ihr Vergiftungsversuch, an dessen schlimmste Folgen sie allerdings fest geglaubt, hatten dem erkalteter: Geliebten nichts als hergebrachtes, momentanes Mitleid entlockt, darüber mußte sie sich allerdings klar sein.
So blieb nur ein letztes Mittel: als Weib, in einfachster Gewandung, nur durch die eigenen Reize geschmückt, der ungünstigen Morgenbeleuchtung trotzend, an ihn heran zu treten.
Sollte auch dieser Kunstgriff scheitern?
„Mylord," begann sie beklommen, „ich komme, Ihnen Angenehmes mitzntheilen."
Byron, der sich erhoben, entgegnete mit frostiger Höflichkeit:
„Aber Zn dieser Stunde und — in dieser Umgebung?"
„Diese Herren stören uns ja nicht, da sie berauscht sind," antwortete sie geringschätzig.
Der Lord deutete aus das Nebenzimmer; die weiße Dame betrat dasselbe; erfolgte, ohne sie zum Niedersitzen ansznfordern.
„Ich werde Newstead verlassen," verkündete sie unter der Maske starrer Gleichgültigkeit.
Er traute ihr nicht, sondern errieth ihre Absichten.
„Und darf man nach Ihren Znknnstsplänen fragen, ineine Gnädige?" Hub er nach kurzem Stillschweigen an.
„ Entweder gehe ich als Gouvernante nach Paris —"
„Um Carriere zu machen?"
„Natürlich! Die Franzosen haben Augen, — mehr als die Engländer."
„Ah so! — oder aber, Sie beabsichtigen —"
„Kunstreiterin zu Werder: und irgend einen süddeutschen Prinzen zu heirathen. Finden Sie dieß nicht ehrlicher, Mylord, als Edward's blinde Verliebtheit zu benützen und seine Gattin Zu werden?"
„^.Iloos, xas äo batise," sagte er verdrossen. „Ich habe keine Rechte auf Sie, Miß Gordon, Sie sind frei, sind mündig, durch keinerlei Versprechen an mich gebunden; allein ich werde es nie dulden, daß Sie sich von hier entfernen, um auf planlose Abenteuer auszugehen. Lassen Sie uns, ohne Eigensinn, wie zwei vernünftige, besonnene Menschen miteinander reden."
„Mylord belieben zu scherzen! Seid wann sind wir, die wir die Weltordnung von oberst zu unterst kehren möchten, vernünftig und besonnen? Das bleibe den Ihnen so verhaßten Spießbürgern über
lassen!" Flora's schmaler Fuß in weißem Atlaß- schnh stampfte ungeduldig das Parket. „Uns müßte es allzu possirlich kleiden! Besonnen — hahaha! Dazu müßte ich nicht stehenden Fußes vom Kasinoball in Southwell mit Ihnen davongelaufen sein, nachdem Sie mir die ganze Nacht heißzündende, wilde Worte zugeflüstert hatten. Kaled müßte ich nicht gewesen sein, in der Erniedrigung das Höchste suchend!! Und Sie, George — doch genug! Vernunft, Besonnenheit? Das sind leere, hohle Worte für ein Weib, das seinen Nus einbüßte und eine Ausgestoßene wurde, sind pomphaft abgestandene Phrasen für einen Mann, der undankbar, selbstsüchtig, prahlerisch, überspannt, launisch ist, den nur das Unerreichbare reizt! Hält er ein Weib im Arme, so seufzt er nach verlorenen Sternen und stöhnt nach schwimmenden Trauminseln!"
„Flora!" wallte George ungeduldig auf.
„Wäre ich vor drei Tagen mit Tod abgegangen, glühtest Du heute auf's Neue für mich. Nur Chimären fesseln Dich, Blendwerke, Phantasiegebilde —"
„Und so weiter! Ich kenne diese ganze Litanei. Da Sie mir nichts Besseres zu sagen haben, Miß Gordon, so thäten wir klüger daran, den versäumten Schlaf nachzuholen. Wenn Sie sich konserviren wollen, so rathe ich Ihnen, die kühle Morgenluft zu meiden. Uebrigens finde ich es ein- für allemal maavaw genro, sich zerrissene Liebesbaude wie alte Fetzen in's Angesicht zu schleudern."
Aber Flora entfernte sich nicht.
„Irgend Jemand sagte einmal," sprach sie tonlos, in's Leere starrend, „,die Menschen lieben sich zu verschiedenen Stunden!' Liegt darin nicht unser Aller Fluch? Wann begegnen sich zwei gleiche Leidenschaften? Einst, vielleicht auf anderen Planeten, werden Sie dürsten, lechzen, an ungestillten Wünschen verderben und ich werde dazu lachen! — Nach Buddha's Lehre büßen wir jede Fühllosigkeit in einem zukünftigen Leben unter anderer Gestalt und anderen Verhältnissen."
„Sieh' da, eine Gelehrte, die sich mit Seeleu- wanderungshypothesen befaßt! Das ist allerdings etwas Neues."
„Es ist ein Fehler mehr in Ihren Augen; wir Weiber sollen nur empfinden, nicht denken, sonst sind wir unbequem; wer von uns eine Meinung hat, wird gleich ,Blaustrumpf', ,Emanzipirte' betitelt. Ihr Ideal, Mylord, soll täglich auf den Knieen vor Ihnen rutschen und Sie anflehen: ,Gebieter, gestattest Du überhaupt, daß ich lebe?' — O Gott," stöhnte Flora laut auf, „ich verlange ja nichts Besseres; ich will nichts, als Deine willenlose Sache sein, Dir gehorchend! Die Stelle, die Du geschlagen, wollte ich sreudezitternd küssen, aber Du liebst nur Boats- waiu und Deine Günstlinge!"
George zog bedeutungsvoll seine Taschenuhr. „Fünf Uhr! Wäre es nicht rathsam, uns zu dieser 866r>6 ä'iakMkur Thee serviren zu lassen? Man sagt sich sonst im nüchternen Zustande wahrhafte Sottisen."
„Als ob," fuhr sie beharrlich fort mit der Verbissenheit eines Weibes, dem nicht zugehört wird, „als ob ich nicht Uebermenschliches geduldet hätte! Deine Eddlestones, Deine Mathews ertrug ich; die