Heft 
(1885) 47
Seite
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Deutsche Noman-Oibliothek.

blickte sie betroffen mit weit geöffneten Augen an, als schlage ihn plötzlich ein Gedanke mit Schrecken. Ich war allerdings gegen eine Verirrung von Dir, die ich Deinem unerfahrenen Herzen nicht anrechnete, wohl aber Dem, der mich so mit Undank belohnte... Wärest Du im Stande, diesen Geiger noch... Es wäre ein Unglück, ein entsetzliches Unglück!... Bettina, ist das die wahre, wirkliche Ueberzeugung Deines Herzens?"

Sie ist es!"

Oppenstein hatte nicht den Muth, ein Wort zu erwiedern. Was ihm Leonore im Sterben gesagt, drängte sich seiner Erinnerung aus, und sie fehlte ihm jetzt, sie war hinüber gegangen, ihm mit seiner Schwäche den Kampf gegen eine Leidenschaft über­lassend, die er selbst verdammte, der er jetzt gedankenlos Vorschub geleistet, indem er seinen Advokaten beordert, ohne Schonung gegen Walbeck vorzugehen.

Seine Hände zuckten krampfhaft auf der Bett­decke; er wagte nicht, zu Bettina hinüber zu sehen, er hörte nur, wie schnell und heftig ihr Athem ging.

Du weißt jetzt, was in mir vorgeht!" sprach sie dumpf vor sich hin, und er war froh, daß sie überhaupt diese peinliche Stille unterbrach.Warum soll ich Dir noch ein Hehl daraus machen! Ihr zwanget mich, mit Wnlbeck vor den Altar zu treten. Ich habe nicht gelogen, als ich das Ja vor demselben aussprach, denn ich setzte leise hinzu: Menu es in meiner Kraft liegt, den Einen wirklich zu vergessen, dem ich mich selber vor Gott gelobt; denn ich stehe nicht hier aus eigenem Trieb und Willen!' Als ich die Kirche verließ, that ich es mit dem Bewußtsein, keine Lüge gesprochen zu haben. Als ich Walbeck verließ, geschah dieß mit der Ueberzeugung, jenen Andern nie vergessen zu können. Ich habe mir also nichts vorzuwerfen, und selbst wenn ich es müßte, ich werde nicht glücklich werden, so lange ich ihm nicht gehöre..." Bettina erhob sich entschlossen und schonungslos fuhr sie fort:Ihr nahmt euch Beide meiner an, als ihr mich, ein armes Kind, bei armen Leuten fandet, das keine Ahnung von der Sphäre hatte, in die ihr mich führtet. Ihr versprächet jener armen Frau, für mich reichlich zu sorgen, und ihr thatet es in eurer Weise. Ich nahm eure Wohlthaten an, so lange ich zu jung und unerfahren, um zu ahnen, wohin diese mich führen würden. Ich sah, daß ihr mich in's Elend triebet und ich gehorchte mit zerrissenem Herzen. Da aber erst, als es geschehen, sah ich ein, daß ich elend geworden durch all' eure Liebe. Was, und wie soll ich euch danken für sie, die ich doch nicht begehrt? Was ihr für mich gethan, ward mir zu einem verhängnißvollen Geschenk. Zurück­geben kann ich es euch nicht, aber verzichten auf das, was Du ferner noch für mich thatest und thun willst, das kann ich, indem ich dafür begehre, was ihr mir nicht gewähren wolltet; ich will nicht das Eine ohne das Andere! Ueberlaß mich also dem Schicksal, das ich mir selber wähle! Andere Hände werden Dich pflegen; auch Du wirst ruhiger sein, wenn Du keinen Vorwurf mehr in meinen Augen zu lesen hast; und führt der Weg, den ich wandte, nicht zu meinem Glück, Du sollst nicht mehr von mir hören, ich selber will die Verantwortung für mein ferneres Geschick tragen!"

Mit groß und furchtsam aufgeschlagenem Auge hatte Oppenstein sie angehört. Die Worte der sterbenden Leonore fanden eine furchtbare Bestätigung; er konnte es nicht fassen, bis ein angstvoller Blick in Bettina's Antlitz ihn überzeugte.

Er rang die Hände auf der Bettdecke bis sie geendet; er zitterte, als sie darnach, auf seine Ent­scheidung wartend, noch dastand, hoch aufgerichtet mit heftig bewegter Brust; aber erst, als sie sich von ihm wandte, rief er:

Bettina! Hab' Erbarmen mit mir! Ich war nicht schuld an dieser unglücklichen Ehe, aber. . . Höre mich an!" Er streckte den Arm nach ihr aus. Was Du von mir verlangst... So höre mich doch..."

Bettina's Fuß hatte sich zum Gehen gewandt; sie hielt jetzt inue. Das Tageslicht drang bereits Heller durch die Vorhänge, aber er wagte nicht mehr, Zu ihr aufzuschauen.

Bleib', ich bitte Dich! Höre au, was ich Dir zu sagen habe! Du weißt ja, daß ich Dir nichts zu weigern im Stande bin, aber... Sei vernünftig, Bettina!" bat er, wieder die Hände ringend.Ich will ja nicht begehren, daß Du bei mir bleiben sollst, bei mir armem, gebrochenem Mann! Ich gab Dir Alles, was ich habe, Du kannst wählen unter unseren Kavalieren, nenne mir von ihnen, wen Du willst, es soll mir jeder willkommen sein, nur. . . Mein Gott, nur... Du weißt ja nicht, daß die Selige im Sterben mir den heiligen Schwur abuahm, nur diesen Einen... Ich würde Dir ja nicht entgegen sein, wenn Du glaubst, er allein sei Dein Glück, aber in jener schrecklichen Nacht ihres Todes, als ich verlassen an ihrem Sterbebette... Ich schwor cs ihr; Du kanntest ja ihre Grundsätze, die einer wahren, treuen Mutter..."

Einer wahren Mutter!" unterbrach ihn Bettina in abgewendeter Haltung mit heiserer Stimme.O, ich errieth sie längst aus hundert kleinen Zügen, wenn sie, eine Lügnerin vor Dir und vor mir, ihr Mutterherz hinter dein einer Gönnerin, einer Wohl- thäterin zu verstecken suchte ..."

Oppenstein's Haupt hatte sich gebeugt, als em­pfange er einen Todesschlag.Eine Lügnerin. . . Leonore, die Alles gut zu machen gesucht, was sie gefehlt haben mochte!"

Die von fremden Leuten ihr Kind zurückkaufte, um es um den Preis seines Glücks au einen Andern zu verhandeln, und Du glaubst, ich habe ihr diese Liebe jemals danken können, die sie auch von ihrem Kinde zurückerkausen zu können meinte? Gott ver­zeihe ihr und danke Dir, was ihr an mir gethan, ich vermag es nicht!"

Gleichgültig gegen die Hülslosigkeit des Unglück­lichen verließ sie ihn und schritt in ihr Zimmer.

Mit bleichem Antlitz und zitternden Händen kleidete sie sich an. Mochte er nach ihr begehren, sie wollte hinaus in die freie Luft. Sie bedurfte eines bestimmten Entschlusses, um ihren Worten eine That hinzuzufügen. Mochte dieser arme, sieche Manu durch sein Wort an den Willen einer Todten ge­bunden sein, was band sie noch an ihn! Sie war seine Erbin; ihm blieb nichts übrig, als sein Testa­ment zu erfüllen, und zu was lebte er noch? Wenn