Heft 
(1885) 46
Seite
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Die tolle Setty von Hans Wachenhusen.

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in sie vernarrt ist, würde rufen: ,Herr, in's Drei­teufelsnamen, wie kann man mit einem solchen Weibe unglücklich fein! Und nach der Hochzeitsreise! Sie werden sich zum Spott Ihrer Leute machen!'"

Walbeck wußte kaum selber, daß er trank, daß sein Gehirn sich mehr und mehr erhitzte, während er schließlich allein im Speisesaal zurückblieb.

Unfern Namen hätt' ich vor einer solchen Ver­bindung wahren sollen, schrieb mein kluger Bruder. Und wenn dieser Name nun durch der Mutter eigene Sorglosigkeit kompromittirt worden wäre, die uns erzog mit fremdem Eigenthum, das ihr gerichtlich noch gar nicht endgültig zugesprochen?... Jedes reiche Mädchen hätte ich nehmen sollen, nur diese nicht, schrieb auch sie, und Niemand sagt mir, wo und wie der Makel an ihr hafte! Meines Bruders Gattin sei allerdings arm, aber von fürstlichem Ge­blüt, und sie werde nie diese Verwandtschaft an­erkennen; lieber solle die unvermeidliche Katastrophe über die Familie Hereinbrechen, als aus solchen Händen die Rettung zu nehmen!... Mochten sie thun, was sie für gut fanden, ich hätte dennoch retten können durch Oppenstein, wäre ich nicht so schwach gewesen, um sie zu versöhnen, diesen Brief... Aber mag jetzt mit mir geschehen, was da wolle, die wenigen Tage meines Urlaubs werden nichts mehr ändern, und wenn nach der Heimkehr die Welt nothwendig sich ihre Gedanken machen wird über die Erkaltung zweier Neuvermählten, so mag denn das Verhalten meiner Familie gegen Bettina als äußerer Vorwand dienen... Aber auf wie lange?"...

Er suchte sein Zimmer. Das Bettina's war wie immer verschlossen. Aufgeregt, wie er war, ging er mit einem Fluch aus den Lippen zu Bette.

Die Sonne stand schon hoch, als er erwachte. Er erhob sich mit wüstem Kopf und schaute über die Ufer der Donau. Durch den von unten herauf­schallenden Straßenlärm glaubte er Helle Frauen­stimmen im Salon nebenan zu unterscheiden. Er schaute nach der Uhr... Schon Elf! Es war zwei Uhr ge­wesen, als er das Lager gesucht. Er horchte an der Thür; es war eine fremde Stimme, die eine drüben.

Während er sich ankleidete, schallte dieselbe Stimme aus dem Korridor an seiner Thür vorüber. An­gekleidet trat er wenige Minuten später auf denselben. Lola begegnete ihm; sie kam aus Bettina's Zimmer.

Wo ist meine Frau?" fragte er, sie freundlich begrüßend.

Sie fuhr soeben mit einer Pensionssreundin aus, die hier verheirathet ist. Die Dame kam eiligst auf eine Karte, die Bettina ihr gesandt. Ich habe die Bestellung übernommen, daß sie ihrer Freundin versprochen, den Tag mit ihr zu verbringen."

So, so!... Würde es Ihnen also, mein Fräulein, eine Zerstreuung sein, den Tag mit mir zu verbringen?" fragte er ironisch.

Ich fühle mich allerdings sehr verlassen hier!" Lola schien niedergeschlagen.Ich würde heute schon meine Reise fortsetzen, hätte ich Bettina nicht ver­sprechen müssen..."

Beliebt es, mit mir zu frühstücken?" Jobst schaute mit steigendem Interesse in das hübsche Ge­sicht des Mädchens.

Ich fürchte, daß Bettina..."

Es übel deute oder gar eifersüchtig sein könnte?" lachte er bitter.Sie sind ja eingeweiht genug, um zu wissen, daß ich ihr die überflüssigste Person!"

Lola konnte ein Errötheu nicht unterdrücken. Sie wußte ja mehr, als er ahnte. Trotz all' des Dankes, den sie für Bettina hatte, fühlte sie sich doch ver­letzt, daß diese angesichts ihrer Freundin, einer vor­nehmen Dame, sich benommen, als sei sie ihr ent­behrlich geworden.Du kannst Dich ja inzwischen mit Walbeck unterhalten, wie Du es unterwegs so gern thatest!" hatte ihr Bettina beim Fortgehen etwas pikirt gesagt. Sie folgte also schweigend, ohne Zu­sage, Walbeck's Einladung.

Wie heißt diese Dame, diese Freundin?" fragte er, im Speisesaal ihr gegenüber sitzend.

Frau von Ertel, las ich auf der Karte. Sie scheint die Frau eines reichen Börsenmannes, auch sehr lebenslustig zu sein, und lud sie zu einer Soiroe ein, die sie heute Abend veranstalte."

Ohne mich!" dachte Jobst.Ich existire für sie nicht mehr!"

Lola errieth seine Gedanken. Auch sie war zerstreut. Was beginnen, wenn sie wieder daheim! Sie hatte ihrer Mutter einen Brief zurückgelassen voll von Begeisterung für den Kunstberus, den sie erwählt, und Egon hatte ihr dafür einen andern gesandt, der voll Spott, Verwünschungen und Drohungen. Heimwärts mußte sie jetzt; sie hatte ge­wähnt, wie so viele Andere, mit einem hübschen Ge­sicht und einer schönen Gestalt spiele sich die Komödie von selbst, sie hatte auch diese Kunst jetzt von der aller­traurigsten Seite kennen gelernt; aber was Anderes nun ergreifen? Die Flügel, mit denen sie so ver­trauensselig hinausgeflattert, waren gestutzt und lahm; oft in ihrem Elend hatte sie reuig an die Mutter und die Geschwister gedacht, aber nach Egon's Brief durfte sie diesen kaum mehr vor die Augen treten.

Im Grunde war sie Walbeck dankbar, daß er sich ihrer annahm; aber auch der arme Mann that ihr leid, wie sie ihn -da mit seinen großen blauen Augen vor sich sitzen sah, und wie er unter künst­licher Laune seinen Schmerz zu verbergen suchte. Sie wußte ja auch nach anderer Richtung mehr, als er ahnte. Sie war an diesem Morgen zugegen ge­wesen, als Frau von Ertel, diese lebenslustige Dame, zu Bettina gesagt:Du mußt heute Abend bei uns sein, auch ohne Deinen Mann, der, wie Du sagst, sich unwohl fühlt. Der meinige hat für einen Ge­nuß gesorgt, für den Du mir dankbar sein wirst. Unser göttlicher Camillo wir nennen ihn Alle gar nicht anders hat, da er an meinen Mann empfohlen war, seine Einladung angenommen und wird uns einige seiner Bravournummern vortragen. Meine Freundinnen würden mich ewig hassen, lüde ich sie hiezu nicht ein, und Du darfst auch nicht fehlen!"... Lola hatte gesehen, wie Bettina dabei mit ausglühendem Gesicht sich abgewendet, dann wieder leichenblaß geworden, als ihre Freundin schloß: Aber nimm Dich in Acht, er ist den Frauen furchtbar gefährlich; sie folgen ihm wie die Kinder dem Ratten­fänger von Hameln, und es sollte mir leid thun, wenn ich damit auch Dein Herz in Flammen versetzte!"