Heft 
(1885) 45
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Deutsche Noman-Oibliothek.

erst verlassen, nachdem er, durch sie in fieberhafte Stimmung versetzt, sie ersucht, ihm feine Ruhe Zu gönnen, sie möge thun, was sie wolle, dafür aber solle sie allein auch Alles verantworten.

Da stand er also wiederum an einem resultat­losen Abschluß feines Bemühens. Unsinn hatte so­eben noch feine Gattin in ihrer hausbackenen Weife dasselbe genannt; ein Gesangbuch und ein Kochbuch fei Alles, was eine Frau gebrauche, um Gott und der Welt gefällig Zu fein. Die Gute schwärmte nämlich feit Kurzem für die Religion, in der sie einen Sockel suchte. Sie hatte sich auch in Allem, was das Mädchen anging, einen Ton angewöhnt, als gehöre dasselbe ihr, und leider berief sie sich darin stets auf in der Natur und dem Wesen des Weibes liegende Eigenthümlichkeiten, in denen er als Mann kein Urtheil hatte; immer aber war ihr drittes Wort:Diese Frau von Schüller, die mir das Kind verdorben hat!"

Ihr Sieg war heute Morgen vollständig ge­wesen und ihm war's, da sie gegangen, als habe sie ihm etwas aus dem Herzen gerissen, für das es keinen Ersatz mehr gab, wenn nicht unerwartete Umstände ihm zu Hülse kamen.. Vorläufig wollte er, wie gesagt, das Mädchen nicht sehen; der Ge­danke, daß sie heute noch Walbeck's Braut werde, empörte ihn, obgleich er diesen stets geachtet.

Als es Mittag war, saß die Baronin in feier­lichem Schwarz in hoher Spannung aus dem Sopha ihres Zimmers. Bettina, ebenfalls in schwarzer Seidenrobe, stand am Fenster, das Kinn auf die Rückseite der Hand gestützt. Sie hatte soeben eine lange und letzte Ermahnnngsrede mit Verhaltungs­maßregeln angehört und lauschte heimlich Zitternd. Die Baronin überlegte eben, wie sie Walbeck em­pfangen werde.

Wenn er nur schon da wäre!" flüsterte Bettina lautlos.Die Qual ist unerträglich!"

Die Jungfer kam endlich und meldete den Erwar­teten. Jobst von Walbeck trat in der vollen Uni­form des Jngenieurkorps ein. Die Baronin blickte zufrieden lächelnd aus den hübschen, kräftig gebauten Mann mit den sanften blauen Augen und dem glänzenden blonden Vollbart. Walbeck küßte respekt­voll ihre Hand und erhielt dafür einen ermuthigen- den Blick.

Bettina!" hörte diese, scheinbar erschreckend, sich angerusen. Sie wandte sich wie überrascht und maß den Lieutenant zerstreut mit kalter Miene. Die Baronin fühlte sich verlegen. Beide sich gegenüber zu sehen; sie fand nicht gleich die Worte, denn die Situation war anders, als sie sich vorgestellt. Sie erhob sich gravitätisch.Bettina, Du weißt, weßhalb Herr von Walbeck kommt . . . Sie ver­zeihen ..." Damit warf sie ihm einen aufsordern­den Blick Zu, ihr doch Zu Helsen.

Eine mich so hoch beglückende Botschaft Ihrer gnädigen Frau Mama ..." Auch Walbeck, einem sonst so klaren, ruhigen Kopf, waren die rechten Worte nicht gleich bei der Hand, den kalten Augen Bettina's gegenüber, die seiner Verlegenheit zu spotten schienen; indeß erfaßte er ihre Hand, die kalt und regungslos, und führte sie an seine Lippen, ohne

daß sie es wehrte, und das gab ihm Zuversicht. Er sprach Zu ihr ruhig, herzlich, preßte die in der seinen liegende Hand, bat sie, ihn anzuhören, und suchte sie Zum Sopha zu führen.

Bettina, die ihn noch nicht angeschaut, holte tief Athen:, ihr bleiches Antlitz indeß nahm einige Farbe an; auch sie schien die Fassung errungen zu haben, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Sie schaute ihn an und ihr war's, als sie seinem gutmüthigen Auge begegnete, als müsse sie ihm verzeihen, weil er ja nicht wußte . . .

Sie waren Beide hohe, schöne Gestalten; Thränen schwammen wieder in den Augen der Mutter, wäh­rend sie hinschante und Bettina, ihren Wünschen gehorsam, sich neben sie setzte. Ein schöneres Paar konnte es nicht geben. Sie hörte zu, was Walbeck mit so rührendem Organ zu seiner Braut sprach, und glaubte, wieder zu Hülfe kommen zu müssen, als Bettina nichts erwiederte.

Sie müssen sie nicht so bestürmen, lieber Jobst!" Sie wagte, ihn znm ersten Male so vertraulich an- znreden.Es ist einmal ihr Wesen so. Uebrigens erwartet Sie mein Mann drüben; wir dürfen ihn nicht vergessen."

Walbeck fühlte sich etwas verlegen durch die Er­mahnung, nicht zu stürmisch Zu sein; die Situation hatte ihn zum Gegentheil gezwungen. Er hatte mehr Entgegenkommen erwartet, aber er schien zu­frieden und trat hinaus. Auch Bettina stand schon inmitten des Zimmers.

Er ist ein schöner, liebenswürdiger Mann! Du machst mich heute glücklich, mein Kind!" Sie um­armte das Mädchen mit Inbrunst und Thränen. Drüben wird jetzt Alles-klar gemacht. Ihr werdet eine schöne, sorgenlose Existenz führen; Dein Pflege­vater hat auch nur unter der Bedingung eingewilligt, daß ihr in unserer Nähe bleibt; er kann Dich nicht missen."

Bettina machte sich los, diese Gemüthswallung schien ihr lästig.

Sag' ihm, ich sei . . . zu erregt . . . oder was Du willst! Ich muß allein sein! Laß mich gehen, ich bitte!" ries sie heftig.

Geh', mein Kind!" Sie hielt Bettina's Hand noch einmal fest, um die Braut anzuschauen.Geh', ich will Dich bei Walbeck entschuldigen und inzwischen das Nöthige für die Proklamation der Verlobung thun. Gegen Abend fahren wir auf die Promenade; ich werde Walbeck einladen." Gerührt schaute sie dem Mädchen nach.

Bettina hörte das Letztere kaum noch; sie war hinaus, ehe die Baronin geendet. In ihrem Zimmer warf sie sich mit dem Antlitz ans das Bett, sie schluchzte laut und ries mit Verzweiflung Camill's Namen.

Zn der Zeit hatte Oppenstein eben Walbeck's Hand in der feurigen.

Walbeck," sagte er mit Emphase,Sie nehmen mir mein Liebstes, den Genius meines Hauses, dessen Anblick, dessen Pflege mich mit meinem so frühzeitig gebrochenen Körper wieder aufrichten konnte. Ich gebe sie Ihnen nur unter der Bedingung, daß ich sie täglich sehen darf, und bereite Sie daraus vor: ich werde Ihr unversöhnlichster Feind sein, wenn