Issue 
(1885) 46
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Deutsche Nornan-Sibtiothek.

Die beiden Leute standen sich nun sehr nahe und Eszter übte auf Taroczi, ohne es zu wissen, einen wohlthätigen Einfluß aus. Den Hang zur Träumerei konnte sie ihm zwar nicht nehmen, aber von allen Aufregungen hielt sie ihn möglichst ferne, gab praktische Rathschläge, die, ausführbar, zumeist befriedigendes Resultat lieferten; gestattete, daß er zu ihr in die Kost ginge, und erreichte hiedurch eine wohlthätige Mäßigkeit im Genüsse geistiger Getränke.

Sie hatte ihm gerathen, die Angelegenheit mit seiner Frau dem Doktor Varga ganz zu übergeben, nachdem in Erfahrung gebracht worden war, daß Jda sich seit Kurzem auf den Gütern ihres ver­storbenen Vaters befände.

Doktor Varga brachte die Sache bald zu Ende; die Ehe wurde, nachdem die Eheleute, wie der Richter­spruch lautete, eigentlich nie verheirathet gewesen sein sollten, für ungültig erklärt. Das Verhältniß Jda's zu Bermiansky kam gar nicht zur Sprache; beide Parteien glitten über den mysteriösen Punkt hinweg.

Als Jda ihre Dokumente hatte, verpachtete sie, wie gesagt, die Güter an Herrn von Kereszti und reiste, wie die Sage ging, in die Türkei ab. Einer der Schiffskapitäne, derselbe, mit dem sie von Komorn gekommen war, wollte sie auf der Fahrt unterhalb des eisernen Thores erkannt haben.

Auch Taroczi erhielt die Papiere, steckte sie zu sich und ging Abends zu Eszter.

Beiderseitig gab es genug zu erzählen. Eszter wußte viele launige Stückchen aus Bem's Heere, ans Baron Heydte's Kreuz- und Querzügen zu er­zählen. Taroczi wieder fand nach und nach Episoden seines Feldzuges heraus, die Eszter interessirten, und sie wie er fanden in der Besprechung überstandener Gefahren eine sehr behagliche Stimmung. Dießmal war Taroczi besonders gut gelaunt, nannte Eszter öfters als sonst sein liebes Kind oder süßes Kind und zog endlich ein Päckchen Schriften aus der Tasche, suchte eines der Dokumente hervor, das er ihr in den Schooß legte.

Sie drehte dasselbe in der Hand um, besah das Siegel es war lateinisch und fragte endlich:

Soll ich das lesen?"

Ja, lesen," antwortete Taroczi,und mir sagen, was Du denkst."

Sie zog das Papier aus dem Umschläge, las, steckte es dann hinein und gab es Taroczi wieder.

Sie lehnte sich in ihrem Stuhle zurück, kreuzte die Arme, aber redete nichts.

Nun, Eszter," begann Taroczi,hast Du gar nichts zu sagen?"

Was soll ich sagen?" fragte sie.Vielleicht ist es gut für Sie, daß es so kam, ich glaube es fast selbst," fuhr sie fort, als sie bemerkte, daß Taroczi's Augenbrauen sich zusammenzogen;jeden­falls sind Sie einer Sorge los und haben eine Verantwortlichkeit abgeschüttelt, die Ihnen Kummer machen mußte. Ich wünsche Ihnen Glück dazu, daß Sie sich wieder gesunden haben und" sie zögerte ein wenig, ihre Hand erhob sich gegen den Mund und nun frei sind," sagte sie leise.

Es reute sie, daß sie diesen Nachsatz beigefügt; es schien ihr, als ob etwas Absichtliches darin gelegen wäre.

Ich bin nicht frei," antwortete Taroczi schnell.

Verstehen Sie mich recht," unterbrach ihn Eszter, ich meine, frei von drückenden Banden."

Nicht aber von lieben," antwortete Taroczi. Aber ich spiele mit Dir nicht blinde Kuh, merke Wohl, es ist das zweite Mal, daß ich Dich frage, ob Du meine Frau werden willst? Dießmal aber antworte mir erst morgen oder noch später und über­lege gut, wenn Du etwas zu bedenken hast."

Was ich Zu bedenken habe, das haben auch Sie zu bedenken, denken wir also zusammen," sagte Eszter. Vorerst die Frage: müssen wir denn heirathen? Ich war einmal verheirathet, Sie waren es zwei­mal. Waren wir glücklich? Nun geht's uns Beiden gut; ich gestehe Ihnen, daß Sie mir ein gar lieber Freund sind; warum soll es nicht so bleiben?"

Es soll so bleiben, mein Kind," antwortete er, ihre Hand ergreifend, die er während des folgenden Gespräches festhielt,aber unlösbar soll dieses Band der Freundschaft werden und ein ewiger Bund zwischen Mann und Frau."

Unlösbar?" fragte sie.

Wie mißtrauisch Du bist! Bin ich allein Ursache oder bin ich überhaupt Ursache, daß meine Wege schief gingen? Mehr als viele andere Menschen muß ich den ersten Eingebungen Folge leisten, dann treffe ich wohl meist das Richtige; schlägt das fehl und bin ich genöthigt, zu wählen, zu vergleichen, zu prüfen, dann fühle ich mich unsicher und dann geht es schlecht. Bin ich Ursache, daß meine erste Ein­gebung erfolglos war? Sage es, Eszter! Klopfe an Deine Brust und sage, ob mich allein die Schuld trifft? Ich weiß, was Dir ans der Zunge liegt ich hätte aushalten sollen, willst Du sagen; das erste Band schon hätte ich nicht abschütteln dürfen, Du hast das schon einmal bemerkt und ich vergesse nichts; aber Du vergißt, daß auch diese erste Ehe ein Fehltritt gewesen ist, den das gekränkte Mannes­gefühl gethan hat. Du warst, sei nicht böse, daß ich es Dir sage, so kalt, so schroff ich rächte mich an Dir, ich verdarb mich. Verstehst Du das? Habe ich nicht genug gelitten? Willst Du mich neuerdings mit mir zerfallen lassen, nachdem ich, wie Du sagst, mich erst wieder gesunden?"

Armer Freund!" antwortete Eszter tief gerührt, ihm die zweite Hand hingebend,wenn es so ist, und es ist so, dann in Gottes Namen sei Ihr Wille gethan, es ist des Herrn Wille!"

Also bist Du meine Braut?" sagte Taroczi hellleuchtenden Auges.

Ich bin es!" antwortete Eszter.

Taroczi stand aus, hob Eszter zu sich empor und sie küßten sich das erste Mal in ihrem Leben selbst als Kind hatte sich Eszter von ihren Ge­spielen nie küssen lassen.

Nach sechs Wochen war Hochzeit.

Sechzehntes Kapitel.

Gerechtigkeit.

Nachdem Jda das Uebereinkommen mit Kereszti geschlossen hatte, reiste sie nach Konstantinopel, wo sich ibr Mann befand. Ihr Mann! Bisher waren