Vie tolle Kelly von Hans Wachenhuscn.
1091
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Roman
von
Hans lvachenhusen.
(Fortsetzung.)
Die toiie
Fünfzehntes Kapitel.
it aristokratischem Taktgefühl ertrug Baron Oppenstein seine durch so lange Gemüthsaufregung gesteigerten Schmerzen; ebenso schweigend schaute er der frohen Geschäftigkeit seiner Gattin zu. „Leonore, diese Heirath erscheint mir ein Unsinn, je mehr ich überlege!" rief er endlich, als er auch sie einmal verstimmt sah. „Wenn ich seit der Verlobung das Mädchen anblicke, ist's mir immer, als laure ein heimlicher Kobold in ihren Augen. Sie erscheint mir wie ein eingefangenes Edelthier, das stets umschaut, wie es entspringen könne. Ihr Benehmen gegen Walbeck kommt mir unnatürlich vor; er aber ist ganz versunken in ihre Schönheit und merkt davon nichts. Wie weit bist Du mit den verwünschten Papieren?"
Die Baronin antwortete nicht sogleich.
„Sie werden von mir verlangt. Woher soll ich sie nehmen! Hast Du daran gedacht?" fragte er ungeduldig.
„Es ist Alles im Gange!" Die Baronin hatte nur halb darauf gehört. „Ich habe alle Räder geschmiert."
„So? Das ist wieder eines Deiner banalen Gleichnisse! Ich wollt', ich könnte meine Glieder besser schmieren . .. Die Adoption genügt der kirchlichen Behörde nicht; die Schlofsersfrau ist nach Amerika, keine Spur von ihr; wir sind damals sehr dumm gewesen, wir hätten die Herkunft wissen müssen. Den Behörden genügt es nicht, daß ein Menschenkind greifbar und unbestritten da ist; ihre Neugier verlangt die Beweise der Geburt, der Zugehörigkeit. Nicht wahr, sagtest Du nicht, Du habest in Erfahrung gebracht, daß das Mädchen in einem Flecken geboren, dessen Kirche sammt Archiv abgebrannt, daß die Eltern verschollen? Wird denn das genügen?"
„Wenn wir es versichern!"
„Ja, aber ich kann doch nichts versichern, da ich nichts weiß!"
„Besorge nur beim Gericht die förmliche Adoption und die Vermögensangelegenheit! Wäre das früher fchon in Ordnung gebracht, so hätten wir keine Schwierigkeiten."
„Ja, ich muß jetzt positive Angaben machen. Das Kind gehörte ja nicht der Frau Mente .. . Hieß sie nicht fo, die Schlofsersfrau? Ich gab ihr nur eine schriftliche Verpflichtung, daß ich für dasselbe sorgen wolle."
„Kümmere Du Dich mit Deinen Schmerzen nur um nichts; ich werde Alles erledigen."
Oppenstein hatte in den behördlichen Anständen noch ein Loch zu finden geglaubt, durch das er zu entschlüpfen hoffte. Diese Verbindung konnte dadurch vereitelt, hinausgezogen werden, sich ganz zerschlagen, wenn die Papiere nicht beizubringen waren.
„Die Hochzeit soll dadurch nicht verzögert werden, darüber beruhige Dich!" versicherte Leonore.
„So? Nun denn, in Gottes Namen! Schick' mir nur das Mädchen. Sie soll mir die Zeitung vorlesen."
So mußte es jetzt täglich geschehen, und Bettina zeigte dabei den größten Eifer, ihm zu gefallen. Sie legte sogar in ihre Kleidung eine gewisse Koketterie, denn sie kannte die Gewalt, welche Frauenschönheit auf ihn übte. Sie fühlte auch heraus, daß er eine gewisse, freilich väterliche, Eifersucht gegen Walbeck empfand, von dem er stets in gereiztem Ton sprach. Er wagte nicht, direkt gegen die Vermählung zu sprechen, Bettina aber wußte, daß er anfangs dagegen gewesen, und sie begehrte jetzt dieselbe. Selbst als er einmal, ihre Stirne streichelnd, sagte: „Mein Kind, ich habe Deiner Pflegemutter mein Wort gegeben, trotzdem ließe sich vielleicht noch mit ihr verhandeln ..." antwortete sie mit stummem Kopfschütteln.
Sie befand sich in einer fortwährenden geheimen Exaltation; sie wollte hinaus; selbst die Bande der Ehe erschienen ihr leicht gegen ihre Stellung im Hause. Walbeck war ihr gleichgültig, sie haßte die Pflegemutter, die an Allem schuld.
„O, nur so schnell wie möglich!" bat sie auch die Baronin. „Ich bin ja einmal entschlossen; martere mich nicht!"
„Den Künstler hat sie schon vergessen; es war nur eine Kinderei von ihr!" tröstete er sich, wenn er die Lesende heimlich anschaute. „Meine Erziehung trägt dennoch ihre Früchte, und doppelt beklage ich, daß man mir das Kind so schnell von der Seite reißt. Walbeck hätte gern ein, auch wohl Zwei Jahre gewartet."
Der Letztere kam jeden Abend und blieb zum Thee. Auf Bettina's Bitten mußten stets noch einige andere Gäste zugegen sein. Sie konnte ihn nicht hassen, diesen Mann mit seinen ehrlichen Augen, seinem geraden, soldatischen Wesen, wenn sie es auch gewollt hätte; Walbeck brillirte nicht durch Geist, er hatte eine liebenswürdige Bescheidenheit, die Jeden ansprach; Bettina duldete ihn daher; seine Berührung brachte ihr Bürt nicht in schnelleren Lauf, sie konnte