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Deutsche Roman-Bibliothek.
neben seiner Eleonore zu ruhen gewünscht, sich seine letzte Stätte in carrarischem Marmor hatte errichten lassen.
Der Priester sprach eine kurze Rede, von der Albert kaum einige Worte unterschied, und die Leidtragenden verließen den Friedhof wieder.
Vor dem Ausgang desselben, als Albert seinen Wagen besteigen wollte, grüßte ihn ein älterer Herr, der sich ihm als Doktor Ebert, den vieljährigen Sachwalter des Verstorbenen, vorstellte. Albert lud ihn ein, in seinem Wagen zur Stadt zurückzukehren.
„Sie sahen die schwarze Verschleierte in der Kirche, Herr Baron?" fragte Ebert aus der Rückfahrt. „Ich bemerkte, mit welchem Interesse Sie dieselbe verfolgten. Sie kennen Ihre Cousine ver- muthlich nicht?"
„So war sie es also! Ich hatte in der That keine Gelegenheit... Man sagte mir, sie sei nach dem Tode meines Oheims aus dem Hause verschwunden."
„Sie war gestern bei mir, um mich mit dem Verkauf der Hinterlassenschaft zu beauftragen. Ich vermuthete, sie werde sich auf das Besitzthum am Rhein zurückziehen, sie gab mir indeß eine Adresse in Wien... Es ist wohl kaum je eine sinnlosere Ehe geschlossen worden als die ihrige; der arme Walbeck war wie der Verstorbene nur ein Spielball dieses leidenschaftlichen Weibes."
„Leider sind mir die Verhältnisse dieser Familie ganz fremd gewesen."
„Am besten vielleicht so! Mein Bureau war gewissermaßen das Guckloch des Vorhangs, durch welches ich in dieselben schaute... Sie gestatten mir, Ihnen meine Dienste zu offeriren?"
„Ich nehme sie gern an; aber verkleben wir das Guckloch!" lachte Albert.
„Doch nicht früher, als bis es Ihnen gedient hat, einen Blick in gewisse, das Majorat betreffende Verhältnisse zu thun!" Und liebedienerisch setzte Ebert hinzu: „Der Verstorbene war der beste, edelste Mensch, aber er kümmerte sich nie um die Güter, denn er verstand nichts von der Oekonomie. Er dürste deßhalb aber doch mit seinem hinterlassenen großen Privatvermögen verantwortlich sein für gewisse von ihm nicht beachtete, das Fideikommiss schmälernde Veräußerungen seiner Verwalter, denen immer nur daran lag, ihm große Erträge abzuliesern und zwar auf Kosten seines Nachfolgers."
„Ich bin nicht habsüchtig, lieber Doktor!"
„Vielleicht beliebt es Ihnen, mich in mein Bureau zu begleiten, und mir, als Ihrem Sachwalter, für alle Fälle die nöthige Vollmacht ..."
„Sehr gern, ich begleite Sie dahin."
Dreißigstes Kapitel.
Eines Morgens wurde Frau von Ertel bei der Toilette durch einen überraschenden Besuch gestört, dem sie mit offenen Armen entgegeneilte.
„Bettina, Du hier? Welch' eine Freude! Und Du kommst..."
„Allein! Ich bin frei... wenigstens moralisch frei!" Bettina war noch in Reisekleidern und sehr erregt.
„Moralisch frei? Wie verstehe ich das?"
„Ich bin in Scheidung mit..."
„Ah so ... Freilich, es sollte mich nicht Wunder nehmen! Du warst ja nicht glücklich in dieser kurzen Ehe. Und was führte Dich zu uns!"
„Ich wollte Dich sehen, Pauline!"
Frau von Ertel biß sich auf die Unterlippe.
„Wirklich? ... Wie lieb das von Dir ist! Aber gestatte mir, in aller Eile mich fertig zu machen, dann stehe ich zu Deiner Verfügung ... Also frei! Wer das von sich sagen könnte! Ich muß mit meinem Alten schon auszukommen suchen!"
„Auch meine Pflegeeltern sind gestorben."
„Aber das ist ja eine ganze Tragödie!" Frau von Ertel ließ die Hände im Schooß ruhen. „Und Du trägst nicht einmal Schwarz!"
„Ich Haffe diese Aeußerlichkeiten!"
„Freilich... Auf der Reise! Man würde Dich für eine trauernde junge Wittwe halten, was allerdings doppelt interessant macht. .. Man hat recht bedauert, daß Du uns so schnell hier entrissen wurdest! Gib Acht, Du hast hier viel Unglück unter den Herren angerichtet. Uebrigens vergaß ich, daß ich Dir zürnen müßte. Du warst nicht aufrichtig gegen mich. Wir hatten doch früher keine Geheimnisse für einander. Die zwei Jahre, die ich älter bin als Du, sollten auch jetzt nicht zwischen uns liegen."
Bettina's Antlitz färbte sich hoch.
„Ich will Dir ja keinen Vorwurf machen im ersten Augenblick unseres Wiedersehens; aber sei vorsichtig! Der Bewußte gehört uns Allen; es ist kaum Eine, die nicht das Recht zu haben glaubte, ihn verehren zu können! Sie würden Dich gesteinigt haben, hätten sie erfahren, was ich jetzt durch die Wachsamkeit meines Dieners weiß, und die schöne Russin würde Dich vergiften, Aermste, wenn sie erführe ..."
Bettina wagte nicht zu leugnen; wußte ihre Freundin schon, so ersparte ihr dieß ein Geständniß.
„Diese Russin, ich schrieb Dir ja noch von ihr, ist eine seltsam geheimnißvolle Person, die aller Neugier spottet. Nur so viel hat man erfahren, daß sie aus dem asiatischen Rußland, unermeßlich reich und ebenso schön ist. Sie soll Alles aufgeboten haben, um Balsado dem öffentlichen Auftreten zu entziehen, aber er bleibt seiner Kunst getreu ... Und nun kommst Du noch, Bettina! Was soll aus dem armen Menschen werden! Zwei schöne Frauen, die um ihn ringen werden! Und auch Du wirst reich, sehr reich geworden sein; nicht wahr? Du sagtest mir, Du seiest die Erbin Deiner Pflegeeltern."
Bettina, der jedes Wort im Ohr gehallt, nickte bleich und schweigend. Inzwischen überwand sie ihre Verlegenheit, als Pauline von Ertel sich vor sie stellte und sie mit einem Lächeln der Ueberlegenheit anschaute.
„Bettina!" rief die lebhafte junge Frau, die, selbst zu klug, um zu sündigen, doch in der Thorheit der Anderen ihre Unterhaltung fand. „Ich blicke in die tiefste Falte Deines Herzens hinein und bereue, durch meinen Brief noch die Flamme in ein schon brennendes Haus geschleudert zu haben! Ich begehre