Heft 
(1885) 47
Seite
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Viele des Lebens von W. Serger.

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Aber Zwischen mir und Jenem, der mich aussetzen läßt an ferner Küste, kann nimmermehr Gemeinschaft sein. Seinen Namen will ich behalten; es ist ein guter alter Name, den vor ihm viele Ehrenmänner getragen haben weiter will ich, weiter nehme ich nichts von ihm nicht eine Rinde Brod, Kapitän, wenn ich dem Verhungern nahe bin. Wer würde von dem Feinde, der ihn niedergestoßen, der rhn all' seiner Habe beraubt hat, schließlich noch ein elendes Almosen annehmen wollen? Ich wahrlich nicht. Lieber würde ich untergehen mit knirschenden Zähnen und einem Fluch auf den Lippen!"

Und Arthur, treu diesem Worte, benützte in Charleston weder den ihm von seinem Vater an­gewiesenen Kredit, noch machte er Gebrauch von dessen Empfehlungsbriefen. Er lieh von dem Kapitän eine kleine Summe Geldes und warf sich, obgleich der Landessprache kaum mächtig, keck in das fremd­artige Treiben.

Nicht lange hatte er nöthig, nach Beschäftigung zu suchen. Die Baumwollernte fing an zur Küste zu kommen. Im Hafen warteten ladefertige Schiffe, andere, in Ballast segelnd, waren unterwegs vom Norden, wo sie ihre Ladung von Europamüden ab­gegeben hatten. Der intelligente junge Deutsche, der sich einer vortrefflichen kaufmännischen Schulung rühmen durfte, war den großen Verschiffern von hohem Werth. Er mochte ihnen helfen, die an­dringenden Geschäfte zu erledigen; hernach, wenn die Hochflut vorüber war, konnte er seiner Wege gehen.

Aber Arthur war nicht einer jener vertrauens­seligen Jünglinge, die im fremden Lande eine Stelle um jeden Preis nehmen und sich dann geborgen wähnen. Als er bemerkte, daß man um ihn warb, erwog er mißtrauisch bei sich, wozu man ihn ge­brauchen wolle und was er den Werbenden Werth sein möge und stellte nach reiflicher Ueberlegnng seine Forderung. Sie wurde bewilligt, wenn auch nach einigem Widerstreben, und Arthur sah sich für ein Jahr als Commis engagirt, mit einem Gehalte, weit höher, als es der höchstbesoldete Gehülfe seines Vaters bezog.

Der Schwärmer für Völkersreiheit war in ein Land gekommen, worin man fein Evangelium nur mit einem bedeutungsvollen Vorbehalte gelten ließ. Der Weiße genoß die Erlaubniß, so ziemlich thun zu dürfen, was ihm beliebte, wenn er nämlich ver­mögend war; für den Schwarzen dagegen hatte von den Grundrechten der Menschheit auch das aller­geringste keine Geltung. Aus diesem Unterschiede, seit Generationen mit fanatischer Härte festgehalten, war eine krankhafte Entartung beider Raffen ent­sprungen. Die Kaste der Pflanzer hatte sich zu einer Aristokratie entwickelt, die lediglich der Pflege ihrer eigenen, sybaritischen Existenz lebte und keinerlei Pflicht gegen Andere anerkannte; die unbegüterten Weißen sahen Jenen nach den Augen, insgesammt bereit, die Dekrete dersüdlichen Barone" mit Messer und Revolver auszuführen. Tief gesunken, dem höchstentwickelten der Thiere nur noch wenig über­legen, Zeigte sich die Raffe der Schwarzen. Der Fluch, welcher von jeher auf der Anmaßung wie

auf der Duldung naturwidriger Herrschaft geruhi hat, trat in fast allen Lebensäußerungen deutlich zu Tage, welche Arthur, scharf um sich blickend, im Salon wie auf der Straße beobachtete.

Aber der kurirte Idealist sah und schwieg; keinen der vielen Bekannten, die er bald in Char­leston besaß, ließ er merken, daß er an dem Stück­chen Welt, worin er mit ihnen hauste, irgend etwas auszusetzen hatte. Lästige Frager, welche versuchten, ihn zur Offenbarung seines politischen Glaubens­bekenntnisses zu verleiten, wies er mit überlegener Gewandtheit ab. Er fei Kaufmann, erklärte Arthur solchen freiwilligen Spionen, nichts weiter als Kauf­mann, und demzufolge mit allen staatlichen Ein­richtungen einverstanden, die ihm erlaubten, Geld zu verdienen. Außerdem aber wolle er genießen, fuhr er fort, und er sei von Jugend an belehrt worden, daß nichts so sehr die Genußfähigkeit be­einträchtige als die thörichte Manie, sich um Dinge zu kümmern, die mit dem persönlichen Wohlergehen nichts zu thun haben.

Natürlich gab man sich mit einem so plausibel klingenden Bescheide zufrieden und ließ den harm­losen Fremden fortan unangefochten.

Nach Jahresfrist pilgerte Arthur weiter. Fast alle besuchte er sie nacheinander, jene heißen Hafen­städte der Sklavenstaaten, wo die Produkte eines übel bewirthschafteten Landes nach Europa verschifft wurden. Je länger er umherschweifte, desto weniger gefielen ihm die Erfahrungen, welche er, auch als Kaufmann, machte. Aller Handel, ohnehin kläglich beschränkt, wie in allen Ländern, worin ausschließ­lich Ackerbau getrieben wird, bewegte sich in aus­gefahrenen Geleisen. Für einen Fremden, zumal einen mittellosen Fremden, gab es nichts zu erringen als im günstigsten Falle eine gut dotirte lebens­längliche Commisstelle. Und eine solche in einem Klima, das jährlich aus dem angeschwemmten Boden mit unangenehmer Regelmäßigkeit böse Seuchen er­zeugt, schien Arthur ein schlechtes Ziel für seinen brennenden Ehrgeiz.

So wandte er sich denn, nachdem er sämmtliche kaufmännischen Künste, welche man im Delta des Mississippi trieb, gründlich kennen gelernt hatte, nach dem Norden, nunmehr die Sprache beherrschend wie ein Eingeborener und im Aussehen und Lebens­gewohnheiten dem Volke ähnlich geworden, untei welchem er sich so lange bewegt hatte. Warme Empfehlungen seiner zahlreichen Freunde verschafften ihm bald in einem großen New-Aorker Handlungs- Hause eine Stellung, die ihm erlaubte, seine Kennt­nisse und Fähigkeiten geltend zu machen. Dennoch würde er wahrscheinlich nur langsam Carriere ge­macht haben, wenn ihm nicht ein glücklicher Zufall zu Hülfe gekommen wäre. Eine Firma in New- Orleans nämlich, welche mit Arthur's Hause seit langer Zeit Geschäfte getrieben hatte, war mit ihren Zahlungen an dasselbe arg in Rückstand gerathen. Ans eine energische Mahnung erfolgte die kaltblütige Antwort, die Firma sei damit beschäftigt, Vorschläge zu einem Arrangement mit ihren Gläubigern aus­zuarbeiten. Nun galt es rasches Handeln, um, wenn möglich, den drohenden Verlust zu verhüten. Von