Heft 
(1885) 45
Seite
1074
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Deutsche Roman-Bibliothek.

schöne Mädchen; lacht sie Dich an, so hast Du jeden Willen verloren; sitzt sie am Klavier, so schwelgst Du im siebenten Himmel! Ich, die ich einmal Mutterstelle bei ihr übernommen, muß diese auch aussnllen, und hättest Du mehr Vertrauen in meine Erziehnngsweise gehabt, als in die dieser Frau von Schüller, die, wie man mir sagt, an den Kindern, dis eine gewöhnliche Pension bezahlen, hernmnörgeln soll, daß sie wild werden wie ein störrisches Fullen, während sie die Anderen thnn läßt, was sie wollen, so stände es anders um Bettina. Ich sehe mit Franenaugen Manches, was Dir nicht bemerkbar; Männer verstehen überhaupt nicht, was in einem Mädchen von diesem Alter vorgeht, namentlich in Bettina, die jetzt in dem vollen Drang ihrer Jugend!"

Oppenstein hatte in steigend nervöser Stimmung die Krume der vor ihm liegenden Brödchen zu kleinen Kugeln gedreht .und damit nach dem Sahnetopf ge­zielt; seine Geduld ging zu Ende.

Lar exemxle, was hast Du mit Deinen Frauen­augen gesehen?" ries er, sie giftig anblickend.

Daß Bettina bis über die Ohren in diesen unglückseligen Geiger verliebt ist, den Du uns auf den Hals geladen und zwar schon seit Nizza; daß wir uns von ihr ihm nach bis München und von da hieher ziehen ließen, ohne Zn errathen, was vorging."

Unsinn! Sie hat mir vor Kurzem erst heilig versichert, daß sie nur den Mann nehme, den ich ihr bestimmen werde!"

Ja wohl! Weil sie weiß, daß Du ihr diesen Künstle geben wirst, wenn sie ihn verlangt! Sie macht ja m- Dir, was sie Lust hat, nachdem sie so klug gewesen, Deinen schönen Ideen zuzuhören. Aber daraus wird nichts, dafür bin ich noch da, und so lange ich lebe, wird nichts daraus! Uebrigens ist auch gar nicht daran zu denken, daß er sie begehren wird so wie Dem die Weiber nachlanfen! Er selbst ist erst fünfundzwanzig Jahre alt; er ist der schönste Mann, den man sehen kann; erbeginnt eben erst seine' Laufbahn, watet über Blumensträuße und Lorbeerkränze, die ihm die Frauen werfen, empfängt alle Tage Liebesbriefe ich kenne das und nimmt eben Alles mit, was sich ihm bietet, mit Auswahl natürlich, denn er hat sie ja! Und unser Pflegekind gerade mußte so unbesonnen sein, ihm in den Weg zu gerathen, natürlich wieder durch Dich!"

Ich sage Dir, Du thnst ihr Unrecht!"

Und ich sage Dir, daß ich gestern Abend die unumstößlichste Ueberzeugung gewonnen habe! Er findet sie schön ... ein Wunder das! Er sieht sie unerfahren, mißbraucht eine erste, in dem albernen Herzen aufglühende Liebe und... Lehre mich Nie­mand die Eitelkeit dieser Künstler kennen! Oft ge­nug habe ich sie damals in der gewissenlosesten Ruhmredigkeit sich gegenseitig ihre Eroberungen er­zählen hören, wie sie rücksichtslos sogar die Namen Preisgaben und mit einer Indiskretion, die jedem Weibe das Blut in die Stirn treiben müßte, wenn sie es ahnte. Du freilich hast diese Sorte von Leuten, mit denen ich damals verkehren mußte, nie kennen gelernt; Du hast auch die Frauen immer mit den­selben Angen betrachtet, mit denen Du in Deinem Kloster die Bilder Deiner Himmelsköniginnen und

schönen Sünderinnen anbetetest, die meiner Meinung nach auch nicht in ein Mönchskloster gehören, nament­lich wenn man Knaben darin erziehen will; Du sagtest ja selbst, der Abt sei früher ein großer Lebe­mann gewesen. Wenn Alles wirklich so fromm und heilig wäre, wie es wohl aussieht, dann stände es besser mit der Welt."

Die hausbackene Philosophie der Gattin, die Sicherheit, mit welcher sie über Bettina sprach, ver­fehlten ihre Wirkung ans Oppenstein nicht; aber sie durste nicht Recht haben, denn sie suchte ihm das Heft aus der Hand zu winden. Inzwischen war ihm der Gedanke, daß Bettina trotz all' seiner Erziehung zu dergleichen im Stande gewesen sein könne, ein harter Schlag.

Ein Künstler, ein Virtuose, den er allerdings bewunderte und lieb gewonnen, für dessen Ruhm er sich zu einem der ersten Apostel gemacht, hatte es ge­wagt! ... Auch ihm ging's wie ein Licht im Gehirn aus: Bettina's plötzliche Unruhe, ihr verändertes Wesen... Er selbst hatte bemerkt, wie sie ihm gegen­über sich Mühe gab, die innere Bewegung zu ver­stecken. Er zerbiß sich die schmalen Lippen.

Da haben wir sie nun, seit sie bet uns, vor jeden: Umgang zu hüten gesucht," fuhr Leonore fort, die einmal im Zuge,und jetzt, fürchte ich, hat sie unter unseren eigenen Angen den allerschlechtesten. Ich will dem jungen Mädchen da über uns nicht wehe thnn, aber ganz schweigen kann ich doch auch nicht. Die Leute da oben haben nichts; der Mann ist als Vankerottier davon gegangen und hat seine Familie in größter Noth gelassen; trotzdem erschien die Tochter, die Du auf Bettina's dringende Bitten eingeladen, gestern Abend in einem Staat, der gar nicht zu ihren Verhältnissen paßt. Woher hatte sie das schöne neue Seidenkleid!"

Oppenstein runzelte die Stirn, schloß die Augen und kreuzte die Arme.

Es war bis heute nicht auszuklären, wohin das Päckchen Banknoten gekommen, das Du mir gabst, um es dem Verwalter am Rhein zu schicken. Ich legte es auf Deinen eisernen Geldschrank unter einen Briefbeschwerer und sagte dem Diener davon, der allein das Zimmer betreten darf. Daß er es also nicht zu nehmen gewagt, ist leicht einzusehen. Ich vergaß immer, das Geld abzuschicken, und als ich es endlich gestern suchte, war es verschwunden. Der Diener fühlte sich schwer beleidigt; er schwört, es seien nur zwei fremde Füße in das Zimmer gekommen; Bettina habe eines Abends, als wir nicht zu Hause, das junge Mädchen von oben in der Wohnung nm- hergeführt, er habe gesehen, wie sich Beide in diesem Zimmer aufgehalten. Sage Du selbst: was soll man nun denken? Es gefiel mir schon an sich nicht, daß dieses Mädchen in unserer Soiree erschien, während die Ihrigen so in Noth! Armuth mit hochfliegenden Plänen thnt niemals gut."

Ich sage Dir, auch das ist Unsinn! Das Mädchen gefiel mir sehr wohl! Die Leute oben haben ja bisher auch in sehr guten Verhältnissen gelebt."

Nun, in dieser Sache will ich meinetwegen nichts gesagt haben; aber mit Bettina bleibt es dabei; sie muß verheirathet werden und schnell!"