Lösliche Sande von S. Aba.
1059
durch das Hausthor ein, der Küster nagelte den Sarg zu und vor dem Zimmer stand die Tragbahre.
Eszter hatte das große Tuch um den Kopf gelegt und besah sich vom Gange aus die düstere, schweigsame Szene.
Plötzlich drehte sie sich um und ging in's Zimmer des Herrn. Dieser lag noch zu Bette und schlief. Mit festem Schritte trat sie zu ihm hin, rüttelte ihn an der Schulter. „Stehen Sie auf, begleiten Sie die Leiche Ihrer Tochter zu Grabe, thun Sie ihr und sich nicht die Schande au, hier zu schlafen, während man Ihr Kind begräbt."
Eszter hatte monoton und sehr ernst gesprochen. Taroczi war auch erwacht, hatte Eszter verwundert angeblickt.
„Wartet, bis ich komme, ich komme gleich," war die etwas kleinlaut gegebene Antwort.
Eszter ging fort, schickte Antal zum Herrn und stellte sich wieder auf den Gang neben ihren Vater.
Die Vorbereitungen nahmen ihren Verlauf. Der Pastor war da; man trug den Sarg in die Mitte des Hofes, die Dorfleute bildeten einen weiten Kreis, die Weißen Mädchen standen zu Seiten der Bahre und die Kerzen waren angezündet.
Szabo Gyuri verließ sein Versteck, ging zum hochwürdigen Herrn und sagte ihm leise, er möchte noch zögern, da Herr von Taroczi sogleich kommen würde.
In der That erschien Herr von Taroczi überraschend schnell; er sah blaß aus, angegriffen, und die Leute schienen dieß zu bemerken, denn man konnte sehen, wie sich die Köpfe einander zudrehten und bejahendes Kopfnicken folgte. Es hatte schon Aufsehen gemacht, daß Frau von Taroczi abgereist war.
Taroczi stieg die Stufen herab in den Hof, stellte sich zum Kopfende des Sarges, das schwarze Haar hing ihm über die Stirne und die Hände hielten den Hut krampfhaft fest.
„Ein junges Leben ist es," fing der Pastor an, „das wir zu Grabe tragen, ein kleiner Engel, der znrückkehrt zum göttlichen Vater, ohne Makel, ohne Sünde — wohl ihm!
„Die Mutter des Kindes wurde vom Schmerze des Verlustes zu hart getroffen, sie konnte nicht sehen, wie ihr Liebstes in den Schooß der Erde gelegt wird.
„Aber der Vater steht dort, er ist stärker, wie es auch sein muß; er führt sein Töchterlein hin zur Gruft, damit es ewig dort schlafe.
„Die Gemeinde ist versammelt, denn sie nimmt Theil am Unglücke des Hauses, das den Kern dieses Dorfes bildet. Eine recht christliche Gemeinde hat ihr junges Glied verloren und darob trauern wir Alle.
„Aber dieses Kindlein war ein Unterpfand wahrer Liebe zwischen Mann und Frau — "
Ein leises Zittern ging durch Taroczrs Glieder.
„Und daß der Vater weiß, wie schwer ihn des Schicksals Hand berührt, dafür bürgt uns seine trauernde Gestalt.
„Man muß wissen," fuhr der Pastor mit erhobener Stimme fort, „was man verliert, sonst weiß man nicht zu schützen, was man hat.
„Und nun bete ich für die Verstorbene das Vaterunser, betet es mir nach."
Langsam, satzweise folgte in feierlicher Betonung das Vaterunser; nachdem es geschlossen war, hoben die Träger die Bahre, der Zug ordnete sich und bald lag die kleine Jlka sechs Fuß tief unter der Erde.
Taroczi kehrte ganz betäubt nach Hause zurück; auch Eszter hatte sich in ihr Hans begeben. Taroczi fragte nach Eszter, man sagte ihm, sie sei nicht in der Kurie, worauf er ihr die Botschaft schickte, sie solle so gut sein, das Haus wieder in Ordnung zu bringen; er selbst ließ anspannen und fuhr fort.
Zehntes Kapitel.
Der quittirte Kuh.
Im Hause des Baron de SZenta und Voldogfalva sah es eben nicht heiter aus.
Jakob Mendel, Pferde- und Getraidehändler, war die stehende Qual; auch jetzt befand er sich bei dem alten Herrn.
Dieser saß an seinem Schreibtische, hielt die Kielfeder in der Hand und vor ihm lag ein Wechsel- blanket, das zum Theile schon ansgefüllt war. Es handelte sich nur um die Hauptsumme, die eingestellt werden sollte.
Neben ihm stand Herr Mendel, ein ziemlich starker, breiter Mann mit schwarzgrauen Haaren und kurz gestutztem Schnurrbart; er trug einen Schafpelz, enge Hosen und hohe Stiefel, in der Hand hielt er eine Pelzhaube; seine Füße standen weit auseinander und sein Gesicht hatte einen stets lächelnden Zug um Augen und Mund; der Mann machte überhaupt den Eindruck von Festigkeit, Ruhe und behäbiger Weltanschauung.
„Ich kann nicht anders, hochwohlgeborener Herr Baron, schreiben Sie nur, es ist nicht mein Geld. Euer Hochwohlgeboren wissen das recht gut und der Exekutionsbescheid befindet sich in meinen Händen, da ist nichts mehr zu machen — Euer Hochwohlgeboren sollen zahlen oder schreiben."
Der alte Herr, der über seine Augengläser hinüber dem Juden auf den Mund geschaut hatte, wurde immer nervöser, die Muskeln seines mageren Gesichts zuckten auffallend, er stieß die Brille mit Gewalt aus die Nasenwurzel zurück, von wo sie stets wieder auf die Mitte Herabsiel, und vergrub den Kopf in den breiten Kragen seines altmodischen Rockes von kaffeefarbenem Tuche, der tief auf den Boden herabhing.
So wie die zwei Männer aussahen, hätte man glauben können, Baron Szenta sei der Wucherer, der Geizhals, vor dem der joviale Schuldner stehe, vergebens um Nachsicht bittend.
„Für Zweitausend Viertausend!" sagte Herr von Szenta in schneidendem Tone, die Feder in das Tintenfaß stoßend und mit Macht wieder abspritzend. „Das ist zu viel, zu arg! Er weiß, daß dieß nicht meine Schulden sind und hat einen Haufen Geld schon erhalten, Er ist ein Schinder, ja, ein Schinder, den ich werde hinauswerfen lassen!"
Herr Mendel lachte. „Nur nicht so hitzig, Herr