Heft 
(1885) 46
Seite
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Deutsche Roman-Sibliothrk.

ohne Empfindung mit ihm zusammen sein, und er nahm fürlieb damit. Sie sollte ihn noch lieben lernen.

Widerstrebend unterwarf sich Oppenstcin den Formalitäten, welche die Behörde von ihm verlangte. In seiner Resignation fragte er auch nicht, wie und auf welchen Wegen seine Gattin die Einwilligung zur Trauung bei der Kirche so bald durchgesetzt. Adoption, Mündigkeitserklärung und Trauung kamen ihm mit einem Male auf den Hals, während er noch immer hoffte, daß die letztere langen Anstand haben werde, wenn er selbst sich nicht in's Mittel lege, und so entschloß er sich denn ächzend, Alles geschehen zu lassen.

Der Tag der Trauung ward angesetzt. Am Abend vor demselben ließ er Bettina in sein Arbeits­zimmer rufen.

Mein Kind," sagte er mit scheinbar kalter Ge­messenheit, als sie bleich, aber doch in ihn über­raschender Fassung vor ihn trat,die Stunde unserer Trennung mahnt mich, zu thun, was allerdings gegen meine bessere Ueberzeugung, aber nach dem Voran­gegangenen meine Pflicht ist. Deine Pflegemutter hat ihren Willen durchgesetzt, möge er zu Deinem Glück führen; ich meinerseits habe nichts Dem hin­zuzufügen, was in Dich zu pflanzen mein rastloses Bemühen gewesen. Nimm hier, was ich Dir zu übergeben habe, Deine Selbstständigkeit und Dein Vermögen, das bei der Bank niedergelegt ist. Dein ausdrücklicher Wunsch ist erfüllt; unabhängig von Deinem Gatten hast Du über dasselbe zu verfügen; aus derselben Quelle auch wird euch die Jahres- revenüe zufließen. Sei gut und sei klug, das sind die ersten Bedingungen unseres irdischen Glücks."

Bettina nahm das Gebotene und wollte seine Hand küssen. Die Baronin trat darüber ein. Bettina zuckte zurück und verließ ohne lauten Dank das Zimmer.

Die Baronin trug einen Brief in der Hand.

Da er an uns Beide gerichtet ist, habe ich ihn geöffnet!" Sie überreichte ihm das Papier nicht ohne Verlegenheit.

Sie kommen also nicht!" sagte sie halblaut.

Es steht in ihrem Belieben!" Oppenstein warf den Brief verächtlich in den Papierkorb. Er wünschte den Abend ungestört zu sein, und sie ging verstimmt.

Am nächsten Mittag stand Bettina am Altar, eine imponirende Schönheit. Die Junisonne blitzte durch die hohen Kirchenfenster auf das unter dem Schleier goldknisternde Haar, ihre Gestalt, das weiße Seidengewand mit einem Feenlicht umstrahlend. Ihr Antlitz war ruhig und feierlich, ihre Haltung bewußt, wie sie neben der ebenso stolzen, kriegerischen Gestalt des Bräutigams stand Beide bewundert von der hinter ihnen gruppirten Gesellschaft, den Freunden des Hauses und den Kameraden Walbeck's. Selbst die Ersteren, denen über das vergebliche Suchen nach der obskuren Herkunft der Braut Manches Zu Ohren gekommen, beugten sich vor der majestätischen Haltung des Plebejerkindes.

Oppenstein seinerseits war noch am späten Abend auf dem Punkte gewesen, im letzten Moment sein Veto einzulegen. Walbeck's Bruder und seine Mutter,

Beide in einer Provinzialgarnisonstadt, hatten in jenem Briefe zur Entschuldigung ihres Nichterscheinens Gründe angeführt, die in seiner ohnehin gereizten Stimmung des Barons Stolz schwer verletzten. Aber seine Gattin rang die Hände; er sei verrückt, rief sie, als er sie noch kurz vor Mitternacht in ihrem Schlafzimmer störte. Absichtlich einen solchen Skandal herbeisühren durch Ausladung der Gäste! Ihr Naturell verleitete sie zu derben Ausdrücken, und vernichtet durch dieselben, strich er die Segel.

Bettina ihrerseits hatte sich am Vormittage mit der Ruhe einer Statue ankleiden lassen. Ihre Augen waren glanzlos, ihre Haltung war fest und ent­schlossen. Nur als die Pflegemutter in voller Toilette erschienen, um sie zu bewundern, hatte sie ein flüch­tiges Lächeln, etwa wie der Sonnenblick aus einer Eisscholle.

Laß uns gehen! Die Stunde ist da. Aber macht es kurz!" war ihre Bitte gewesen.

In der Kirche sprach sie ihr Ja mit vernehm­barer Stimme. Als auch Oppenstein zu ihr trat, sie zu umarmen, küßte er eine von kaltem Schweiß gefeuchtete Stirn. Er wandte sich ab vor einem einzigen, ihn furchtbar anklagenden Blick. Niemand gewahrte diese Szene. Die Baronin schwamm in Thränen; Walbeck war ernst und feierlich, der Mo­ment überwältigte ihn, während er sich mit seinen Freunden die Hand schüttelte.

Bettina verließ das Hochzeitsmahl frühzeitig. Die Pflegemutter folgte, kehrte aber wieder zurück. Bettina wollte selbst ihre Reisetoilette machen. Als die Baronin gegen Abend vor der Abreise sie mit überströmendem Gefühl an's Herz preßte, rief sie:

Nicht wahr, Du wirst nach wie vor mein theures, geliebtes Kind bleiben!"

Ein bitterer, vorwurssschwerer Blick aus Bet- tina's Augen durchdrang kaum den Schleier, den die Thränen über die Augen der Baronin gezogen. Schweigend wandte sich Bettina zu Oppenstein, der ebenfalls seine Gäste verlassen und zu ihnen ein­getreten war.

Mit sichtbarer Wallung ergriff sie seine Hand und preßte sie mit gesenktem Blick.

Bettina, theures Kind, daß ich Dich von mir geben mußte!" rief er mit zitternder Stimme.Rechne es mir nicht an, und wirst Du nicht glücklich, Du weißt, wo Du Deinen Schutz und Deinen Berather findest!"

Bettina führte das Taschentuch vor das Antlitz.

Genug!" rief sie mit erstickender Stimme.

Herr von Walbeck erwartet die junge gnädige Frau!" meldete die eintretende Jungfer.

Sechzehntes Kapitel.

Jobst hatte den Vorschlag gemacht, Paris und die Schweiz als Ziel der Hochzeitsreise zu nehmen, und Bettina hatte nichts dagegen eingewendet. Schon das Wort hatte sie heimlich geschreckt.

Im einfachsten Reisekostüm, das keinerlei Absicht verrieth, dem Gatten zu gefallen, saß sie ihm im Coups gegenüber, schweigsam und abgespannt. Wal­beck wagte keine Zärtlichkeit, er war aber herzlich;