Lösliche Bande von B. Aba.
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er werden, keine Befehle wollte er geben — nur gehorchen wollte er und er gehorchte bis zum Schluffe des Dramas, das sich in Vilagos ausspielte.
Közlegeny war er bis zum Ende. Nach der Uebergabe, die von dem oben benannten Orte ihren Namen hat, wurde er mit vielen Anderen, um deren Namen Niemand gefragt, nach Pest eskortirt; es war September 1849 geworden.
Vom Hanse hat er wenig, von seiner Frau gar nichts gehört. Der letzte Brief Eszter's lautete ziemlich beruhigend; das Szeklerland habe verhältniß- mäßig weniger gelitten als die Komitate; mit Ausnahme eines Gutes, das von Szeklern verbrannt worden, sei Alles, was Taroczi's Aviticum bildete, nahezu verschont geblieben; die Kossuthnoten sei Eszter noch bei Zeiten losgeworden, da sie damit die Staats- sorderungen berichtigt habe; die Stimmung habe stark umgeschlagen, man sehne die kaiserlichen Truppen herbei und ziehe sie selbst den russischen vor, auch habe sich Kleinmuth der Szekler bemächtigt; in den Komitaten sehe es aber übel aus, von dorther kämen gar böse Nachrichten, die sie weder glauben noch wiederholen wolle. Auch Marossalvy's Gut sei halb zerstört, der alte Herr aber iu Klausenburg vor etlichen Wochen gestorben.
Wie gesagt, wurde Taroczi im September nach Pest transportirt und war bestimmt, als Gemeiner in die kaiserliche Armee eingerciht zu werden. Aber die Unordnung, die damals herrschte, hatte für ihn eine gute Folge. Er ging aus dem Neugebäude heraus; kein Mensch fragte, kein Mensch hinderte ihn, und es ist wohl natürlich, daß er nicht mehr in das Gefängniß zurückkehrte. Bei einem Freunde fand er Unterstand und Geld und bald galt er für einen Pecsovics, wie sein Freund einer war; er wollte sich nur erholen und kleiden und dann wieder abreisen nach Hause, aber sein Freund rieth ihm, sich vorher noch ein Zeugniß zu verschaffen, daß er an der Revolution keinen Antheil genommen habe.
Ein Feldzug ist keine kleine Sache, kein Kinderspiel! Wochen, Monate ohne Rast und ohne Ruh', ohne Dach, ohne Bett, ohne gewohnte Nahrung — in steter Aufregung und Todesgefahr — als einzigen Nervenreiz den Branntwein und einzigen Genuß den Tabak! — wen das nicht abstnmpst, der ist ein höheres Wesen.
Müde und stumpf war unser Miska. Es war nicht etwa Willensenergie oder der Wunsch, sein Schicksal zum Guten zu wenden, der ihn getrieben hätte, aus dem Gefängnisse Zu entfliehen, oder ihn hinderte, dahin Zurückzukehren; letzteres that er deßhalb nicht, weil er sich hätte entschließen müssen, dahin zu gehen, und selbst dazu reichten seine Kräfte nicht aus. Und so stand er, auf sein Absolutorium wartend, tagelang am Ufer der Donau und sah zu, wie Schiffe kamen und gingen. Es war Oktober geworden, er lehnte an einem Haftstocke und rauchte.
Wenn man sinnende Kinder fragt, woran sie denken, so erhält man die Antwort: „An nichts."
An nichts dachte Taroczi, als eben ein Dampfschiff landete; es kam aus Komorn. Langsam entlud es seine Passagiere. Abenteuerliche Gestalten stiegen aus, fast nur Kapitulanten. Gleichgültig sah
Taroczi sie an sich vorüberziehen — da plötzlich fühlte er einen elektrischen Herzschlag — ja, kein Zweifel — es war Jda.
Sie stieg aus dem Schiffe in Begleitung eines blonden Mannes, der Civilkleider trug und ihr den Arm bot, sobald sie die Landungsbrücke überschritten hatten. Bald erkannte er in dem vollbärtigen Herrn den ehemaligen Gardisten, der in Wien schon zur Koterie seiner Frau gehört hatte.
Jda sah blaß aus, auch ihre Toilette war herab- gekommeu. Er folgte ihnen, sie stiegen beim Jägerhorn ab, und als er Tags darauf dort die Fremdenliste nachlas, fand er eingetragen: „Herr von Ber- miansky sammt Gattin".
Es hieß, daß die meisten der Komorner Kapitulanten nach der Türkei gehen sollten.
Taroczi postirte sich nun wieder an das Donauufer und schon am nächsten Tage früh sah er die beiden Genannten Arm in Arm dem Landungsplätze zngehen. Sie bestiegen das Schiff und verschwanden in dessen unteren Räumen. Beim zweiten Läuten aber erschienen sie wieder, nahmen von einander kurzen Abschied, wobei Bermiansky Jda küßte und Letztere eilig das Schiff verließ. Taroczi ging ihr nach; sie bestieg an der Straßenecke einen Wagen, aus welchen Koffer gepackt waren, und fuhr fort.
Mit Hülse einflußreicher Gönner erhielt Taroczi das gewünschte Zeugniß und reiste heim.
Was Eszter ihm geschrieben, das fand er in hohem Maße bestätigt. Eine ganz ungeahnte Befriedigung überkam ihn, als er in sein Haus eingezogen war.
Kaiserliche Organe hatten die Funktionen übernommen, man fühlte sich wieder sicher, und wie sehr auch die Nachwehen des Krieges — Krankheit und Noth — die Gegenwart verdüsterten, sie schien ihm Paradies gegen die Vergangenheit; wie wenig Sympathie man auch den Leuten entgegenbrachte, welche sich jetzt, nachdem die Gefahr vorbei war, vordrängten und Obrigkeit spielten; man ließ sich's gefallen, wußte man doch, daß die stürmischen Tage vorbei seien, die Menschen und Güter zermalmten — ohne irgend welchen greifbaren Geivinn!
Herr von Taroczi wurde allgemein freundlichst ausgenommen und sogar von dem Bauernvolke herz- lichst begrüßt. Wenn er gleich offiziell die Bestätigung im Sacke trug, daß er an der Revolution keinen Antheil genommen, so wußte es doch das ganze Volk, daß er gedient, daß er als Gemeiner alle Strapazen mitgemacht, daß er tapfer und mannhaft sich gehalten und daß er das Wenige, was er mehr hatte als die Anderen, mit ihnen getheilt. Besonders hoch rechneten die Szekler ihm an, daß er keine Charge genommen, und wie sehr sie früher ihn als Pecsovics, ja als Verräther stigmatisirt hatten, jetzt suchten sie ihn aus in allen Nöthen ihres täglichen Lebens, die ja nicht klein waren während des Belagerungszustandes.
Uebrigens hatte Taroczi vor der Revolution weder Civil- noch Militärdienste geleistet, blieb daher auch von den Kriegsgerichten unangefochten.
Zu thun gab's genug, die Tage verflossen in Arbeit und die Abende brachte er wieder ausnahmslos bei Eszter zu.