Heft 
(1885) 45
Seite
1067
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Lösliche Sande van S. Aba.

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ungarischen Freunden, deren eine große Zahl theils stabil in Wien lebten, theils der eingeleiteten poli­tischen Bewegung halber dahin gereist waren.

Die Bewegung war allerdings groß und Taroezi, der die Stadt gut kannte, staunte über die Ver­änderung. Die Dinge gefielen ihm nicht. Dagegen fand Jda Geschmack an dieser ihr ganz neuen Art von Aufregung. Anfangs hörte sie, denn man sprach in keinem Cirkel etwas Anderes als Politik, auf­merksam zu; bald aber hatte sie sich über die schwe­benden Hauptfragen so weit orientirt, daß sie mit­reden konnte, und nach den Märztagen stand sie bereits auf der Höhe der Zeit. Sonderbar genug schlug sie sich ganz auf die Seite der liberalsten Ideen, so wie die meisten ungarischen Frauen ihrer Koterie, namentlich in Angelegenheiten Ungarns, es an Ueberschwenglichkeit nicht fehlen ließen. Jda's lebhaftes Temperament brachte sie bald an die Tete der Excentrischen, sie gab den Ton an, und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Verachtung für zopfige Anschauungen erfüllten sie im Prinzipe wie in der Beurtheilnng konkreter Fälle.

Taroezi war wirklich' desperat über den Unsinn, der gesprochen und gethan wurde; aber es hals keine Beweisführung, keine Logik,'kein Führen ab- mu'äum, keine Bitte, kein Tadel. Im Gegentheile, jetzt übertrieb Jda erst recht, und im natürlichen Laufe der Dinge wurde Taroezi reaktionärer, als er eigentlich war. Wahrer Ekel ergriff ihn, als sich die Bewegung aus die Gassen verpflanzte, als die Katzenmusiken an die Tagesordnung kamen, als die radikalen Zeitungen wie Pilze aus der Erde auf­schossen und das Volk den Blödsinn mit Energie anfnahm, den ihm gerade die elendesten Skribler boten.

All' das, sowie Taroczi's Entrüstung machte aber Jda wirklich Spaß, sie suchte überall dabei zu sein, nichts Zn versäumen, und etablirte sogar bei sich Abende, wo baute xolitiguo getrieben wurde und sich alle Elemente zusammensanden, die in Phrasen arbeiteten und an Extrapatriotismus litten.

Wiederholt bat Taroezi seine Frau, endlich ab- Zureisen, die Wendung der Dinge in Wien und Pest sei keine gute; Weiber sollten sich überhaupt mit Politik nicht befassen, er müsse nach Hause!

Sie schlug es kurzweg ab jetzt könne sie keinesfalls auf's Dorf, es wäre ein Verbrechen an sich selbst, dorthin zu gehen, wo kein Leben sei eine weltgeschichtliche Epoche sei angebrochen, sie sei Ungarin mit Leib und Seele, und gerade um Ungarn handle es sich und dergleichen mehr; kurz, sie er­klärte sogar, bei einer Freundin in Wien bleiben zu wollen, falls Taroezi ansführe, was er zu thun gedroht habe: allein abreisen zu wollen.

Er blieb aber er hielt sich ferne von den Kreisen, in denen Jda lebte; diese hatten bereits die Aufmerksamkeit der konservativen Elemente unter den Ungarn erregt; man machte ihm Vorwürfe, daß er seine Frau der radikalen Richtung nicht entziehe, nannte ihm Namen zweifelhaften Werthes, deren Träger im Gerüche stünden, Emissäre zu sein, und rieth ihm, abzureisen.

Es gab heftige Szenen zwischen Taroezi und

Jda, deren Sehwinkel sich stets veränderte, sobald ihr Taroezi Vorwürfe machte. Einmal nannte sie ihn einen häßlichen Philister, bar aller Vaterlands­liebe und ohne Verständniß für Ideale.

Er crwiederte ihr, daß sie aus dem besten Wege sei, närrisch zu werden.

Zwei Tage lang sahen sie sich gar nicht. Wieder folgten Gassendemoustrationen kolossaler Art und die ersten Versuche zum Barrikadenbau waren gemacht worden.

Taroezi unternahm einen neuen Sturm aus seine Frau, sie schlug ihn wieder ab. Er begann seinen Koffer zu packen, und sich ermannend, befahl er ihr, das Gleiche zu thun. Sie lachte, ging aus dem Zimmer, schlug die Thüre zu und verließ den Gast­hof im Fiaker.

Taroezi packte vollständig ein. Er zitterte am ganzen Körper; Aerger bis zur Verzweiflung über­kam ihn, Wehmuth, die ihm nahezu Thränen er­preßte- er wußte nicht, was ansangen.

Im halben Traume ging er gegen Abend fort und fand sich erst wieder, als er in einem Theater saß.

Aber auch dort hatte er keine Ruhe; man gab ein Gelegenheitsstück voll sentimentaler Loyalitäts­phrasen, daneben Katzenmusik, die man nicht natür­licher darstellen konnte, und Jdealisirung des Stu­dententhums. Als sogar das Lied von: ledernen Fuchs gesungen und vom Publikum mit frenetischem Jubel ausgenommen wurde, da litt es ihn nicht weiter; er ging geräuschvoll fort und wurde ans- gepsiffen.

Zum Thore hinaus sprang er in einen Wagen und fuhr nach Hanse. Der Portier gab ihm einen Brief. Er besah die Adresse. Ohne Zweifel war er von Eszter's Hand, der Poststempel bewies es.

Er eilte in's Zimmer, erbrach den Brief fieber­haft. Eszter schrieb, ihr Vater sei gestorben, sie bitte ihn, womöglich nach Hause Zn kommen, sie ge­traue sich nicht, allein die Verantwortung Zn tragen, das Gesinde sei schwierig geworden, es scheine, daß böse Zeiten kommen würden. Zum Schluffe sagte sie, daß ihr Vater vom Schlagslnsse gerührt worden und bereits begraben sei; sie bitte recht sehr, daß der Herr gewiß gleich zurückkehre.

Der Brief war fast acht Tage unterwegs ge­wesen.

Ties berührte ihn diese Nachricht. Er hatte einen treuen Freund verloren. Ohnehin in allen Nerven erschüttert, weinte er bitterlich.

Er ging dann in die Zimmer seiner Frau. Sie waren leer. Er wartete bis zehn, bis elf Uhr; sie kam nicht.

Jetzt schrieb er mit Blei ans die leere Seite des Briefes:

Liebe. Jda! Lese und entscheide Dich; ich reise morgen früh sieben Uhr. Wenn Du mitkommst, so lasse Dich zeitig wecken. Ich hoffe zu Gott, Du gehst mit! Miska."

Den Brief steckte er in einen Umschlag, fügte eine Anweisung aus eine bedeutende Summe, die bei seinem Bankier.zu beheben sei, bei und legte ihn aus ihren Nachttisch.

Hieraus läutete er; er wollte Jda erwarten; er