Heft 
(1885) 45
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Deutsche Roman-Bibliothek.

Baron; Euer Hochwohlgeboren brauchen mich nicht hinauszuwerfen, ich gehe selbst, wäre gar nicht ge­kommen, der Stuhlrichter soll thun, was er will empfehle mich."

So bleib'Er! Machen wir zweitausendsünfhundert Gulden," sagte Herr von Szenta.

Sie zahlen die zweitausend Gulden nicht und die viertausend nicht und nicht zweitausendfünfhundert Gulden, schreiben Sie wenigstens die viertausend Gulden! Geben mir Euer Hochwohlgeboren, Herr Baron, fünfhundert Gulden baar, und ich lasse die Schuld in früherer Höhe das ist ein billiger Vorschlag."

Ich kann nicht zahlen, aber mein ganzes Haus kann ich Ihm auch nicht verschreiben! Ihr wollt mich berauben! Ihr seid ein jüdischer Hund, ein Hoher, ein Schinder!"

Herr von Szenta stand auf, warf die Feder auf den Tisch, stellte sich Mendel gegenüber; man sah, wie sich seine Haare sträubten; gleich einem Kamme richteten sie sich auf, während sich der Rücken krümmte, als wollte der alte Herr zum Katzensprünge aus- holen.

Der Fluch Gottes über Ihn!" schrie er,der Fluch Jehovas! Ich zahle nichts, schreibe nichts, lasse mich exequiren und lebe von' der Pension Er ist ein Hund!"

Mendel war etwas Zurückgetreten und stand mit dem Rücken fast an der Thüre, als diese aufgestoßen wurde und Mendel vorwärts beinahe in die Arme Herrn von Szenta's siel.

Unter der Thüre aber stand Graf Feri.

Was gibt es da?" fragte er.

Er hatte die Situation bald überschaut, bat Herrn Mendel, hinauszugehen, und ließ sich von Baron Szenta den Gegenstand näher erzählen.

Aber ich bitte Dich," sagte er dann, sich in den alten Lehnstuhl des Herrn von Szenta setzend, ich bitte Dich, warum theiltest Du mir Deine Ver­legenheit nicht früher mit? Das ist ja eine Misere, eine Kleinigkeit, der sich leicht abhelfen läßt." Dabei zog er seine Brieftasche heraus, zählte zweitausend Gulden auf den Tisch und fragte Herrn von Szenta, ob das hinreiche oder ob er noch andere dringende Gläubiger habe?

Gewiß nicht," antwortete Herr von Szenta, die zweitausend Gulden würden mich ganz rangiren, aber ich habe nichts, wovon ich sie Dir zurückzahlen könnte, dagegen will ich Dir acht Prozent geben und das Kapital aus dem Gute intabuliren lassenDu bringst mich in nicht kleine Verlegenheit durch Deine Güte," dabei suchte er in den tiefen Taschen des langen Nockes, fand das Gesuchte nicht und lies zur Thüre hinaus.

Feri blieb sitzen, er nahm die Banknoten in die Hand, zählte sie, betrachtete sie genau, drehte sie wohl auch um, blickte durch's Licht und legte sie wieder auf den Tisch, zwei wohlgezählte Häuschen, je tausend Gulden.

Bald erschien Baron Szenta, hinter ihm Mendel, welcher schweigend sein Geld in Empfang nahm, die Bestätigung abgab und sich, wie es schien, etwas enttäuscht von dannen trollte.

Jetzt zog Szenta das rothkarrirte Schnupftuch aus der Tasche und machte Miene, eine wohlgesetzte Dankrede zu halten; aber Graf Feri errieth die Absicht, bat kurz, Baron Szenta möge den Schuld­schein verfassen, bloß Jnterimsschuldschein, Doktor Varga in Klausenbnrg werde das Uebrige besorgen. Graf Feri drückte dem Alten die Hand, lud sich zum Mittagstisch ein und erbat sich die Erlaubniß, Fräulein Karoline aufzusuchen, die ihm mit Freuden gegeben wurde.

Feri hatte eigentlich gar nicht die Absicht gehabt, zum Essen zu bleiben, da ihm das Zusammentreffen mit Karoline eher lästig als angenehm war, aber die gemüthsweiche Stimmung des alten Herrn fürch­tete er noch mehr, und so war ihm Beides gegen Willen entschlüpft. Das fühlte er wohl, als sich die Thüre hinter ihm schloß, und deßhalb ging er vorerst in den Stall und befahl seinem Kutscher, ja sicher um vier Uhr angespannt zu haben, er wolle am Abend zeitig in Klausenburg sein; dann ging er durch den Garten und wollte eben den walachi- schen Taglöhner, der Dünger aus dem Nachbarhause auf das Spargelfeld führte, fragen, wo das Zimmer der Baronin sei, als er diese selbst erblickte.

Sie saß in der Weinlaube, deren Blätter die braune Herbstfarbe trugen und nur spärlich gegen die heißen Strahlen der noch mächtigen Sonne schütz­ten; zahlreich lagen sie abgefallen auf dem Boden rings um die Laube.

Karoline trug ein weißes Kleid und nähte oder stickte, vor ihr lag ein Band deutscher Gedichte, dem Einbande nach zu nrtheilen von Freiligrath.

Guten Tag, Fräulein! Ich genire Sie doch nicht? Eben habe ich mich bei Ihnen für Mittag eingeladen und muß"

O, Sie sind ein guter, edler Mensch!" unter­brach ihn Karoline.Papa hat mir eben gesagt, welch' edles Werk Sie gethan; wie sollen wir Ihnen dafür danken?"

Sie war aufgestanden, Feri entgegengegangen und hatte ihm ihre schöne Hand gereicht.

Reden Sie doch nicht davon, Ihr Vater ist mein Schuldner geworden und hat es mit mir zu thnn, wer weiß, ob ich ein nachsichtigerer Gläubiger bin als Herr Mendel," entgegnete Feri, Karolinens Hand nehmend und ganz gegen seine Gewohnheit zum Munde führend.

Offenbar hatte Feri die gute That, die er voll­bracht, selbst überrascht, vielleicht auch weicher ge­macht, als er zu werden pflegte. Feri verschenkte selten Geld oder doch nur in sehr kleinen Beträgen, auch nie ganz ohne Ostentation und Zweck. Man wußte, daß wenn er einen Bettler beschenkte, seine Hand in den Sack griff, dort Münzen herauszog und, ohne sie angesehen zu haben, dem Armen hin­gab, was ihm zwischen die Finger gerathen war. Es war bekannt, daß sich öftersZwanziger", jene jetzt verschwundenen werthvollen Silberstücke, dar­unter befunden haben, aber man wußte nicht, daß am Morgen sorgfältig das Geld gewählt wurde, das zum Verschenken bestimmt war, so daß sich Graf Feri nie vergreisen konnte.

Sein Renommee war in dieser Hinsicht offenbar