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Deutsche Roman-Bibliothek.
„Ich?" sagte Taroczi. „Wie kommst Du Zu dieser Frage?"
„Können Sie denn wissen, ob ich Sie heirathen will?" fragte Eszter lächelnd.
„Warum sollst Du mich nicht wollen? Das ist Unsinn; ich bleibe dann zu Hause; der Teufel hole dieses Reisen — —" stotterte Taroczi stoßweise heraus.
„Also keine Andere gefunden," meinte Eszter, halb leise in sich hineinredend, „aber der gnädige Herr irrt sich, ich heirathe Sie nicht."
„Warum nicht?" rief jetzt Taroczi laut und vom Sessel aufspringend.
„Ich will nicht und mir fällt gar nichts ein; znm Heirathen muß man lieben und ich kann gar nicht lieben, Hab' keine Zeit dazu, und wenn Sie sich eine Frau suchen, so müssen Sie schon auswärts gehen, wie Sie's gewohnt sind."
„Du bist böse," sagte Taroczi.
„Nein, gewiß nicht," antwortete Eszter, „ich kann Sie gut leiden, aber Ihre Frau — das geht nicht, mir fällt nichts ein, und der Vater wäre gar nicht zu gewinnen."
„Was geht das den Szabo Gyuri an — wenn wir wollen," fiel Taroczi schnell ein.
„Nun doch — ja, ja, doch, sehr viel," sagte Eszter still, die Hand wieder Zum Munde erhebend.
Taroczi schüttelte den Kopf, Zündete die Pfeife wieder an, indem er mit der Feuerzange aus dem Ofen ein Stück Glut nahm und es auf die Pfeife legte; danu rauchte er, ohne ein Wort zu sagen.
Der Ochsenknecht war eingetreten. Eszter gab ihm Befehle für den nächsten Tag; ihm folgte die Kuhmagd auch sie erhielt ihre Weisungen; später stand Eszter auf, entschuldigte sich bei Taroczi, daß sie noch Geschäfte habe, und Taroczi gab ihr gute Nacht.
Täglich kam er wieder, nie redete er mehr von ähnlichen Dingen; nach einem halben Jahre reiste er fort, und als er dießmal heimkam, war er Bräutigam und etliche Wochen daraus brachte er Jlka in sein Haus.
Jlka war ein gut erzogenes Mädchen gewesen; ihr Vater, Baron Geszel, ein magyarisirter deutscher HuszLrenoberst, hatte ihr eine französische Gouvernante gehalten, sie sprach die Sprache der Gallier gut und schön, tanzte vortrefflich, spielte alle Gattungen Kartenspiele, da sie zu Hause fast täglich hatte aushelfen müssen, konnte auch nähen und sticken, aber die Wirthschaft lag ihr ferne, weil ihr Vater nie Güter besessen, sondern von Renten gelebt und seine Tochter nach damals moderner Schablone erzogen hatte. Auch Jlka hatte ihre Mutter zeitig verloren, und theils in Wien, theils in Klausenburg war sie unter Gouvernantenzucht ausgewachsen. Während der alte Geszel ungarisch mit deutschem Accente redete, sprach Jlka deutsch und ungarisch mit französischem Anklange, galt aber für eine Ungarin, obwohl ihr Vater ein böhmischer Edelmann war und sie selbst im Pardu- bitzer Numero Zur Welt kam. Jlka, eine Schönheit, hatte bereits zwanzig Jahre erreicht, als Taroczi sie freite. Ein sehr hohes Alter für eine Siebenbürger Braut. Das erklärt sich sehr leicht und einfach.
Man pflückt ohne Anstand ein Veilchen am Waldesrande, die Rose im Garten sich zu nehmen scheut sich Jeder.
Die Klausenburger Gesellschaft wunderte sich höchlich, als sie hörte, Jlka habe Taroczi zugesagt! Die Szekler hatten in Bezug auf soziale Bildung eben kein gar gutes Renommee, und von Taroczi meinte man, daß er zwar nicht mehr trinke und spiele als die Anderen, aber auch nicht weniger; das Verhält- niß Zu Szabo Eszter war natürlich ruchbar geworden, Jlka und Karoline selbst hatten davon gehört; es fiel Niemandem ein, ihm derlei übel zu nehmen, aber Niemand wußte zu erzählen, daß Eszter geheiratet habe, und doch schien cs unvermeidlich, daß Eszter vor Taroczi hätte heirathen sollen; endlich brauchen Szekler Edelleute in der Regel wirkliche „Hausfrauen", da sie nicht so reich sind, jeden'ökonomischen Fehler mit Geld auszugleichen. Jndeß die Thatsache wurde anerkannt, und man verstand Jlka's Entschluß zuletzt noch besser als jenen Taroczi's.
Taroczi lebte mit seiner Frau in Szt. Erzsebeth- falva die Flitterwochen in vollster Zurückgezogenheit durch, ließ sich nirgends sehen, besuchte Niemanden und verkehrte nur mit Szabo Gyuri, der täglich früh in Geschäften erschien. Nach etwa zwei Monaten meldete Szabo seinem Herrn, daß Eszter Braut sei. KovLcs MLrton, der junge Prediger, habe um sie angehalten, und das Mädchen sei einverstanden.
Taroczi äußerte Freude, theilte Jlka mit, was er gehört, wünschte dem Alten Glück und versprach, Eszter selbst zu gratuliren. Er ging auch am selben Tag hinüber, fand KovLcs Lei Eszter, war eigentlich froh, sie nicht allein getroffen zu haben, scherzte mit den jungen Leuten und ging wieder fort.
Koväcs MLrton war ein hochgewachsener junger Mann, der in Berlin stndirt hatte und von dort mit einem Christuskopse zurückkam; aber die Sitte erlaubte es nicht, den Bart zu behalten; als er Prediger wurde, schnitt er ihn ab, und drei Viertheile der Schönheit waren verloren. Zudem traten die rothen Röschen an den eingefallenen Wangen noch mehr hervor; er machte einen beängstigenden Eindruck. In der That, bald nach der Hochzeit überfiel ihn eine schwere Lungenentzündung und ein halbes Jahr nach der Vermählung war er todt.
Eszter zog wieder in's väterliche Haus, übernahm wieder die Wirthschaft, war noch ernster als früher, und man hätte glauben können, Alles sei ein Traum gewesen, wenn Eszter noch Zöpfe getragen hätte — aber diese waren der Haube gewichen.
Nach KovLcs' Tode war Taroczi etliche Male Abends zu Eszter gekommen, auch Jlka hatte ihn zwei- bis dreimal begleitet; Eszter war aber sehr schweigsam, Jlka langweilte sich, meinte, daß Eszter herzlos sei, und Taroczi selbst fand nicht die frühere Bequemlichkeit im Umgänge.
Inzwischen war Jlka Mutter geworden, sie hatte ein allerliebstes Mädchen zur Welt gebracht, das jetzt, während Taroczi und Jlka im Hause Maros- falvy's die Weinlese feierten, der Oberaufsicht Eszter's anvertraut war, die fast den ganzen Tag im Herrenhause zubrachte, Amme und Kindsfrau zu überwachen.