Die tolle Betty von Hans Wachenhusen.
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Roman
von
Hans lvachenhusen.
(Fortsetzung.)
Elftes Kapitel.
in Uhr war vorüber, als Oppenstein im Schlafgemach seiner Gattin, müde und ausgerenkt im Lehnstuhl hingestreckt, die Glieder in den Hausrock gehüllt, dasaß und gähnend anhörte, was sie (Ö) ihm noch zu sagen begehrte.
^ „Heute wirst Du endlich eingesehen
haben, daß wir Bettina nicht mehr lange für uns behalten können," rief die Baronin, in ihre Nachtrobe gehüllt. „Ihrer Zwanzig mindestens wetteiferten um sie; wir werden belagert werden, nachdem sie der Gesellschaft vorgestellt ist, und Einer fischt sie uns doch weg. Hast Du bemerkt, wie die übrigen jungen Mädchen so resignirt jeden Wetteifer mit ihr aufgaben? Sie schlägt Alle; wo sie ist, gilt keine Andere mehr. Walbeck scheint die meisten Aussichten bei ihr zu haben und ich kann also nur auf ihn Zurückkommen."
„Dieser ewige Walbeck!" gähnte Oppenstein, der, schläfrig, kaum Alles gehört, was sie sprach. „Hab' ich selbst in der Nacht keine Ruhe vor ihm?"
„Er ist der Einzige, der Bettina glücklich machen kann!"
„Dergleichen Ueberzeugungen habt ihr Weiber immer. Aus der Pension in die Ehe, das ist so euer gewohnter Kurierzug; hinterdrein aber findet die junge Frau, daß sie einige Stationen übersprungen, die recht angenehm hätten sein können ... Ich will nichts wissen!"
„So wird sie ohne uns wählen, und alle die Resultate Deiner Erziehung, wie Du das nennst, werden verloren sein. Wenn ich auch in Allem Deiner besseren Einsicht folge, in Frauenangelegenheiten habe ich das Wort Zu reden."
„Ja, das habe ich gespürt!"
„Ich möchte daraus schwören, daß Bettina heimlich schon liebt."
„He?..."
Oppenstein empfand einen heftigen Ansall. Das Wort erstarb ihm im Munde.
„Eine Leidenschaft im Herzen eines Mädchens von diesem Temperament ist wie ein Sturm, ein Wirbelwind. Eltern, die ihn von ferne hören, sollen Alles verschließen vor ihm."
Oppenstein erschrak vor dem poetischen Gleichniß; er hatte nie derartiges aus ihrem Munde gehört, und sie sprach mit so viel Emphase.
„Wir kennen Walbeck seit Jahren," fuhr sie fort. „Er ist der biederste, ehrlichste Mann und ein eifriger
Bewunderer Deiner Prinzipien. Er sagte mir heut Abend noch, ein Weib, das solch' einen Erzieher gehabt, sei die sicherste Gewähr für das Glück eines Mannes. Wo findest Du Männer dieser Ueber- zeugung, von so gerader, rechtlicher Gesinnung? Walbeck fragt nicht einmal: Mas hat, was bekommt Bettina?' Und er weiß, daß sie nur adoptirt ist."
In Oppenstein's Ohren summte es wie der anziehende Sturm, vor dem er die Fenster schließen sollte.
„Kaum eingesührt in die Gesellschaft und ich soll sie schon von mir geben!" stöhnte er unter Schmerzen.
„Sie bleibt ja bei uns und wir können bei ihr bleiben."
„Aber ich will nicht!" Oppenstein sprang trotz seiner Schmerzen auf.
„So thn', wozu Du Lust hast, aber mach' mir nachher keine Vorwürfe!" Die Baronin verschwand hinter dem großen, schweren Vorhang ihres Baldachinbettes und zog diesen hinter sich zu.
Er schlich hinaus; sein Diener empfing ihn, um ihn vollständig auszukleiden.
„Kein Schlaf wird in meine Augen kommen wegen der Geschichte!" stöhnte er vor sich. „Wenn die Bettina im Stande gewesen wäre! Aber ich habe ja Alles in der Hand; die Adoption ist formell noch gar nicht geschehen!... Sich verlieben in irgend Einen, den ersten Besten! Ist dieß das Resultat meiner Mühen? .. . Ich werde dennoch schlafen. Ich will mich nicht ärgern. Es soll und darf ohne mich nichts geschehen! Und schließlich ist das wieder eine Stnrmphantasie meiner Leonore!"
-i-
Auf dem Rande des Bettes saß um dieselbe Zeit Lola im Nachtgewande, die Arme aus der Brust gekreuzt und über all' das sinnend, was dieser Abend gebracht.
So sah die Welt aus, die ihr durch des Vaters Schuld verschlossen worden! So hatte sie sich dieselbe vorgestellt und so erschien sie ihr noch jetzt, nachdem der Rausch der Sinne verflogen und das Bewußtsein ihrer Verlassenheit sie wieder mit so schnöder Nüchternheit überkommen. Mit Ausnahme des eigentlich recht kühlen Benehmens der alten Baronin gegen sie hatte sie Glück gehabt diesen Abend; sie hätte Alles nicht schöner wünschen können, aber... Brr! Wie dieses Aber sie so kalt und schaurig durchrieselte!
Ihr Ballstaat lag da neben ihr über Stuhl und Tisch gebreitet; er hatte viel Geld gekostet, zu viel
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