Heft 
(1885) 47
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

Sohn, mit dem ich als Knabe so befreundet, die Hand zur Einigung bieten werde. Sein Vormund gab es nicht zu. Seit einem Jahr ist er mündig; man hat keinen Versuch gemacht, ihm entgegen zu kommen, hat den Haß gegen seinen Vater ans ihn übertragen und auch ich bin dadurch mit ihm ans gespannten Fuß gestellt worden. Jetzt hat er sein Recht erstritten. Mutter und Bruder werden lieber untergehen, als ihm ein gutes Wort gönnen. In einigen Wochen erst ist mein Abschied zu erwarten, mein Urlaub dauert bis dahin; ich suche den Vetter auf; das Gut ist sein, aber die Rückzahlung des Ertrages uns zu erlassen, dahin dürfte ich ihn viel­leicht bestimmen. Die Prozeßkosten werden uns noch schwer genug sein! Der junge Mann kommt mir recht; er.soll meine Zeichnungen kopiren zur Ein­reichung. Dann zum Advokaten! Ich bin zu jeder Form der Scheidung bereit, um eine Thorheit wieder gut zu machen, die ich aus gutem Herzen beging!"

In seinem Arbeitszimmer wartete Egon aus ihn, bleich, mit abgehärmtem Gesicht, ihm mit scheuer Höflichkeit entgegen blickend.

Ihre Probezeichnungen haben mir gefallen!" sagte Jobst freundlich.Sie heißen Goldmann! Sind Sie vielleicht verwandt mit einer jungen Dame, der ich vor ganz Kurzem auf der Reise begegnete?"

Egon's Antlitz bedeckte sich mit dunkler Nöthe. Tief beschämt schlug er das Auge nieder.

Sie würden keine Ursache haben, dieses junge Mädchen zu verleugnen; ich lernte sie nur flüchtig kennen, habe sie aber auch achten gelernt. Sie schien nicht glücklich. Lola Goldmann nannte sie sich."

Sie ist meine Schwester." In Egon's Zügen ging eine merkbare Veränderung vor. Er athmete förmlich mit schwer bedrückter Brust auf.

Wo ist sie jetzt?"

Ich weiß es nicht!" Er schien nicht gefragt sein Zn wollen.

So sprechen wir von unserer Angelegenheit!" Jobst führte ihn an seinen Zeichentisch.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Oppenstein hatte sein Testament zu Bettina's Gunsten geändert. Obgleich äußerlich ruhig und zufrieden mit dem Geschehenen, schien sein Zustand sich zu verschlimmern. Er schickte nach ihr, wenn sie ihn verlassen; er hatte Furcht, wenn sie nicht bei ihm war. Sie allein durfte ihm die Medikamente reichen.

Wären wir nur schon unterwegs, Bettina!" seufzte auch er.Es ist Alles krank an mir; am meisten sind es meine Gedanken! Du wirst es aus der Reise recht schlimm haben mit Deinen! Patienten... Sag' mir," flüsterte er, sie an sich Ziehend,hast Du nichts gehört von diesem. . . Walbeck? Die Scheidungsklage ist eingeleitet; wenn er Ehre im Leibe hat, wird er nichts einwcnden!"

Bettina verneinte schweigend, zerstreut. Selbst der Name war ihr nur noch eine gleichgültige Er­innerung. Was galt ihr das Band, das sie noch an ihn fesselte? Sie zerriß es verächtlich, wenn irgend etwas sie daran erinnerte. Uebrigens sah und hörte sie nichts von draußen.

Inzwischen sah Doktor Gundlach, der Arzt des Hauses und Vertraute Leonorens, Zu seinem Ver­druß, daß seit deren Hingang seinen! vieljährigen Patienten jede richtige Pflege fehlte. Da Bettina stets uni ihn sein sollte, war der Diener aus seiner Nähe verbannt, und auch dieser war mißmuthig und fahrlässig geworden, als man ihn verdrängte. Oppen­stein selbst versenkte sich täglich mehr in eine Sensi­bilität, die es selbst dem Arzte schwer machte, ihm beizukommen.

Machen Sie ein Ende!" rief Gundlach.Ver­graben Sie sich nicht in Ihre Zimmer, fahren Sie hinaus in die frische Luft, suchen Sie einen klima­tischen Kurort, um Ihre Nerven zu stärken. Und dann vermeiden Sie jedes Nachdenken, jeden Ver­druß; das Schicksal macht es Keinem recht, Jeder muß sich fügen in das, was ihm beschieden. Vor Allen: aber muß das verweichlichende Beisammensein mit dieser schönen jungen Frau ein Ende haben, die Ihnen doch die allerschlechteste Pflegerin ist. Suchen Sie eine Versöhnung mit ihrem Gatten zu Stande zu bringen, denn die Sache macht unan­genehmen Lärm; Walbeck's Kameraden nehmen alle Partei für ihn; man erzählt sich die abenteuerlichsten Dinge über diese schnelle und plötzliche Trennung!"

Doktor, was das Erste betrifft, will ich ja Ihren Rath befolgen; ich will reisen; es ist Alles schon beschlossen, aber ich habe so mancherlei Disposi­tionen noch zu treffen. Sie wissen, wie schwerfällig die Behörden sind! Was Bettina angeht, ist sie ja mein einziger Trost. Ich habe die vollwichtigsten Gründe, diese Trennung gut zu heißen! Schmähen Sie mir das Kind nicht; Sie sehen ja, wie ab­gekehrt von der Welt sie lebt; sie will keine Zer­streuung und denkt nur an mich armen, kranken Mann! Wenn Ihnen Jemand etwas sagt wegen dieser Trennung, so antworten Sie, es sei auch mein fester, entschiedenster Wille so, ich werde mit allen Mitteln die Scheidung durchsetzen; das allein hindert mich ja noch am Reisen."

Dann eines Tages verlangte er eine drastisch wirkende Arznei, um, da er Alles vorbereitet, in den nächsten Tagen reisesähig zu sein. Gundlach ver­handelte lange mit ihn: und gab endlich nach. Die Wirkung dieser Arznei aber war, daß Oppenstein sich schon am Abend spät im bedenklichsten Zustande befand.

Bettina saß eben um diese Abendzeit, träumend, halb entkleidet und sich vor dem Lager fürchtend, in ihrem Zimmer, als ihre Zofe hereinstürzte. Der Herr Baron habe wahrscheinlich einen Schlaganfall bekommen!

Bettina's Gedanken waren so weit abseits, daß sie wie aus einem Schlummer erwachend aushorchte. Sie erhob sich; mit verwirrten Sinnen schritt sie, wie sie da war, durch die dunklen Gemächer.

Ein Diener war bei seinem unglücklichen Herrn beschäftigt, der andere bereits zum Arzt geeilt. Be­troffen durch ihren Anblick, trat der Lakai zurück, ihr Raum gebend vor dem wie leblos in den großen Arbeitssessel Zurückgesunkenen.

Ihr graute beim Anschauen der entstellten Züge. Auf dem Tisch, vor dem er gesessen, lagen Papiere,