Issue 
(1885) 46
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Die tolle Setty von Hans Wachenhusen.

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daß er es liebte, daß er Derjenige war, dem von ihrer eigenen Pflegemutter gesagt und wiederholt wurde, er sei der Mann, der sie glücklich machen könne und solle!"...

Lola fand sich in der peinlichsten Lage. Sie hätte ihm all' das erklären können, aber ihr Herz pochte schon in der höchsten Angst. Sie hatte ihm nichts verrathen, wenigstens nichts gestanden; was er klagte, war seine eigene Erkenntniß; sie hatte noch nicht die Möglichkeit gesunden, ihn auch nur Zu beruhigen; ihm galt Alles als fraglose Wahrheit.

Inzwischen, wie sie ihn da in seinem Schmerze sah, kämpfte sie selbst mit einem in ihr aufsteigenden Interesse für diesen Mann. Sie hatte bisher an Bettina geglaubt, in derselben eine großartig angelegte Natur gesehen, in der nur mächtige Instinkte leben konnten, und zu deren Aenßerungen hatte sie mit Staunen aufgeblickt. Und wie es in der Natur des Weibes liegt: dieser Mann, der jeder Andern schön, gut und liebenswürdig erscheinen mußte, drängte ihre Freundschaft für Bettina in den Hintergrund, die ohnehin aus so eigentümlichen Füßen stand. Aus Dankbarkeit für diese hatte sie gegen ihn Partei ge­nommen, aber schon auf der Reise hieher hatte sie Bettina nicht begriffen und seine Langmuth bemitleidet. Und Bettina hatte auch sie heute Morgen schon fühlen lassen, sie werde ihr hier überflüssig sein. Nur um nicht mit dem lästigen Gatten allein reisen zu müssen, dafür war sie ihr willkommen gewesen.

Aber sie verrathen... nimmermehr!

Herr von Walbeck," sprach sie eingeschüchtert, ich wiederhole Ihnen, Sie haben mich mißverstanden! Bettina und ich, wir kennen uns nur sehr oberflächlich, ich habe ihr Vertrauen nicht. Unsere Wege führen uns auch hier wieder von einander. Sie ist eine reiche Frau, ich bin ein armes Mädchen, das warum es verheimlichen aus Noth ein unglück­liches Engagement fern von der Heimat annehmen mußte; ich danke Bettina die Mittel, wieder zurück­kehren zu können. Unverzeihlich wäre es von mir..."

Ich verstehe Sie!" Jobst hatte in seiner Stim­mung nur nothdürftig den Sinn ihrer Worte er­saßt; er erschien ruhiger, aber mit einem Entschluß beschäftigt.Ich überlegte eben," setzte er zerstreut hinzu,ob es gerathen, den Eklat selbst hervor- znrufen und diesem Musikanten im offenen Kamps eine Kugel in seine lorbeergrüne Stirn zu jagen und darnach meinen Abschied zu begehren, oder ob ich es auf diesen ankommen lassen, die lächerliche Rolle des Seladon aufgeben und sie empfinden lassen soll, daß sie sich unter die eiserne Hand eines Soldaten begeben, der seine Ehre zu wahren versteht."

Lola schaute ihn erschreckend an. Dieses so gut- müthige Gesicht erschien ihr plötzlich so drohend und entschlossen.

Ich glaube, vier, bald fünf Wochen des un­ermüdlichsten und undankbarsten Minnedienstes hätten wohl Anerkennung, wenigstens einigen Lohn ver­dient; ich sehe aber, daß ich mich ihr dadurch nur als verliebter Schwächling gezeigt, der sich ahnungs­los bis hieher konnte führen lassen. Und hier mag's denn genug sein! Aber sehen und hören will ich erst, damit mich selber kein Vorwurf treffe. Gestatten

Sie mir die Frage," er nahm, wie erleichtert durch einen Entschluß, einen andern Ton anwann gedenken Sie zu reisend"

Heut Abend!" Lola's Stimme klang gepreßt.

Der Gedanke an ihre Heimkunft war ihr ein so schwerer.

Verweilen Sie einige Tage noch, um meinet­willen, wenn ich berechtigt bin, Sie zu bitten!"

Und da sie stumm blieb:Wie war der Name dieser jungen Frau, ihrer Freundin?"

Lola zögerte. Aber ihr fehlte jeder Grund zum Schweigen.

Frau von Ertel, fo meine ich auf der Karte gelesen zu haben. Die Frau eines Bankiers."

Und Sie beabsichtigte auch, am Abend jener Einladung zu folgend"

Ich weiß es nicht!" Lola ward's immer banger um's Herz, je stiller er erschien. Sein Auge blickte so seltsam; seine Ruhe war erkünstelt. Der Name Ertel schien eigenthümliche Wirkung auf ihn zu üben.

Würde Ihnen eine kleine Promenade mit mir Vergnügen machend" fragte er, sie überraschend.

Wir sind vermuthlich Beide hier unbekannt. Die Luft wird mir wohl thun. Ich würde Sie einladen, mit mir am Abend das Theater zu besuchen, aber ich denke mich Herrn von Ertel selbst vorzustellen, an den ich zufällig Empfehlungen habe."

Lola erschrak so heftig, daß sie sich erhob. Wal­beck sah darin nur die Bereitwilligkeit, ihn auf die Promenade zu begleiten. Er führte sie hinaus und sie folgte ihm mit angstvoll pochendem Herzen. Schlimmere Wendung hätte die Sache nicht nehmen können. Sie wollte fort, heut Abend noch, ehe sich Beide in jener Gesellschaft trafen, denn sie stand als Verrätherin vor Bettina.

Jobst war merkwürdig gefaßt auf der Straße; er scherzte sogar; Lola's Gedanken kehrten aber immer auf denselben Punkt zurück, bis sie einen Vorwand gefunden, die Promenade abzubrechen und auf ihr Zimmer Zu eilen.

Walbeck zog es wieder über die Donau in die Stadt zurück. Der Zufall führte ihn zum Casö Daun, dem Offizierkaffeehaus. Schon in der Thür des­selben fühlte er sich von zwei Armen umschlungen einer seiner früheren Kameraden, der in die öster­reichische Armee übergetreten, preßte ihn freudig an sich und schleppte ihn mit sich in die Hinteren Räume, um zu plaudern.

Aber Du siehst nicht gut aus!" rief Lieutenant Oettinghaus nach hundert Fragen.Du hast aus Gesundheitsrücksichten Urlaub genommen d"

Walbeck hatte ihm verschwiegen, daß er auf der Hochzeitsreise; Kamerad Oettinghaus vermuthete also, / er sei allein.

Du hast Bekannte hier?" fragte er.

Nein!"

Aber Zerstreuung thäte Dir gut! Willst Du, so führe ich Dich heute in einen unserer heitersten Kreise ein. Die Frau des Hauses ist ein interessantes, lebhaftes junges Weib, der Mann Zwar schon bei Jahren, aber er versteht zu leben; und die Haupt­sache ist: Frau von Ertel bereitet ihren Gästen heute einen Kunstgenuß! Balsado, der vergötterte Camill,