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(1885) 44
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Deutsche Roman-Bibliothek.

nichts Aristokratisches in den Weichen, verschwimmenden Zügen; sie glich mehr einer Pächterssrau, aber sie hatte viel Verbindliches in ihrem Lächeln, wenn sie wollte.

Unsere reizende Nachbarin!" rief Oppenstein, Lola's Hand nehmend und sie seiner Gattin zuführend. Eine Maienblüte, wie sie nur dieser Wonnemonat geboren haben kann!" setzte er hinzu, während die Baronin Lola's Hand aus der seinigen empfing und ihr einige kühle Artigkeiten sagte.

Lola schaute verlegen nach Bettina aus. Sie sah ganze Gruppen von Gästen, Offizieren, Herren im Frack und weißer Kravate, Damen in den kostbarsten Toiletten, die, auf sie aufmerksam, sie neugierig musterten.

Fräulein Goldmann!" präsentirte der Baron sie, ihren Arm wieder nehmend...Ah, meine schöne Lola!" hörte sie gleichzeitig von der andern Seite Bettina's Stimme.Gib mir ihren Arm, Papa!" Damit sah sich Lola an der Seite des Mädchens, das sie stürmisch mit sich fortzog und nicht daran dachte, sie Zn präsentiren.

Bettina ließ ihr kaum Zeit, auch ihre Toilette zu bewundern, eine lichtblaue, mit Weiß und Silber gemischte Gazerobe, tief ausgeschnitten, so daß Brust und Nacken mit ihrem wundervollen zarten Teint zur größten Geltung kamen.

Ich muß Dir etwas sagen, Lola, da wir uns seit vorgestern nicht gesprochen haben!" Bettina zog sie ungestüm in eine Fensternische.Erstens: daß Du ganz hinreißend schön aussiehst und heute Abend viel Eroberungen machen wirst! Sieh' nur, wie sie Alle die Hälse nach Dir ausrecken! Papa-Baron war ja auch ganz entzückt von Dir; gib Acht, er wird Dir den Hof machen! . . . Und zweitens: daß meine Pflegemutter mit mir etwas vorzuhaben scheint, worauf Du Acht geben sollst. Es ist lächer­lich, aber es ist so; sie bearbeitet auch schon heimlich den Baron, mich zu verheirathen. Und weißt Du, an wen? An jenen Offizier da mit dem dunkel­blonden Bart, der sich eben auf den Flügel lehnt. Er kommt oft zu uns. Ich mag ihn nicht leiden, obgleich er ganz hübsch ist; er läßt mich gar nicht ans den Augen, er sieht mich gewiß auch jetzt, obgleich er nicht so thnt. Denke Dir: mit achtzehn und ein halb Jahren schon heirathen!"

Lola blickte erstaunt ans die Gestalt Bettina's. Heirathssähiger konnte nach ihrer Meinung allerdings kaum Jemand sein als dieses merkwürdige Mädchen, das ihr immer größer erschien', wenn sie es wieder sah, und namentlich heute in der reizenden, tief aus­geschnittenen Gazerobe, von Silber überglänzt, mit der wunderschönen Büste, dem blendenden Nacken, dem kräftig modellirten runden Halse und dem strahlen­den Antlitz! Wer sollte heirathen können, wenn nicht sie mit der fürstlichen, Walkürenhaften Haltung und dem Bouquet an der Brust und ans der mächtig langen Courschleppe! Lola begriff heute kaum, wie Bettina bisher diesen junonischen Wuchs in der be­scheidenen Alltagskleidung habe bergen können, denn sie strotzte von Jugendfülle und aus ihren Augen blitzte es mit unruhigem Leuchten.

Er gefällt Dir nicht? ..." fragte sie gedehnt. Er ist doch ein hübscher Mann!"

Nein! Weil mir ein Anderer besser gefällt. Aber wenn sie den Pflegevater herumkriegt und der auch will, was wird mir übrig bleiben? Ich sehe das Alles schon kommen; aber gefragt sein will ich doch! ... ,Sei vorsichtig/ warnte mich die Baronin noch gestern. ,Zieht er die Hand von Dir, so bist Du arm, wie Du gewesen!' Brr! Und davor graut mir! Ich habe erfahren, was arm sein heißt! ... Aber komm', man vermißt mich schon wieder! Sei recht artig gegen den Baron; er findet Dich hübsch, aber ich weiß schon, was er zu Dir reden wird. Eine schöne Seele in schönem Körper, das ist sein Wahlspruch, ich sagt' es Dir ja!"

Beide verloren sich einzeln in den Sälen. Oppen­stein war unermüdlich, seinen Gästen die Honneurs zu machen; sein Pflichtgefühl beherrschte die Ge­brechlichkeit seines Körpers; er lächelte unter den Schmerzen, die zuweilen seine Gesichtsnerven zucken machten. Mit väterlichem Stolz beobachtete er die Erfolge Bettina's, während er sie den Neueintreffen­den zuführte.

Gott sei Dank, die Parade ist endlich vorüber!" Damir drückte Bettina, an Lola wieder vorüber­streifend, ihr die Hand. Diese sah, wie sie, sich von ihr abwendend, auch einigen Gästen entschlüpfend, zur Thür des Empsangsalons schritt, einen hastigen Blick in denselben warf und dann, den Fächer vor dem Gesicht bewegend, in merkbarer Aufregung hinter einer Gruppe verschwand.

Der Tanz begann von Neuem. Auch Lola erntete Triumphe. Jetzt sollte musizirt werden. Man erwartete eine bekannte Opernsängerin und einen fremden jungen Geiger, der gestern zum ersten Mal mit enormem Erfolg in der Singakademie ausgetreten und die Einladung des Barons angenommen, der ihn kürzlich in Italien kennen gelernt.

Lola, als sie am Arm ihres Tänzers den Konzert­saal betrat, in welchem der Akkompagnateur schon über die Tasten fuhr, sah Bettina, von einem Lieutenant geführt, der ihr als Herr von Walbeck vorgestellt worden demselben, von welchem sie ihr bereits gesprochen, einem jungen Mann von hoher, eleganter Gestalt, mit sonngebräuntem, angenehmem Gesicht, verständigen graublauen Augen und blondem Vollbart.

Bettina schien an seinem Arm kaum Notiz von ihm zu nehmen, als sie einen der vordersten Stühle wählte, während er sich bescheiden hinter sie setzte. Oppenstein selbst erschien mit der Sängerin am Arm, die mit warmer Sympathie empfangen wurde. Lola hatte auch den Geiger, eine originelle, interessante Erscheinung, schon beobachtet. Er war ein schlanker junger Mann mit etwas dunklem Teint, mächtig und saszinirend blickenden dunklen Augen, glänzend schwarzem Vollbart und üppigem, gelocktem schwarzem Haar, das phantastisch seine Schläfen umnachtete.

Er mußte ein gewaltiges Talent sein; Leiden­schaft sprühte aus seinen Augen in seltsamem Kon­trast mit der die Gesellschaft beherrschenden Ruhe seiner Gesichtszüge.Man könnte ihn für Lord Ruthwen halten!" vernahm Lola hinter sich die Stimme einer jungen Dame.Wenn die Hölle eine Frauenseele fangen will, so schickt sie ihr diesen Dämon!" flüsterte vor ihr eine ältere Dame der