Lösliche Lande von B. Aba.
1089
sie nicht kirchlich getraut. Als sie Wien verlassen, da hatte sie wirklich keine andere Absicht gehabt, als nach Hause zu reisen und dort die Entwicklung der Sache abzuwarten. Zwar war ihr der Gedanke wiederholt ausgestoßen, daß es besser wäre, gleich Zn Taroczi zurückzukehren, ihn zu versöhnen und so den Fehler — denn als Fehler erkannte sie ihre Halsstarrigkeit — wieder gut zu machen. Sie gab aber diesem Gedanken keinen Raum; sein Fehler sei doch der größere und Taroczi müsse kommen, er müsse Zuerst kommen.
In Pest angelangt, ließ sie in allen Gasthäusern fragen, ob Taroczi da sei, und erhielt die Auskunft, daß er nur vierundzwanzig Stunden dort verweilt habe. Sie wußte nun nicht gleich, was zu thun. Sollte sie Bekannte aufsuchen, ihnen die Wahrheit oder Lügen erzählen? Beides wollte sie nicht. Sollte sie allein abreisen? Sie hatte keine Furcht, aber die Beförderungsmittel fehlten ganz und gar, selbst Wagen und Pferde konnte sie nicht kaufen, da sie nicht genug Geld mit sich hatte. Sie erinnerte sich an die Anweisung, die ihr Taroczi hinterlasscn hatte, suchte sie überall, und erst nach langer Zeit kam ihr in den Sinn, daß sie dieselbe sammt dem Briefe Eszter's weggeworfen haben mochte. Sie schrieb an das Hotel, man möchte nachsuchen, ob sie nicht gefunden wurde, und wenn nicht, bat sie, den Bankier zu fragen, ob die betreffende Summe erhoben worden sei? Die Antwort lautete, daß keines von beiden der Fall sei und daß sich das Stubenmädchen erinnere, Papiere verbrannt zu haben. Sie schrieb nochmals an den Bankier selbst, bat ihn, ihr das Geld zu schicke:: oder es doch Niemanden auszuzahlen, bis neue Ordres ihres Mannes kämen. Letzteres sagte der Bankier zu, bedauerte jedoch, ihren Wunsch nicht erfüllen zu können, da jede Legitimation fehle.
Damit waren mehrere Tage vergangen und die Sorge um das, was weiter geschehen solle, hatte alle hochpolitischen Gedanken abgeschnitten. Herr von Bermiansky besuchte sie täglich, aber auch er verfügte nicht über ausreichende Summen, um ihr bestächen zu können, und hatte überdieß den Befehl erhalten, zu seinem Bataillon an die siebenbürgische Grenze abzugehen.
Nach langem Hin- und Herdebattiren entschloß sich Jda, mit ihm bis dorthin zu gehen. Sein Beförderungsmittel war Vorspann, das ist ein Bauern- leitcrwagen, nicht immer mit guten Pferden und mit Wechsel bei jeder Station. Jda kannte diese Art des Reifens und wußte, daß ihr Entschluß ein großer sei. Noth bricht Eisen.
Der Herr Hauptmann stellte ihr vor, daß es das Beste sei, sie gälte als seine Frau, und auch hiezu gab Jda nothgedrungen ihre Zustimmung.
Das war eine mühevolle, schwere Reise. Erst nach fünf Tagen, nachdem sie viele Zeit mit Warten auf Pferde, mit Umwegen und schlechter Straße zu kämpfen hatten, gelangten sie nach Lugos.
Das Bataillon war zum Abmarsche bereit, die Siebcubürger Grenze galt als unpassirbar, weil ganz von Walachen besetzt.
Auch Herr von Bermiansky war kleinlaut geworden.
Deutsche Roman-Bibliothek. XII. 23.
Was sollte Jda thun? Das Bataillon zog zurück in's Innere Ungarns, es war zu einem Korps bestimmt, welches bei Tittl lag. Jda bot große Belohnung Dem, der sie nach Hause bringen wollte. Niemand fand sich.
Sie fuhr mit der Bagage dem Bataillon nach. Wer sie jetzt gesehen, der hätte nicht geahnt, daß in diesem Wesen je Energie, je Mnthwille gelebt hatte. Sie war total gebrochen.
Man kann es ein Glück für sie nennen, daß bald darauf Herr von Bermiansky nach Komorn berufen wurde, wohin sie ihm willenlos folgte.
Man weiß, wann sie von dort hat abreisen können und abgereist ist.
Herr voll Bermiansky war in jungen Jahren sehr hübsch, sehr schlank und groß wie ein Gardist, aber im klebrigen eine unbedeutende Persönlichkeit. Die rothe Husarenkleidung zog ihm viele Blicke zu und in der Vorstadt besaß er warme Herzen in Menge; aber zur Liebe kam es nicht, es blieb beim Tändeln. Als die Revolution ausbrach, verdrehte sich auch sein Kopf. Warum auch nicht? Er hatte gar nichts gelernt, nicht zu Hanse, nicht im Institute, seine Beschäftigung war die eines Mannequin, und die politische Phrase wurde aus dem Grunde gar so laut geschrieen, weil dadurch die Nothwendigkeit der Begründung entfiel.
Ehrenhaftigkeit konnte man ihm nicht absprechen, insofern sie nnt Leichtsinn und Sorglosigkeit verträglich ist. Gebrochene Herzen beirrten ihn allerdings nicht, aber er durfte sich gestehen, daß sie ihm unaufgefordert entgegenflogen, und die Jugend hat nun einmal ihre Rechte, oder wie das Sprüch- wort sagt — keine Tugend.
Jda schien ihm zur Zeit, da er sie kennen lernte, als höchst gefährlich; er verliebte sich, wie er glaubte, ganz außerordentlich in sie. Jda jedoch, die wohl seinen übertriebenen, stets mit Schlagworten herum- werfenden Aeußerungen beistimmte, konnte sich doch nur sagen, daß in Allem, was nicht Politik beträfe, Herr von Bermiansky nichts weiter sei als ein Geck.
Und an diesen Mann war sie jetzt gebunden. Sie galt überall als seine Frau, wußte, daß sie dafür gelte, und that nichts dagegen, konnte nichts dagegen thun.
Sie war es aber weder thatsächlich, noch vor dem Gesetze.
Es trat nun, nachdem Herr von Bermiansky das Exil hatte wählen müssen, die Frage an sie heran, was sie thun solle.
So lange Doktor Varga keine Ehescheidungsklage eingebracht hatte, war sie in sich entschieden, daß sie das Schicksal wolle walten lassen.
Herr von Bermiansky lag offenbar in ihren Banden; der Verlauf der Revolution, die Hülslosig- keit, die für ihn im Gefolge kam, die Ueberlegenheit des Geistes, die er unbewußt Jda zugestehen mußte, vorzüglich jedoch die materiellen Mittel, die er bei ihr voraussetzte und fand — all' das hatte ihn oft und oft zu Bethenerungen hingerissen, daß nur sie im Stande sei, ihn zu beglücken.
Jda aber wendete stets ein, daß sie eine verheiratete Frau sei, ließ sich in Betrachtungen nicht
137