Heft 
(1885) 43
Seite
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Lösliche Sande von S. Aba.

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Trittes Kapitel.

West und Ost.

Frau von Taroczi saß noch am Klaviere, klim­pernd und denkend, denn eben gestern hatte ihr Mann Karolinen auffallend den Hof gemacht, und diese auf Taroczi's Bitten endlich denselben Csardas gespielt, den sie jetzt wieder zum Besten gab, als es an ihrer Thüre pochte und Graf Ferencz von Ofzlopy hereintrat, ohne dasSzabad" abznwarten.

Unwillkürlich entschlüpfte Jlka einAh!" Sie blieb sitzen, wie sie war, die Hände auf den Tasten, und ihr Instrument klang den falschen Akkord nach, den sie in der Hast angeschlagen hatte.

Graf Oszlopy legte den Hut auf's Klavier, trat näher, sagte ungarisch:Guten Tag", fuhr aber deutsch fort:Niemand ist sichtbar im Haufe, die Herren sind fort, die Tochter ist ausgeritten. Sie müssen mich jetzt bei sich dulden."

Jlka zuckte mit den Achseln und fragte:Woher kommen Sie? Ich glaubte Sie in Paris."

Ich muß sofort nach Hause, der alte Vetter Adam verkauft wieder Güter; ich will sie einlösen, da sie von meiner Familie stammen; ist das ge­schehen, so gehe ich nach Paris zurück was macht Miska?"

Er ist sortgeritten Alle sind fort; aber Sie wissen es ja, warum fragen Sie noch?" Sie stand aus, klappte den Deckel des Klaviers zu und setzte sich aus das Sopba.

Wer spielt da neben Ihnen?" fragte er.

Das wissen Sie auch," antwortete Jlka,den Csardas haben Sie schon hundertmal gehört."

Ja wirklich, sie spielt ihn schon lange," ant­wortete Graf Fern und lachte, setzte sich Jlka gegen­über auf einen alten Ledersauteuil, die Füße weit von sich streckend.

Graf Fern war Mitglied des Schutzvereins ge­wesen, aber Alles, was er an sich hatte, stammte aus Paris, damals weit mehr als jetzt die Quelle aller Mode, welche noch nicht nnt Dampfeseile den Weg durch das civilisirte Europa Zurücklegte, sondern aus­gesucht sein wollte, um gefunden zu werden. Alles war aus Paris, was nicht etwa aus London ge­wesen, denn schon begann die englische Hauptstadt der französischen Konkurrenz zu machen, schon hatte Graf Szecheny begonnen, das Lob englischer Ver­fassung und englischen Lebens und Wirkens zu singen und den Versuch zu machen, sein Volk, sein aristo­kratisches Volk mit den demokratischen Ideen der englischen Aristokratie zu befreunden; anstatt der engen Röcke weite zu tragen und auf englischen Rennpferden oder schottischen Ponies zu reiten; nach London zu wallfahrten und englische Bärte zu tragen und überKredit, Steuern re." zu schreiben. Sonderbar genug fielen diese englischen Bestrebungen mit der Zeit des Schntzvereins Zu­sammen, der die ungarische Aristokratie genöthigt hätte, Halinatuch zu tragen und ungarische Cigarren zu rauchen was Niemandem einsiel.

Um alle diese Dinge hatte sich Graf Fern nie gekümmert. Seine Familie zerfiel in zwei Linien; die jüngere, welche Graf Adam repräsentirte, und

die ältere, deren Chef Fern schon mit zwanzig Jahren war. Wie das oft geht, war auch in dieser Familie die ältere Linie fast ganz verarmt. Feri's Vater, ein sehr schöner Mann und selbst im Alter noch ein manZeur ätz oosur8, hatte nahezu immer im Aus­lande gelebt bald in Wien, bald in Paris, bald in den Bädern Deutschlands oder in der Schweiz. Ueberall hielt er großen Train, überall erwies er dem eorp8 ätz ballst die größte Aufmerksamkeit, überall gab er Geld in Massen aus.

Lange, räthselhast lange trieb's der alte Herr­sch, bis das künstliche Gebäude seines Kredits Zu­sammenbrach. Es gab einen gewaltigen Sturz und der alte Gras Ferencz erschien aus seinem letzten Gute, das kaum mehr ein Gut genannt werden konnte, denn alle Aecker waren verpfändet, nur die Kurie und der kleine Garten neben ihr waren noch sein Eigenthum. Graf Ferencz zählte damals ein- undsiebenzig Jahre. Ein Wust von weißen Haaren, wohlgescheitelt, der schneeweiße dichte Schnurr- und Knebelbart, die hohe, schlanke Gestalt, die kräftige Faust, der feste Gang, die stramme Haltung Alles zeigte, daß diese Natur noch nicht erschöpft war. Anfangs fügte er sich in das Leben, das nahezu an Nothstand streifte; man lieh ihm auch noch kleine Beträge, und sein treuer Diener, der alte Jozsi, hatte bei ihm ausgehalten; aber nach einen: halben Jahre fand man Jozsi erhängt im Stalle und Tags daraus erschoß sich Gras Ferencz im Bette. Graf Feri, zwanzig Jahre alt, war in Berlin auf der Hochschule. Als er, der von seinem Vater bis vor Kurzem reichlich mit Geld versehen worden war, vom Tode des Vaters Nachricht er­halten hatte, kehrte er nach Hanse zurück und über­blickte bald die Lage der Dinge. Ohne sich bei seinen Verwandten sehen zu lassen, verschwand er; der Kutscher des früheren Gutspächters hatte ihn bis Kronstadt geführt, Trinkgeld erhalten sonst wußte man nichts. Volle acht Jahre hörte man nahezu nichts von ihm. Man wollte ihn in Paris, in Baden-Baden und noch sonst gesehen haben, aber kein Siebenbürger oder Ungarländer konnte sich rühmen, mit ihn: gesprochen zu haben.

Während dieser Zeit hatte Gras Adam, der Chef der jüngeren Linie, ein Leben begonnen, das dem seines Vetters Ferencz auf's Haar gleichsah. Nach vier bis fünf Jahren begann er schon Güter Zu ver­pfänden, die im Beginne von Juden genommen wurden. Bald aber erschien ein fremder Agent, welcher sehr hohe Preise bot und konsequent die Güter des leichtsinnigen Grafen Adam in Pfand nahm; später löste er auch Pfandgüter des ver­storbenen Grafen Ferencz ein, und als nach acht Jahren Graf Feri das erste Mal nach Siebenbürgen zurückkehrte, Zeigte es sich zum Staunen Aller, daß Feri der Käufer sei. Man erzählte sich Allerlei; aber ihn zu fragen hatte Niemand den Muth, und er selbst redete darüber nichts. Natürlich war Feri überall gerne gesehen, ging auch überall gerne hin, machte aber keinen Aufwand, blieb nie lange im Vaterlande, dem er sich entfremdet hatte, sondern lebte wieder in Paris, London, Hamburg, Wies­baden und Wien; in den großen Städten hatte er