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Deutsche Roman-Bibliothek.
„Siehst Du, Miska," sagte Jda, „ich glaube ganz Anderes. Antworte mir aus eine Frage, die ich gleich stellen werde, antworte ehrlich und offen, wie Szekler ja sein sollen; antworte gleich oder später — das ist mir einerlei, hast Du nicht —
Sie zögerte, Taroczi ritt näher an sie heran, nahm die Zügel in die rechte Hand und faßte mit der Linken die fragend erhobene Rechte seiner schönen Gefährtin, deren Wangen sich geröthet hatten.
„Was soll ich haben oder nicht haben?"
„Hast Du nicht eine andere Liebe?" lispelte Jda weicher als sie sonst zu reden gewohnt war.
„Ich?" fragte Taroczi. „Ich? — Nein, gewiß nicht! — Oder hat Dir Jemand einen Floh in's Ohr gesetzt?" Er lachte gezwungen. „Nein, nein, eine Andere als Dich habe ich nicht, Dn bist für mich die Rechte, Dn hast Geist, Leben und Willen, Du kannst mich unterjochen, und wir Männer müssen Sklaven sein! Werde meine Herrin!"
Jda zog ihren Arm aus der heftigen Umfassung, lenkte ihr Pferd etwas links ab und zog den Schleier ihres Hutes über das Gesicht. Eine kleine Brücke nöthigte Taroczi, Zurückzubleiben. Jda ritt hinüber und setzte ihr Pferd sodann in Galopp. Taroczi folgte; noch eine zweite Brücke kam, dann ein Graben, über den sie hinübersprang, endlich ein kleines Gehölze von verkümmerten Obstbänmen, durch welches ein schmaler Fußpfad führte. Nachdem sie ihn im Schritt durchzogen hatte und auf dem freien Felde angelangt war, hielt sie ihr Pferd an, ließ Taroczi an sich herankommen und fragte ihn:
„Was willst Du mit Deinen: Kinde machen?" „Es ist eine Tochter und bleibt der Mutter," entgegnete Taroczi, „und Jlka wird sich einen andern Mann nehmen, das ist sehr einfach."
„Ja, einfach, aber thut es Dir nicht leid?" „Mutter und Tochter bleiben zusammen, das ist so Brauch, auch Gesetz, glaube ich; was nutzt da viel Nachdenken, und woher sollen die Gefühle kommen? Kleine Kinder sind die Puppen der Zu Frauen gewordenen Mädchen, Spielzeuge, die Sorge machen; der Vater hat erst dann mit ihnen zu thun, wenn sie ihn: Arbeit zu machen anfangen — willst Dn aber anders verfügen —"
„So weit sind wir noch nicht," sagte sie; „reiten wir zu Koszta Gyuri frühstücken."
Jda bog den Weg links ein, der zu einer Kurie führte, welche sie bald im Trabe erreichte. Sie sprang ab, warf die Zügel Taroczi zu, der sie mit der Reitgerte auffing, und während Jda in's Haus cintrat, ritt Taroczi um dasselbe herum Zu den Stallungen, wo ihm Knechte die Pferde abnahmen.
Als er in's Haus eintrat, fand er Jda neben Frau von Koszta sitzen, harmlos plaudernd, während Herr von Koszta dem Koche ein villa8-kru8elltuk ex- plizirte, das in zehn Minuten fertig sein mußte, da Jda feierlichst erklärt hatte, sie warte keinesfalls länger.
Das Gabelfrühstück wurde auch rechtzeitig servirt, man aß sehr gemüthlich, Jda trank, genöthigt und freiwillig, mehrere Gläser Rießling, die sie sichtlich aufregten, denn ihr Sehwinkel verkleinerte sich, man konnte schwer errathen, wen sie ansah; doch blieb das Gespräch bei Allgemeinheiten und Nachbarnklatsch, bei dem jedoch eine Stunde schnell vergangen war.
Man nahm Abschied, die jungen Leute, namentlich Jda, entschuldigten sich, daß sie der Gäste halber daheim sein müßten, und sprengten denselben Weg zurück, den sie gekommen waren.
Beim Eintritt in's Hölzchen ritt ihr Taroczi vor.
„Nun lasse ich Dich nicht weiter, wenn Du mir nicht sagst, ob Du mich liebst oder hassest," sagte er.
„Jedenfalls hasse ich Dich," antwortete sie schnell. „Warum? willst Du fragen — ich antworte gleich, weil Du mir nicht gleichgültig bist. Ich muß au Deine Frau und Dein Kind denken — am Ende werden Beide unglücklich meinetwegen — deßhalb hasse ich Dich."
„Welche Phantasterei!" fiel Taroczi ein. „Glücklicher werden Beide, und bin ich Niemand -- bist Du Niemand? Haben wir Beide kein Recht aus Glück? Haben Andere ein Recht, es auf meine Kosten zu werden — aus unsere Kosten zu sein? Willst Du mich Zu einer Gewaltthat verleiten? Jda — um Gottes willen — rette mich — sonst bin ich verloren und sind es die Anderen auch!"
Jda war erschüttert über die Heftigkeit und Leidenschaft, mit der Taroczi diese Worte herausgestoßen hatte — sie hatte ihre Fassung verloren.
Taroczi ritt ganz nahe Zu Jda, stellte sich in den linken Bügel, umfaßte sie, zog sie an sich und küßte sie. Jda ließ cs geschehen.
Wie versöhnt ritt sie Weiler durch den Busch, langsam im Schritte, ihr folgte Taroczi gedankenvoll. Sie kamen hinaus, passirten einzeln die Brück- chen, und als Taroczi die Augen anfschlug, sah er über den Hügel her seinen Päl auf Bätor kommen; das Pferd wieherte schon von Weitem, auch Nozsika antwortete dem Stallgenossen.
„Was ist da geschehen?" rief Taroczi unwillkürlich aus.
„Wo?" fragte Jda.
„Bei mir zu Hause," preßte Taroczi heraus, dessen Gesicht purpurroth geworden. „Mein Knecht ist da, aus Bätor, dort vor Dir."
PLl kam im Galopp an.
„Was ist's, was bringt Dich her?"
„Herr," sagte Pal, „Deine Tochter ist heute Nacht gestorben."
„Wie kann das sein?"
„An der Bräune starb sie, es half keine Pflege."
Taroczi wurde leichenblaß, drehte sich zu Jda, reichte ihr die Hand.
Sie drückte die seine und leise sprach sie dazu:
„lieber diesem Grabe."
(Fortsetzung folgt.)