Heft 
(1885) 43
Seite
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Deutsche Roman-Bibliothek.

gestatte dem Weibe die Theilnahme an Allem, was eben ihr zur gesellschaftlichen Pflicht gemacht ist, wenn es die Lebensstellung bedingt, ich habe nichts gegen die volle Lebensfreude des Weibes; Du weißt, ich bin Kavalier und als solcher von den ritterlichsten Gesinnungen für das Frauengeschlecht; ich billige es, wenn dasselbe seine ganze Gewalt über uns auf­bietet, sie Zu verdoppeln sucht durch äußern Prunk und Reiz, aber ich verlange, daß das Weib, wenn es vom Turnier der Schönheit heimkehrt, seiner göttlichen Mission eingedenk bleibe, das heißt, be­friedigt in seinen weltlichen Instinkten, am häuslichen Altar eine sinnige Priesterin sei. Nur von dem Weibe hängt es ab, was die Männer sind und sein können; entsagt die Göttin ihrem Thron, so stößt sie auch die ewigen Gesetze um. Du selbst weißt, wie gern ein ganzes Volk, selbst das mächtigste und vorgeschrittenste, sich von einem Weibe regieren läßt, und dieses eine, große Regiment zerfällt doch im Staate nur in Millionen kleinere, die innerhalb der häuslichen Mauern herrschen. Ich will, wie gesagt, die göttliche Mission über das Gemeine herrschen sehen, und wenn ich ein junges Wesen wie dieses, das wir eben sahen, an mich feßle, so geschieht es mit der Absicht, es, so viel an mir ist, zur Erfüllung dieser Mission heranzubilden."

Möge Dir das gelingen! Aber Du kennst doch die Welt!"

Eben weil ich sie kenne, vermesse ich mich, eine solche Ausgabe zu lösen, wenn Du mich darin uuter- stützst. Aber freilich..." Er schwieg in derselben Verstimmung, die Achsel zuckend und andeutend, daß er von ihr so wenig erwarte.Ich habe nun einmal dieser armen Frau mein Wort gegeben, aufrichtig gesagt, verführt durch den mich eigentümlich fesselnden Anblick des Kindes. Das Mädchen kann keine Dutzend­natur sein; es zeigte in seinen Lumpen etwas Be­wußtes, das nur zur richtigen Erkenntniß und zu richtigem Ziel geleitet werden muß. Es wird freilich unerläßlich sein, das Kind zunächst für einige Jahre der Leitung einer bewährten Erzieherin zu über­geben, die ganz meine Prinzipien theilt, um es so­zusagen aus dem Rohen herauszuarbeiten. Du sahst Frau von Schöller bei uns; sie hat ein Institut in der Provinz. Du selbst wirst ihr das Kind in meinem Namen überbringen, denn vorläufig ist es noch ein spröder Stoff, den zu bilden Du..." Wieder das­selbe muthlose Zucken der Schulter, dasselbe verstimmte Hinausblicken; und wie um sich für Entbehrtes zu entschädigen, versenkte er sich in seine Pläne.

Indem wir das Kind adoptiren," sagte er halb für sich,thun wir, wie wenn wir ein Bäumchen pflanzen, an den: wir erst nach Jahren Freude haben können. Wir müssen es auch aus anderen Rück­sichten vorläufig der Frau von Schöller übergeben. Die Kleine wird hier schon Berührungen und Be­kanntschaften haben, von denen sie für ihre künftige Stellung losgemacht werden muß. Es würde uns peinlich sein, mit diesen belästigt Zu werden. Zudem werden wir nicht genöthigt sein, Auskunft Zu geben, wenn man uns fragt: woher stammt das Kind? wer sind seine Eltern? Das Mädchen scheint dis­kreter Herkunft zu sein, oder wie meinst Du?"

Die Gattin, halb zum Wagen hinansblickend, deutete schweigend eine ähnliche Meinung an.

Später wird das anders sein. Unsere Bekannten mögen wissen, daß wir ein Kind, das meinetwegen Dir oder mir entfernt verwandt, angenommen haben; sie werden sich an den Gedanken gewöhnen, daß wir überhaupt ein Kind haben, und wenn wir es dann aus der Pension zu uns nehmen, werden sie sagen: ,AH, das ist also die Tochter!' Hab' ich Recht?"

Gewiß!"

Ich gestehe, die Vorstellung schmeichelt mir, nach einer zu berechnenden Zeit ein junges, hübsches, vielleicht schönes Geschöpf an meiner Seite zu haben, dessen Denken und Handeln ich leiten, dessen Lektüre ich mit strengster Auswahl bestimmen, dessen Lehrer ich engagiren, dessen Umgaugskreis ich überwachen werde, das ich ganz nach meinem Ideal herausbilden, meine Tochter nennen darf. Es liegt ein neues Leben für mich in diesem Gedanken, ich selbst will mit Frau von Schöller Rücksprache nehmen, von der ich überzeugt bin, daß sie das Kind durchaus nach meinen Jntensionen vorbereiten wird."

Das Anhalten des Wagens unterbrach ihn. Derselbe stand vor eineu: Magaziu. Leonore ver­ließ ihn, und er versprach, ihr den Wagen in einer Viertelstunde zurückznschicken.

In den Fond desselben sinkend, schloß er die Augen.

Es ist eine Verantwortlichkeit, ein Risiko," murmelte er vor sich hin.Es ist eine selbstwillige Korrektion des uns beschiedenen Daseins, denn wie kann ich wissen und berechnen, welche Absichten die Vorsehung mit der Kinderlosigkeit meiner Ehe hatte! Diese Vorsehung sagt mir: ,Dn sollst keine Kinder haben/ und ich erwiedere ihr: ,Jch will deren!' Was von Beiden ist nun zun: Guten? Es ist fremdes Blut, das ich in mein Haus nehme, während doch Niemand für sein eigenes zu stehen vermag, ein Kuknksei, das ich mir selbst in's Haus trage! Weiber täuschen; ich habe das Beispiel an meiner Frau; auch sie hat nicht gehalten, was sie versprach, selbst ihre göttliche Stimme verschluckte sie, als sie die Frau..."

Der Wagen hielt vor den: Klublokal, in welchem er zu frühstücken gewohnt.

Für alle Fälle werde ich mich doch mit einer formellen Adoption nicht übereilen! Uebrigens Hab' ich heute genug über die Sache gedacht." Er drückte im Hausflur einem ältern Freunde die Hand und stieg die Treppe hinan.

Viertes Kapitel.

Um nicht allzu fern von seinem Schützling zu sein und besonders aus den Wunsch Leonorens schlug Oppenstein seinen Wohnsitz definitiv in Berlin auf, verlebte einige Sommermonde in der Villa der Letzteren an: User des Rheins und bezog in: Spät­herbst ein Winterquartier in Nizza.

Es schien, als sei dieses Kind der Vereinigungs­punkt ihrer Sympathieen geworden, obgleich es auch der Gegenstand war, um den sie sich oft genug zankten. Bettina so hatte die Baronin das Kind