Heft 
(1885) 48
Seite
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Die tolle Betty von Hans Wachenhusen.

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gar kein Bekenntniß von Dir, denn ich lese es in Deinen Augen! Fühlst Du Dich kräftig genug, Du, die noch nicht in der Welt gelebt hat, um Dich in einen Strudel zu stürzen, der Dich verschlingen kann? Ich errathe es. Du kamst nur um Balsado's willen! Du bittest, beschwörst mich jetzt: ,Hilf mir ihn sehen! Mein Herz brennt nach ihm' ... Sag', Hab' ich Dich errathen?"

Bettina erhob sich stürmisch. Sie schlang die Arme um die Freundin und barg ihr Antlitz auf deren Schulter. Pauline schob sie lachend von sich.

Du sahst ihn bereits?"

Nein! Ich erfuhr seine Adresse im Hotel; ich schrieb ihm, bat ihn... verzeih' mir, Pauline... mich hier bei Dir zu sehen!"

Hier? Und wann?"

An diesem Morgen noch!"

Die Sache schien Pauline nicht zu gefallen.

Es wird mir schwer, Dir etwas abzuschlagen; aber wenn es nicht zu Deinem Glück führt, wirst Du mich mit verantwortlich machen! Er ist ohne Zweifel Deine erste Liebe; seine Erscheinung hat Dich geblendet; der Ruhm eines Mannes ist für uns Frauen immer eine Gottheit, vor der wir so bereitwillig niederknieen, und wir sehen zu spät, daß unser Gott auch nur ein Blendwerk sterblicher Schwächen .. . Warum nahmst Du denn diesen Walbeck?"

Weil ich nur über ihn hinweg zu meinem Gott aufsteigen konnte."

Pauline sah mit Lächeln Bettina's Ekstase.

Du sagtest, Du seist frei und unabhängig! Du bist Walbeck keine Rücksicht schuldig?"

Ich führe nicht einmal seinen Namen mehr. Ich bin wie damals hier nur Frau von Oppenstein."

Pauliue überlegte.

Ich beabsichtige, einige Kommissionen... Mein Unhold ist bereits zur Börse. .. Aber euch allein lassen? ... Ich müßte vorher meinen Diener fort- schicken, der euch damals gesehen und mir verrathen hat. .. Komm', wir sprechen darüber. Aber noch Eins: bürde mir nie die Schuld aus, wenn..."

Bettina umarmte und küßte sie. Beide schritten in das Boudoir der Wirthin.

Meiner Jungfer gegenüber vergebe ich mir allerdings nichts," überlegte die Letztere hier.Ertel hat nichts dagegen, wenn ich in seiner Abwesenheit die Herren unserer Bekanntschaft empfange, und Balsado scheint ihm der Ungefährlichste, weil er zu viel begehrt wird, aber.. . Nun, meinetwegen denn! Ich werde sehen, wie ich die Sache am klügsten arrangire!"

*

Eine Stunde fast saß Bettina allein in unerträg­licher Spannung, bis Balsado in dem Halbdunkel des von schweren Vorhängen beschatteten kleinen Salons erschien.

Camill!" Mit dem aus dem Herzen aufjubelnden Ruf sich aus der Causeuse erhebend, in der sie schon gegrollt, eilte sie ihm entgegen, hielt aber betroffen inne, denn sie blickte in ein ernstes, strenges Antlitz, in dessen großen dunklen Augen sie Vorwurf und Mißbilligung las.

Sie hier, Baronin von Walbeck?" rief er, ihr

mit Zögern die Hand versagend, in perfektem Deutsch, dem seine lateinische Zunge einen eigenthümlich melo­dischen Klang verlieh.

Bettina's Antlitz, bei seinem Eintreten von hoher Röthe übergossen, entfärbte sich, ihre Hände, nach ihm ausgestreckt, sanken herab, ihre Augenlider senkten sich, ihr Herzschlag stockte. Wie viel tausend Male hatte sie wachend und träumend an die Wonne dieses einen, endlich erkämpften Momentes gedacht, und er stand da ihr gegenüber, kalt, regungslos, seine mächtigen Augen ruhten auf ihr so empfindungslos, seine Stimme klang so streng, sein Antlitz war so bleich und starr, daß es sie durchschauderte. Und wie er diesen Namen aussprach, den er von ihren Lippen doch nie gehört! Etwa wie der Richter den eines Schuldigen ausruft.

Sekunden verstrichen, ehe sie ihre Fassung errang und wieder zu ihm aufzuschauen vermochte.

Camill," flüsterte sie, die Hände faltend,nicht die Du soeben nanntest steht ja vor Dir... Bettina, die nur an Dich gedacht, die nur für Dich zu leben vermag, die Dir ans ihren Knieen zu schwören be­reit, daß Du allein... nur Du der Inhalt ihres Lebens bist! Vergiß, wenn Du vernommen, was mit Deiner armen Bettina geschehen, sie hat muthig gegen Alles gekämpft, und daß sie hier vor Dir steht, daß sie zu Dir geeilt, als es ihr gelungen, die Fesseln zu brechen, in die man sie geschlagen, danke es nicht mit diesem kalten Blick! Ich hielt, was ich Dir geschworen; ich rufe den Himmel zum Zeugen an, daß, was auch mit mir geschehen, nur Du der Abgott meines Herzens, meiner Gedanken, meines Sehnens warst. .. O, bedarf es denn dieser Betheurung, Camill, daß ich nicht sein kann ohne Dich, daß ich, nur um Dir zu gehören, diese Kämpfe bestand! Nenne mich nicht mit diesem Namen, den ich verabscheue! Ich habe ihn selbst diese kurze Frist, die mich von Dir trennte eine Ewigkeit für mich! nur tragen müssen, bis es mir gelang, mich frei zu machen; und frei stehe ich vor Dir, Camill; ich schwöre Dir, daß es keinen andern Ge­bieter gibt über dieses Herz und diese Hand außer Dir, und hier zu Deinen Füßen will ich Dich an­flehen: vergib mir, was Andere an mir Armen gethan!"

Ehe Balsado sie zu hindern vermochte, lag sie vor ihm, sie umschlang seine Kniee und schaute mit verklärten, in Thränen gebadeten Augen zu ihm aus»

Kein Männerherz hätte vermocht, dieses schöne Weib thatlos zu seinen Füßen zu seheu. Camill schloß für einen Moment die Augen, dann legte er die Hände um ihren Nacken.

Steh' auf! Was Du thust, ist unwürdig!" sprach er zwar ernst, aber weicher; und wie sie, die hohe, schöne Frauengestalt, sich jetzt an ihn schmiegte, ihn furchtsam wie ein Kind umschlang, drückte er fast mitleidig einen Kuß auf ihre Stirn.Was auch geschehen sein mag, Du thatest Unrecht, mir dieß zu verschweigen, als wir uns hier in diesem Hause sahen. Du mahntest mich an die Pflicht meines Herzens, während Du die Deinige schon verrathen hattest... Leugne nicht," rief er un- muthig, als sie so betheuernd das Auge zu ihm