Heft 
(1885) 47
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Deutsche Koman-Bibliothek.

vor ihrem Verschwinden eine Summe von Tausenden in Banknoten, die ich in ihrer Schublade gesunden ich verschwieg es Dir, um Dir nicht den Schmerz zu bereiten und sie hatte noch übrig, um das theure weiße Seidenkleid zu bezahlen, in dem sie zu Oppensteins in die Gesellschaft ging! Ich konnte sie leider nicht beobachten, wie ich wollte, da ich bis zum späten Abend in der Fabrik war, und deßhalb konnte sie sich auch heimlich davon machen. Soll man jetzt mit Fingern auf mich deuten und auch noch sagen: ,Das ist der Bruder der..? Bei Gott, es ist zu viel! Noch habe ich den Math, mich durch- zukämpsen, aber diese Landstreichern: darf mir nicht mehr vor Augen kommen!"

. Erdrückt von der furchtbaren Möglichkeit, die ans des Sohnes Worten sprach, zitternd vor seiner Heftig­keit, senkte die Mutter die Stirn in die Hände. Egon, stolz auf seine That, ließ sie allein und schritt in sein Zimmer.

Draußen stand Lola noch minutenlang, erwartend, daß die Mutter sie zurückrufen werde. Ihr Herz pochte so heftig, und doch vernahm sie des Bruders harte und laute Stimme hinter sich.

Als Niemand kam, brach sie in Thränen aus. Ihre Kniee wollten brechen, denn sie hatte die Wahr­heit gesprochen, hatte unterwegs acht Tage lang am Fieber in Dresden gelegen. Noch einmal lauschte sie, sich zurückwendend. Sie hörte Egon's Stimme nicht mehr, aber auch die Mutter kam nicht; auch sie vergab ihr nicht.

Mit von Thränen verschleierten Augen tappte sie über den dunklen Gang zur Treppe... Wohin sie wollte, sie wußte es nicht. Und die Nacht sank schon herab...

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Walbeck's Absicht, seine Zerklüftung mit Bettina der Oeffentlichkeit zu entziehen, war durch Oppen- stein's blinde Parteinahme für die Letztere vereitelt. Er war abgewiesen, auch von der Begräbnißfeierlichkeit ausgeschlossen worden; die luxuriöse Wohnung, die zum Empfange des jungen Ehepaars bereit, blieb leer und verschlossen. Er hatte seine Junggesellen­wohnung wieder bezogen. Darnach führte sein Weg ihn zu seinem Vorgesetzten.

Ist das Alles, was Sie mir gesagt?" fragte dieser, als Jobst ihm gestanden, Bettina habe sich, wie er zu spät einsehe, durch die Verstorbene zu dieser Ehe überreden lassen, sei aber nicht stark ge­nug, eine erste Liebe in sich zu bekämpfen; ihre Leidenschaftlichkeit habe sie zu Austritten verleitet, nach welchen eine Versöhnung, ein Beieinauderleben un­möglich, die Scheidung unvermeidlich.

Walbeck's Kameraden, unter denen die Angelegen­heit mit Schonung erörtert wurde, erklärten sich für ihn. Es war das eine unglückliche Verbindung, die seine Ehrenhaftigkeit nicht schädigen, seiner Karriere kein Hemmniß sein sollte. Sie suchten Walbeck, dem unter diesen traurigen Umständen noch ein Nachurlaub erwirkt worden, auf, um ihn ihrer ferneren Sympathie zu versichern. Jobst nahm das Alles in apathischer Haltung hin.

Am vierten Tage erschien sein Bruder bei ihm.

ein hoher, stark gebauter Kavallerieoffizier mit ge­bräuntem Antlitz und blondem Vollbart.

Ich selbst bringe Dir die Nachricht von dem, was uns geschehen," begann er, sich athemlos auf einen Stuhl werfend.Die Entscheidung letzter Instanz in unserem Prozeß ist gestern eingetroffen, leider dennoch zu unserem Nachtheil! Wir haben unseren Gegnern das Gut auszuliefern, eine Schaden­summe von dreißigtausend Thalern und die Prozeß­kosten zu zahlen."

Jobst hatte ihn zerstreut und ruhig angehört.

Nun?" fragte er bitter vor sich hinlächelud.

Wir sind verloren... unsere ganze Familie! Die Mutter ringt verzweifelt die Hände, meine Frau ist halb wahnsinnig vor Schmerz und Demüthigung. Du allein kannst helfen."

Jobst schaute fast entrüstet.

Ich hätte es gekonnt... ich kann's nicht mehr, und nur ihr seid schuld daran!"

Wir?"

Du weißt nicht, was geschehen?"

Der Bruder blickte erst jetzt überrascht in dem simplen Gareonzimmer umher.

Ich wußte, daß Du zurück... Dein Urlaub war abgelauseu ... Man erzählte uns, Du habest eine halbe Million als Mitgift erhalten..." Er­schaute wieder mißtrauisch auf die bescheidenen äußeren Verhältnisse des Bruders.

So täuschte man euch. Uebrigens stehe ich bereits vor der Scheidung von meiner Frau. Ich glaubte euren Wünschen dadurch entgegen zu kommen." Walbeck's Ton klang hart und bitter. Des Bruders Antlitz entfärbte sich.Ihr warfet schon den Un­frieden Zwischen mich und die Oppenstein'sche Familie, als ihr es für eurer unwürdig hieltet, zur Hochzeit zu erscheinen."

Ich meine doch, wir wären im Recht gewesen! Du solltest uns verstanden haben!"

Ich nicht... damals wenigstens nicht. Aber Oppenstein verstand euch."

Wir wären es noch mehr gewesen, hätten wir damals schon Alles gewußt, was wir vor Kurzem erst erfahren. Geld ohne Ehre..."

Und Du verlangst dennoch das erstere von mir! Hätte eure Ehre euch gestattet..."

Unsere Lage ist eine so ganz andere geworden. Wir hofften noch immer auf ein günstiges Urtheil. Du konntest übrigens jede andere reiche Partie machen."

Warum machtest Du diese nicht? Anstatt über­zeugt zu sein, daß ich verständig handle und leider war auch mein Herz mit im Spiel! warfet ihr schon vor der Hochzeit dem Baron Oppenstein den Handschuh in's Gesicht; er ist eitel, nicht weniger empfindlich als ihr. Nach der Hochzeit erhielt ich ein Schreiben von Dir Zur Erklärung eures Be­nehmens. Ich war gutmüthig genug, der Mutter- Vorwürfe und Mißbilligung versöhnen zu wollen, gab euch in meiner Antwort Recht und wies zu meiner Rechtfertigung auf unsere prekäre Lage hin. Das Unglück mußte meiner Frau diese Antwort in die Hand spielen und der Bruch mit ihr und Oppen­stein ward ein vollständiger, unversöhnbarer."

Das war Deine Schuld allein; wir aber hätten