Heft 
(1885) 48
Seite
1146
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Deutsche Roman-Bibliothek.

Albert von Oppenstein ließ sich geduldig auf einen Sessel nieder, Jobst schritt unruhig auf und ab.

Ein hübsches Mädchen, dieses Fräulein . . . wie war der Name?" fragte Oppenstein.

Goldmann! Sie ist recht bedauernswerth. Ich beschäftige ihren Bruder, einen ganzen talentvollen jungen Mann. Durch ihn kenne ich die unglückliche Lage dieser Familie. Des Mädchens Bekanntschaft machte ich aus der Reise unter recht. . . eigen­tümlichen Umständen." Jobst verjagte die un­angenehme Erinnerung.Könnt' ich etwas für sie thun! . . . Aber Sie, Kamerad! Wie wäre es . . . Sie begreifen, wenn mich hier an dieser Stätte, an der ich mein Glück erbauen zu können wähnte..." Er blickte umher, schloß die Augen, um nicht an sein Mißgeschick gemahnt zu werden, schaute dann wie erwachend furchtsam aus die Thüre, als könne sie ihm erscheinen, sprang aus und schritt wieder hin und her.Ich wollte, sie kämen!" murmelte er ungeduldig.Was thue ich hier, wo ich nichts zu suchen habe!" Er stand wieder vor Oppenstein und rieb sich die Stirn.Was ich Ihnen sagen wollte!... Wenn ich's nur selber wüßte!... Dieses junge Mädchen, es verdient, daß man ihm helfe! Sie könnten es, Herr Kamerad! Sie haben fortab über Millionen Zu gebieten; ein schöner Gedanke, der einer schönen That würdig wäre!"

Ich denke, sie zu thun und zunächst meine Schulden Zu bezahlen," sagte Oppenstein lächelnd.

Sie bringen mich aus eine Idee! Wollen Sie eine gute Handlung üben?"

Albert von Oppenstein erhob sich mit seiner lang aufgeschossenen Gestalt, in der trägen Haltung der Kavallerieoffiziere stand er vor Jobst, die Hände ans den Säbel gestützt und diesen mit seinen schwer- müthigen Augen und einem melancholischen Lächeln anschauend.

Verfügen Sie über meinen guten Willen und allenfalls über meinen Kredit."

Decken Sie die Schulden, mit deren Zurück­lassung ein gewissenloser Vater den Seinigen durch­gebrannt, eine Wittwe und zwei Kinder in Schmach und Schande Zurücklassend. Das wäre eine That, die Ihnen Gott und die armen Verwaisten lohnen würden."

Sehr gern! Aber werde ich es können?"

So viel mir der Sohn sagte, werden drcißig- bis vierzigtausend Thaler..."

Meine eigenen Gläubiger würden mich für einen Verschwender halten!"

Sie sind der reiche Majoratsherr.. . Sagen Sie ja! Das klebrige wird sich finden!"

Oppenstein schüttelte über sich und diesen Vor­schlag lächelnd den Kopf.

Gut denn! Sagen Sie der jungen Dame, sie solle nicht mehr weinen, ich könne keine Thränen in einem Frauenauge sehen. Was ich vermag, es soll geschehen."

Ich darf ihr also die Nachricht bringen, daß der liebenswürdige junge Majoratsherr diese Thränen zu trocknen bereit?"

Ja! Wenn Sie mir zur Hand bleiben wollen, ! denn ich bin in Geschästssachen zu unbeholfen." !

Jobst ging, um Lola die freudige Nachricht Zu bringen. Oppenstein trat hinüber in den großen Salon und blickte mit Interesse umher. Er hatte zu dem Verstorbenen in keinerlei persönlicher Beziehung gestanden und an nichts weniger als an den frühen Tod desselben gedacht. Er stand also hier auf ihm ganz fremdem Boden und schaute mit Respekt aus die beiden großen Brustbilder, die, von Meisterhand ge­malt, an der Hauptwand des Salons hingen das Guido's von Oppenstein und seiner Gattin Eleonore.

Näher herantretend, sah er unter den beiden Bildern den genial gemalten Kops eines jungen Mädchens, dessen in wunderbarem Glanz leuchtendes Haar und mit frappirender Plastik aus dem Rahmen schauendes jugendfrisches Antlitz ihn mächtig anzog.

Die schöne Adoptivtochter, von der man mir so viel erzählt!" In den Anblick des schönen Kopses versunken stand er vor dem Bilde, die Beiden da über ihm vergessend.Bei Gott, ein Gesicht von unwiderstehbarem Zauber! Diese geheimnißvoll dunk­len, blitzenden Augen! Man könnte sie aphroditisch nennen, wenn sie nicht etwas Gebietendes von der Juno hätte, aus die auch diese weißen, geschwungenen Schultern deuten! Diese saftigen, verlangenden Lippen, diese beiden neckischen Schönheitsfleckchen an Schläfe und Wange und . . . Mir ist, als habe ich diese Züge schon einmal an dem Kopf einer Delila gesehen.. . Ein Mann, der von diesem Weibe ge­liebt wird, muß namenlos glücklich sein, wenn es ihn nicht noch namenloser unglücklich macht. . . Und Kamerad Walbeck erträgt doch diese Trennung von ihr mit einer äußeren Philosophie, die mir Achtung eiuflößt. . . Er kommt!" Gestört im Anschauen, wandte er sich.Auch sie kommt! Mir scheint, ich habe heute zum ersten Mal ein Weib glücklich ge­macht!"

Lola schritt an Walbeck's Seite mit gesenkten Augen aus ihn Zu. Mit demselben Interesse wie vorhin blickte er auf die jugendlich graziöse Gestalt und sah mit Befriedigung das vorhin so von Schmerz getrübte Antlitz vom Sonnenglanz freudiger Hoffnung belebt.

Fräulein Goldmann wünscht Ihnen selbst ihren Dank zu bringen!" sagte Jobst neben ihr stehend.

Für den meinem dankbaren Herzen leider die Worte fehlen, Herr von Oppenstein!" setzte Lola, ohne aufzuschauen, hinzu.Das Schicksal, als es so plötzlich und so zerschmetternd über uuS kam, fand mich leider nicht der Aufgabe gewachsen, die es mir zugetheilt..."

Mein Fräulein, das pflegen wir Alle nicht zu sein," unterbrach sie Oppenstein in seiner verbind­lichen Weise.Das Schicksal, wenn es über uns kommt, wird in der Regel kaum einen fertigen Menschen finden, und ich meinerseits bin der Letzte, der über Andere zu richten befugt wäre. Sehen Sie," er nahm Lola's Hand,gestern, als ich Kamerad Walbeck in meiner Garnison kennen lernte, kam auch ich mir vor wie Saul, der ausging, um seines Vaters Eselein zu suchen, und ein Königreich fand. Ich war am Morgen ausgegangen, einen meiner schlimmsten Bedränger um Stundung zu