1048
Deutsche Noman-BLbliothek.
Sie wurden durch das Eintreten derselben Dienerin unterbrochen. Die Lehrerin erwarte das gnädige Fräulein!
Bettina winkte ihr, zu gehen.
„Es ist unausstehlich! Selbst am Nachmittag vor Ostern, wo sonst Ferien waren! Da soll ich nun heute Literatur und Aesthetik anhören!... Aber ich muß folgen, denn mir steht immer Eins vor Augen: reich sein, recht viel Geld haben war stets mein Gedanke schon als Kind. Wer reich ist, der kann Alles."
„Ja, das empfindet wohl Niemand so schmerzlich wie ich!"
„Nur den Muth nicht verlieren! Als Adoptivkind des Barons erbe ich noch einmal mindestens zwei Millionen, so sagte mir Jemand, der es genau weiß. Ich muß also klug sein, denn ich weiß wirklich nicht, ob er das Alles schon so fest gemacht hat, und fragen darf ich doch nicht. Um die Millionen laß ich mir Alles gefallen, denn es muß ja doch einmal eine Zeit kommen, wo ich meine eigene Herrin werde. . . Aber Adieu jetzt! Morgen wirst Du von mir hören!"
Sie umarmte Lola stürmisch und eilte hinaus. Diese trat an das Fenster und schaute in den Hof.
„Ja, wer auf solche Freundschaft nur zählen dürfte!" seufzte sie. „Morgen denkt sie sicher nicht mehr an das, was sie heute gesprochen! Aber ich beneide sie. Ich ließe mich für weniger adoptiren."
Die Vesperglocken der benachbarten Kirche läuteten eben das Osterfest ein.
Achtes Kapitel.
Am Abend des ersten Ostertages erschien Bettina wieder bei ihrer neuen Freundin. Sie war wie Lola im leichten Hausgewand. Ihre Pflegeeltern seien ausgefahren, meldete sie; Lola solle mit Hinabkommen, aber ganz ungenirt, denn sie seien unter sich.
So betrat die Letztere denn zum ersten Mal die mit hoher Eleganz eingerichteten Räume des Barons, dessen lebensgroßes Porträt neben dem seiner Gattin ihr so vornehm und imponirend entgegen schaute.
Bettina machte sie gleich heimisch; sie führte ihren Gast durch die lange luxuriöse Flucht der Zimmer, deren Pracht erdrückend auf Lola wirkte, und ließ sich endlich mit ihr in dem mit Bronzedamast dekorirten Boudoir der Baronin nieder, wo der Diener die Chokolade serviren sollte.
Mit dem Vollbewußtsein vornehmen Behagens lehnte sich Bettina in einen der Weichen Sessel zurück, die Füßchen in dem flockigen Teppich vergrabend, Lola zunickend, sie möge es auch so machen. Letztere, an den Comfort einer wohlhabenden bürgerlichen Familie gewöhnt, staunte doch über alle die Bronzen, Marmorgegenstände und Majoliken, die ihr durch die Portiere des Boudoirs aus den nur matt beleuchteten Zimmern entgegenstarrten, über die kleinen, kostbaren, vielgestaltigen Details, welche die Kaminsimse, die Etageren und Gueridons, die Wände und die Nischen bedeckten. Alles strotzte hier von Reichthum, Alles verlangte, bewundert zu werden.
„Dein Pflegevater ist wohl schon alt?" fragte Lola, sich mit Vornehmheit znrücklehnend. „Ich sah ihn nur einmal flüchtig, seit er wieder zurück ist; er schien mir sehr viel älter geworden zu sein."
„O nicht doch! Aber er soll sich einmal auf der Reise eine schwere Krankheit zugezogen haben. Er klagt oft über Schmerzen in den Gliedern und dann ist er namentlich gegen seine Frau recht unverträglich; ich muß dann immer kommen und mich an's Piano setzen. Er leidet auch an Gedächtniß- schwäche und verlangt, daß ich ihn an Alles erinnern soll... Ach, wären wir nur in Italien geblieben!" rief sie schwermüthig und seufzend. „Aber Gott sei Dank, daß ich aus der Pension bin! Gelernt Hab' ich dort spottwenig. Mir war auch nicht daran gelegen, denn ich wußte ja eigentlich gar nicht, wem ich angehöre. Die Vorsteherin hütete sich, mit meinem Eigensinn anzubinden, sie ließ mich thnn, was ich wollte wenn sie nur ihr Geld bekam. Ich konnte spazieren gehen, wann es mir beliebte, kaufen, was mir gefiel, und dann verschenkte ich's wieder. Wenn die Baronin und er kamen und nach meinem Betragen fragten, war Alles ausgezeichnet. Sie redete ihnen, wie sie's hören wollten. Aber komm', ehe man die Chokolade bringt, will ich Dir doch meine Zimmer zeigen!"
Sie führte Lola wieder durch die Räume in ein großes, pavillonartig dekorirtes, durch Sauberkeit glänzendes Frauengemach, dessen Bette im angrenzenden Zimmer ein seidener Baldachin mit reichem Vorhang bedeckte.
„Ja, hier muß sich's reizend schlafen!" rief Lola. „Nicht wahr, dort kannst Du durch die Hintertreppe hinaus?"
Bettina nickte, „lieber die werde ich Dich oft -besuchen," lachte sie. „Die Baronin hat zwar nichts gegen euch, sie meinte heute jedoch, es sei ihr nicht lieb, wenn ich viel Umgang hätte . . . Aber der Diener wird schon servirt haben!" Sie schritt mit ihr zurück. „Dort ist des Barons Zimmer!" Sie schlug eine Portiere zurück und deutete in ein durch eine Ampel matt erhelltes Bibliothekzimmer. „Da ist meine Hauptbeschäftigung! Siehst Du den eisernen Geldschrank? ... Komm', ich erzähle Dir!" Sie führte Lola in das Boudoir zurück, winkte dem Diener, sie wolle selbst serviren, reichte Lola die Tasse und setzte sich neben sie. „Der Baron hat oft so zitternde Hände, daß ihm die einzige Arbeit versagt ist, die er zu besorgen hat, und die muß ich thnn, da seine Frau zu ungeschickt darin ist. Seit wir hier, bin ich sein Sekretär; ich muß ihm seine Briefe schreiben, denn die Baronin schreibt eine scheußliche Hand und ist sehr wenig gebildet. Dann muß ich von dem Wust von Geldpapieren, die er in dem großen Eisenschrank hat, lauter kleine Zettelchen abschneiden, was er lange versäumt hat; Coupons und Dividendenscheine nennt er das. Seine Frau schneide immer schief und krumm, so daß die Nummern fehlten, sagt er, und das nimmt dann immer so eine Stunde in Anspruch. Er sagt, er wolle morgen mit mir ein Verzeichniß von den Papieren unfertigen, denn es herrsche ein solcher Wirrwarr in seinem Geldschrank, daß er nicht mehr