Heft 
(1885) 45
Seite
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Die tollr Sctty von Hans Wachenhusen.

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seine Gattin das Eisen, denn sie traute seinem Zürnen nicht.

Du Zerstörst Dein ganzes Lebensglück durch diese eigensinnige Verirrung!" ermahnte sie das Mäd­chen.Glaube doch nicht, daß dieser Geiger Dich liebt, wenn Du es auch an äußeren Vorzügen mit Allen aufnehmen kannst, die ihm aus seinen Wegen begegnen. Wir werden niemals zugeben, daß Du ihn heirathest, wenn er Dich selbst liebte. Bedenke also die Folgen! Dein Pflegevater hat sich Nie­manden gegenüber verpflichtet, Dich als Erbin seines Privatvermögens oder auch nur eines Theils einzn- setzen; er war stets Willens, dieß erst zu thun, wenn es so weit sei, daß er Dich von sich geben müsse an einen Gatten nach seiner Wahl, und Du kennst seine Ideen. Baue also nicht auf seine schein­bare Schwäche, er ist durch seine sreiherrlichen Vor­urteile in sich stärker als Du glaubst, und im Not­fall bin auch ich unerbittlich. Nimmst Du hingegen den Baron von Walbeck, dem ich mein Wort ge­geben, weil ich weiß, daß er Dich glücklich machen wird, so wirst Du großjährig erklärt und erhältst alleinige, freie Verfügung über ein großes Vermögen und eine Jahresrente, von der ihr glänzend leben könnt; ja, ich verspreche Dir: Du wirst die Erbin unserer Millionen, die Dir eine fürstliche Existenz bereiten werden; kein Heller soll ans seine Seiten­verwandten fallen! ... Wähle also! Hältst Du fest an diesem fremden, heimatlosen Menschen, so geh'! Nichts verpflichtet uns, wenn Du ungehorsam. Dir mehr zu geben als Deinen Lebensunterhalt! Es ist das letzte Wort, das ich in der Sache spreche."

Sie ging mit festen Schritten. Draußen zauderte sie wohl, denn Bettina's leidender Zustand hatte ihr wehe gethan; aber sie mußte; sie hatte auch einen geheimen Abscheu gegen alle Künstler, seit es ihr gestattet gewesen, selbst jene Bahn zu verlassen.

Bettina, bleich und abgehärmt, eine freiwillig Gefangene, schaute ihr nicht nach; sie saß mit den Händen im Schooß, das Kinn gesenkt, die Augen von Schmerz umrahmt. Sie blieb allein an diesem Tage.

Aber Leonorens Wort war doch noch nicht das letzte gewesen. Sie kam am nächsten Morgen wieder, um immer dringlicher und überzeugender zu reden, ihr Zu sagen, daß Oppenstein sie nicht mehr sehen, sie aus dem Hause entfernen wolle. Sie kannte des Mädchens Grauen vor der Armuth.

Luft! Ich ersticke!" schrie Bettina auf, als die Baronin gegangen. Sie warf die Hausrobe von sich, kleidete sich in fiebernder Hast wie zur Prome­nade an, stürmte zum Hause hinaus und warf sich unten in einen Fiaker.

Planlos irrte sie mit diesem umher, ihm über­lassend, wohin er sie führe. Als sie nach einer Stunde heimkehrte, verlangte sie die Baronin zu sprechen.

Ich bin bereit, zu thun, was ihr begehrt!" ries sie, zitternd unter der Wucht ihres Entschlusses, vor dieser in deren Zimmer tretend.Ihr habt mich vor die Wahl gestellt, entweder wieder arm zu sein wie damals, als ihr mich auf der Treppe der Schlossersfrau auslaset, oder einen Mann zu heiratheu, den ich nicht lieben kann, nie lieben will und werde. Euer Guadenbrod hat mich das Bettelbrod verab­

scheuen gelehrt, ihr wißt es, ihr handelt darnach. Euer sei also auch die Verantwortung für die Zu­kunft! Sagt Herrn von Walbeck, ich sei bereit; aber thut es schnell, denn ich stehe nicht für mich!"

Sie ging; nicht achtend darauf, daß die Baronin die Arme nach ihr ausstreckte, schloß sie die Thür hinter sich und trat mit finsterer Resignation in ihr Zimmer.

Sein Weib muß ich also werden, und was kann es denn kosten, wenn ich es nicht mit dem Herzen zu sein brauche? . . . Baronin von Walbeck, ich gratulire!"

Vor dem Spiegel stehend machte sie sich eine tiefe, höhnische Verneigung und laut auflachend warf sie sich aus das Sopha, den Kops über die Lehne werfend und zur Decke starrend.Armer Walbeck! Er soll mich glücklich machen und er ahnt nicht, daß er an der Aufgabe zu Grunde gehen wird! Hätt' ich nur ein einziges Wesen auf der Welt, zu dem ich mich aussprechen könnte! Aber ich will fort aus diesem Hanse, fort um jeden Preis; nur Hinaus­stoßen sollen sie mich nicht! Um jeden Preis!" lächelte sie.Ich kenne ja den Preis; sie nannte ihn mir. Damals als ich Kind war, gaben sie weniger; reiche Leute erzwingen Alles durch Geld. Wer hindert mich, es ihnen uachzuthun, wenn auch ich erst reich bin! Machen sie sich ein Gewissen daraus, mich in die Arme eines Mannes zu treiben, den ich nicht will? Und weiß ich denn, aus welchem Grunde er mich will? Werden sie ihm nicht gesagt haben, wie viel ich Werth bin? Es ist ein Handel; laß sehen, wer der Betrogene ist! Aber was geschehen soll, mag schnell geschehen!" Sie sprang aus und trat an das Fenster.Walbeck mag kommen! Der Diener kehrt eben in's Haus zurück; er wird ihn: schon die frohe Botschaft gebracht haben. Ich will mich ankleiden, um bereit Zu sein, und mit dem Gedanken an ihn will ich dann vor den Altar treten und rufen: .Camill, sie kommt, die Königin von Arabien!'"

Vierzehntes Kapitel.

Sie hat Recht! Sie hat hundertmal Recht! Ich bin ein Narr mit allen meinen schönen Plänen hinsichtlich der geistigen Veredlung des weiblichen Ge­schlechts! Sie sind Eine wie die Andere und wollen nicht anders sein! Wiederum kläglich gescheitert, und dieses Weib, diese Frau von Schüller, der ich das Mädchen so vertrauensvoll übergab! Sie will kommen, ihren Liebling sehen, schreibt sie!" Oppen- stein zerknitterte ein Papier in der Hand und warf es in den Korb.Nicht vor Augen soll sie mir kommen! Meine Frau, die Gaus, hat Recht, ja hundertmal Recht! Es ist mir bestätigt, daß dieses Kind dem undankbaren Musikanten ein Rendez­vous gegeben; sie hat sich darnach bereit erklärt, Walbeck zu nehmen. Meinetwegen dem: heute noch! Ich will sie nicht sehen, denn ich könnte wieder andern Sinnes werden; aber ihn will ich empfangen und ihm sagen, was er nach der Hochzeit an Mit­gift zu erwarten hat. Vermögen besitzt er ja nicht! Nur schnell, damit ich die Sache aus dem Kops habe!"

Seine Gattin hatte ihn vor einer Viertelstunde