Heft 
(1885) 43
Seite
1015
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Binder der Flamme von Günther von Freibcrg.

1015

Kiiuter lter Flamme.

Roman

von

Güntlier von Freiberg.

(Schluß.)

Fünfzehntes Kapitel.

Janthe.

Ergebung, Mylady!"

Lord Byron?!"

In seinem Anruf vibrirte Schüch­ternheit, anbetende Demuth und Glück­seligkeit.

Lieblich erglühend und gleich dar­auf leicht erblassend, blickte das junge Mädchen aus. Byron's Name klang von ihren Lippen wie ein mühsam erstickter Freudenschrei; ihre Augen voller Stolz und Sanftmuth hatten einen fast trium- phirenden Ansdruck, wie ein großes, unerwartetes Glück ihn verleiht.

Beide, er und sie, empfanden die heftigste innere Bewegung, allein sie lebten in Kreisen, wo äußerliche Etikette jede Wallung zu beherrschen versteht, somit war er um eine artige Anrede nicht verlegen, und Lord Oxsord's Töchterlein blieb ihm keine Antwort schuldig.

Schnell entspann sich ein Gespräch ohne banale Vorstellungseeremonien, ohne drückende Salonluft.

Auf Ihrem Gebiete. Mylord! Ertappt durch den Schloßherrn selber," scherzte sie,auf Wald­frevel ertappt!" Sie hielt den duftigen Zweig in die Höhe.Werde ich gepfändet werden?"

Wohlan, Mylady," entgegnete er mit ritterlicher Galanterie,eins Ihrer seidenen Haare schlang sich um den Jasminzweig, gönnen Sie es mir und lösen Sie sich damit aus."

Sie sagte nicht Ja, nicht Nein; ihr zarter Busen hob und senkte sich rascher unter der dünnen chinesischen Seide.

Byron nahm das lange, weiche Frauenhaar und umwand viele Male seinen Ringfinger damit, es glänzte an seiner wundervoll geformten Hand wie ein Reisen dunklen, gesponnenen Goldes; unwillkürlich drückte er die Lippen daraus, doch es lag in dieser Huldigung keine Spur von Keckheit, sondern die Echt­heit und Einfachheit, mit welcher sich einst Chastelard dein Dienste seiner weißen Königin, Maria Stuart, weihte.

Die Fee Morgane," sagte er,steckte ihren Rittern den Verjüngnngsring an den Finger."

Und reichte ihnen die Krone des Vergessens," fügte Nancy hinzu.Sie, Mylord, bedürfen weder des einen, noch des andern Talisman"

O gütige Fee, täuschen Sie sich nicht über mich!" versetzte er traurig.Nur scheinbar bin ich jung; mein Herz ist enttäuscht, welk und müde, und mein

kurzes, verfehltes Leben enthält Vieles, allzu Vieles, was ich in Lethe versenken möchte."

Sie heftete den sonnigen Blick auf ihren dunkel­lockigen Nachbar, und alle Bangigkeit war von ihr gewichen; sie fühlte sich neben ihm in ihrer Sphäre, der Ton seiner Stimme klang herzverwandt, über­zeugend.

Sie wußte, dieser eine, unwiederbringliche Moment würde nie wiederkehren, wenigstens nie so unentweiht, so rein und beglückend als echtes Geschenk der Götter.

Ihr übervolles Herz konnte nicht schweigen, es mußte die Gunst des Augenblicks benützen und sich in Worten Lust machen.

Ueberreich begabte Sterbliche, wie Sie, Mylord, sind immer nur relativ glücklich," sprach sie mit edler Wärme und dem unbewußten Liebreiz, der gleichsam von ihr ansstrahlte.Ich bin durch einen glücklichen Zufall die Schwester Ihres Freundes, Sie sind für mich kein Fremder; daher möchte ich so gerne doch nein! Wer bin ich unbedeutendes Mädchen, ohne Einfluß, daß ich es wage"

O, würdiger: Sie mich Ihrer Theiluahme, Lady Nancy! Seien Sie mein guter, süßer, er- barmungsvoller Engel! Weibliche Herzen träufeln des Samariters Oel und Wein in die wunde Brust. Gesegnet sei der Helle, blühende Tag, die hohe, goldene Stunde, welche uns wie durch ein Wunder vereint!"

Mit feinen: Taktgefühl vermied Byron, der Scheidewand zwischen ihm und Oxfordhall zu er­wähnen, er wollte dem großmüthigen Mädchen pein­liche Verlegenheit ersparen.

Sie reichte ihm dankend ihre seine rosige Hand, deren Fingerspitzen er demüthig an die Lippen führte; ein wehevolles Glück durchzitterte sie, das ihr die Sprache raubte, sie wendete sich von ihm ab mit stockendem Athem, aber sie rang nach Fassung, denn sie hatte ja eine bedeutungsvolle Sendung zu voll­ziehen.

Ich möchte so gern einige Sonnenstrahlen auf Ihren Pfad werfen," sagte sie mit seeleuvollem Blick und eindringlicher Stimme.Sie sind ein Dichter, Mylord, weßhalb unterschätzen Sie die Gottesgabe der Poesie?"

Er ließ sich neben ihr auf die Moosbauk unter einer majestätischen Rothbuche nieder.

Die Kritik, Mylady, zerfaserte meine erste:: Versuche in Staub und bewies mir, daß ich nichts geleistet hatte," gab er melancholisch zurück.

Wären die ,Lieder eines Minderjährigen' aus dem traditionellen Dachstübchen hervorgegangen," rief