Feuilleton.
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Nachbarin Zu. „Er ist unheimlich schön!" antwortete diese mit einem Frösteln.
Lola war wie alle Frauen unter dem Bann dieser wirklich dämonisch schönen Erscheinung. Ihr fiel es aus, daß des Künstlers Augen oft und brennend auf einen Punkt und gerade dahin gerichtet waren, wo Bettina saß.
Und als er nach Beendigung des Gesanges jetzt mit seiner Geige vortrat, einen Blick der Verständigung auf den Akkompagnateur warf, dann über den Salon blickte — namentlich wieder auf die eine Stelle — dann die Geige an den Hals legte und die leichte Weiße Hand hob, da pochte Lola so seltsam das Herz. Wenn er sie so angeschaut hätte, wie er Bettina angeblickt! ... Es fröstelte sie und doch drang ihr das Blut in Stirn und Wangen; ihr war's auch, wie sie zu der Freundin hinüber schaute, als sei Bettina's Profil so geisterhaft bleich, als habe selbst das gebräunte Gesicht des hinter ihr sitzenden Lieutenants seine Farbe verloren.
Sie lauschten Alle, Alle athemlos gebeugt unter die magische Gewalt des seltenen Künstlers, entzückt, selbstvergessen, hingerissen, und wie endlich der Bann dieser unwiderstehlichen Macht von ihnen wich, wie der Künstler den Bogen senkte und sich stolz und knapp verbeugte, da ruhten seine Glutaugen wiederum aus Bettina, und Lola sah jetzt ganz deutlich, daß diese kreideweiß im Gesicht, als hätten die Augen es mit elektrischem Licht übergossen.
Die Gesellschaft erhob sich; man umringte den jungen Künstler, suchte seine Hand, sagte ihm tausend Artigkeiten, und er nahm sie hin mit dem ruhigen Bewußtsein des Meisters, lächelnd, abwehrend, belästigt durch so viel Enthusiasmus.
Lola stand noch wie gebannt am Arm ihres Kavaliers, der sie in den großen Salon zu führen wünschte. Er sprach mit Ueberdruß von dieser excentrischen Bewunderung eines Geigers und sie hing an seinem Arm, kaum hörend, nur Bettina suchend, die mit dem Lieutenant von Walbeck in einiger Entfernung dastand, unbekümmert um ihren Kavalier zu dem Künstler hinüberschauend, noch immer so bleich, an die Stätte gebannt, bis Alles zum Ausgang drängte und auch sie mit fortgerissen wurde.
Im nächsten Saal reichte man Erfrischungen umher. Lola empfand eine Unruhe, als müsse etwas Schlimmes geschehen oder als sei dieß schon geschehen. Sie erblickte Bettina, wie diese mit dürsten-
Seuil
Mit Ketten dnrch's Leben.
Eine Kriminalgeschichte von
Hugo Klein.
Im Hause des Stadtrichters von Szegedin feierte man ein fürstliches Karnevalsfest. Seit drei Tagen war dort das Feuer auf dem Herde nicht erloschen, fo groß waren die Vorbereitungen
den Lippen ein Glas Limonade leerte. Sie trat verwirrt zu ihr, sie stumm anschauend, wie diese mit wild irrenden Augen und zitterndem Arm dem Diener das Glas zurückgab.
„Du!" ries Bettina, sich sammelnd. „Es war so heiß da drüben! Ich fürchte mich, Zu tanzen; ich fühle ein Schwindeln... Ich wollte, es wäre Alles vorüber. .. Alles!"
Lola erschrak über den flackernden Glanz ihrer Augen, über ihr hastiges Athmen, ihre Zerstreutheit, und wieder überkam sie das Gefühl ihrer Unbedeutendheit gegenüber dieser in so großem Styl angelegten Frauennatur. Sie schaute fast mit Demuth zu ihr auf, wie eben Bettina's Haar, von dem Lüstre über ihr mit vollem Glanz übergossen, der Abendsonne gleich brannte, wie dasselbe Licht ihre Schultern, ihre Brust übergoß und auf diesen Teint eine fast blendende Wirkung übte. Sie schwieg vor dieser Majestät und schaute verlegen in den Saal.
„Lola, ich muß Dich sehen, Dich noch sprechen, wenn Alles vorbei ist!" hörte sie Bettina in ihr Ohr flüstern, während die Hand derselben sich fest um ihren Leib legte. „Mir ist die Brust so voll! Erwarte mich in Deinem Zimmer; ich werde nicht schlafen können!"
Das Piano drüben unterbrach sie; die Kavaliere eilten herbei; Baron Oppenstein selbst stellte sich an die Spitze einer Polonaise. Walbeck entführte Bettina, die ihm mit an Widerwillen grenzender Gleichgültigkeit ihren Arm ließ. Lola fühlte sich während der Windungen des Zuges jedesmal erschreckt, wenn ihr der junge Geiger am Arm seiner Dame begegnete. Als der Tanz beendet, war es ihr ein ebenso beunruhigender Anblick, als sie Bettina mit ihm im Fond des Saales plaudern sah.
„O Gott, die Beiden! Was ist es mit ihnen?" flüsterte sie bange vor sich hin. „Ich errathe ja schon Alles, was sie mir sagen will! Das ist der Andere, von dem sie sprach!"
Jndeß sie vergaß; der Tanz riß sie hin. Sie genoß diesen ersten Abend mit vollen Zügen. Sie plauderte lustig, als nach dem Tanz das Büffet etablirt ward; sie hatte auch Bettina eine Zeitlang aus den Augen verloren, nicht einmal darauf geachtet, daß dieselbe zum Verdruß ihrer Pflegemutter fo wenig am Tanze theilgenommen. Ohne irgend eine Ermüdung zu empfinden, stieg sie nach Mitternacht in ihr Zimmer hinauf. (Fortsetzung folgt.)
l e t o n.
der Frau Richterin zu dem Balle. Denn vor einigen Tagen erst war im ganzen Cfongrader Komitate das Statarium für Räuber, Mörder, Diebe und Brandstifter verkündet worden, und die Publikation des Standrechts hatte viele Gäste nach dem Sitze des Komitats gebracht: vornehme Mitglieder des Statarialgerichtes, die hier vermuthlich ihres Amtes zu walten hatten, eine ganze Rotte von Advokaten, die sich auf die ver- muthlichen Plaidoyers vorbereiteten, sogar gefühlvolle Damen der Haute-Volee aus den umliegenden Komitaten, empfindsame