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Deutsche Roman-Bibliothek.
erhob; „mag es selbst gegen Deinen Willen geschehen sein... Du thatest Schlimmeres noch: Du sündigtest auch an der Pflicht gegen den Gatten! Du warst unwahr gegen mich, schuldig gegen ihn. . ."
„Nein, nein, nicht schuldig! Sprich das Wort nicht aus! Man Zwang mich, ihm Zu gehören, man drohte, mich zu verstoßen, man ließ mir die Wahl Zwischen Reichthum und Elend, und ich wählte den ersteren, nicht um meinetwillen, für Dich, Camill, der Du mir sagtest, Du seiest arm und der Sklave jenes Mannes, von dem Du abhängig, dem Du so viel Zu danken habest.. . . Und da gab es für mich keine Wahl mehr; ich gehorchte mit blutendem Herzen, ich ließ mich vor den Altar schleppen, aber nur mit dem Gedanken an Dich, an baldige Erlösung! Ich folgte gezwungen diesem mir verhaßten Manne aus der Reise, ich trug seinen Namen, aber ich war ihm nichts... ich schwöre Dir mit den heiligsten Eiden: nichts! Ich entfloh ihm damals hier, um an das Sterbebett meiner Pflegemutter zu eilen und diese in ihrer letzten Stunde noch um meine Erlösung zu bitten. . . Gott hatte sie schon erlöst, deren Wille allein mir diese unerträglichen Fesseln aufgeladen; ich athmete aus; ich wartete auf Nachricht von Dir, aber sie kam nicht. Da schied auch er, mein Pflegevater, vom Leben, nachdem er sein Versprechen erfüllt, meine Trennung von jenem Manne, den ich nicht wieder gesehen, bei den Gerichten zu verlangen, und mich als einzige Erbin einzusetzen. Und da eilte ich zu Dir, Camill, um Dir zu bieten, was ich habe, denn wir sind reich, Camill! Du sollst diesem fremden Manne nicht mehr dienen, der Dich nach seinem Belieben durch die Welt schleppt; ich will auch Dich erlösen, aber Du sollst mein sein, mein ganz allein, denn . . . verzeih' mir meine Thorheit, ich vermöcht' es nicht, mit anzusehen, wie die Anderen Dich täglich bewundern, verehren, Dich mit ihren Augen besitzen wollen... Nein, ich vermöcht' es nicht, ich würde tausend Qualen erleiden . . . Mir allein, nicht wahr, wirst Du gehören!" bat sie mit so kindlicher Zärtlichkeit, sich mit beiden Armen an ihn hängend. „Ich will Dir ja folgen in Deine Heimat, wo es so schön ist, wo wir zuerst uns sahen, an die schönen User des Meeres! Keine Sorge wird uns drücken, denn wir sind ja reich, und wir werden Zufrieden sein in dem schönen, stillen Heim, das wir uns gründen, wenn Niemand ist, der unser Glück uns neiden möchte!"
Camill hatte, seinen Unmuth im Anblick des schönen Weibes vergessend, sie lächelnd angehört. Er entzog sich ihren Armen und führte sie zum Divan.
„Höre auch mich an!" bat er, ihre Hand in der seinigen behaltend. „Die Sphäre, in der Du erzogen wurdest, hat Dich des Künstlers Erdenleben nicht kennen gelehrt, eine Bahn, auf der es nicht Rast noch Umkehr gibt für Den, der sie betreten. Der Ehrgeiz ist der Sporn, der uns in unablässigem Ringen nach dem Ziele vorwärts treibt, während Neid und Mißgunst der Anderen uns täglich das Herz zerfleischen, und was Du an Resultaten, an äußeren Errungenschaften dieses Kampfes siehst, den Beifall der Menge, die Anerkennung des Einzelnen, ist nichts, als ein ermunterndes Almosen für das nach dem
Höchsten ringende Künstlerherz. Ich habe den Kampf mit den Kunstgenossen meiner Zeit ausgenommen, ich kann ihn nicht ausgeben ohne den Schein, als habe ich die Waffe gestreckt, mich besiegt erklärt, und was diesen Mann betrifft, der, mir den Weg ebnend, mich begleitet, ich bin ihm Dank schuldig für das, was er für den armen Knaben gethan, als dieser hülslos am Grabe einer in Kummer und Elend früh dahingesunkenen Mutter stand. Vertrauend in die Tragweite meines damals kaum zu übersehenden Talentes opferte er für meine künstlerische Erziehung, was er besaß, ein Kapital, das er auf anderem, weil sichererem Felde hätte fruchtbar machen können; nichts berechtigt mich also, lieblos über ihn zu denken, wenn ich auch oft unmuthig bin und ihn beschwören möchte: laß mich hier ausruhen, es ist so schön hier! Es gibt für mich, so lange ich ihm nicht zurückgezahlt, nur eine Schuld gegen ihn, und so viel an mir liegt, will ich sie zahlen aus Heller und Pfennig! Bin ich so lange sein Sklave, ich erkenne seine Rechte über mich an, nicht minder meine Pflichten gegen ihn!"
„So viel an Dir liegt!" Bettina wiederholte das, vor sich hin sinnend und seine Hand pressend, ihm mit aufflammendem Auge in das seine schauend. Mit der ganzen Glut ihrer begehrenden Seele rief sie: „Wenn Du ihm hörig bist so lange... Du sagtest nicht, wie lange; was hindert denn mich, Dir zu folgen, als Dein Weib an Deiner Seite zu sein! O, wenn Du mein bist, unverbrüchlich mein, so wird mich diese Eifersucht nicht quälen, die mir bis jetzt eine so furchtbare Folter gewesen! Dein Triumph wird der meinige sein, und wenn sie mich sehen an Deinem Arm, wird es ein Weib geben, das zu behaupten wagte, Deine Wahl sei Deiner nicht würdig?... Du schweigst! Sag' mir, was hindert Dich, was mich, wenn wir uns lieben? Was verbietet mir, Dich wie Dein Schntzgeist zu geleiteu, bis uns die Kirche verbinden kann?"
Camill hatte ihr ernst und schweigend zngehört.
„Die Welt!" antwortete er mit Nachdruck.
„Wo ist die Welt, wenn wir hier und dort sind?"
„Sie ist überall! Laß ab von dieser Idee! Sie ist thöricht, unmöglich!"
Bettina's Antlitz ging plötzlich unter dem Einfluß eines jäh aussteigenden Gedankens in eine Bläffe über, die auch ihn erschreckte. Sie ergriff leidenschaftlich und zitternd seine Hand und zog sie mit Heftigkeit au sich.
„Camill," ries sie, „Du bist nicht aufrichtig... Wer ist dieses Weib, das Dir folgt wie Dein Schatten, das Dich mit Zärtlichkeit überhäuft! Glaubst Du, die Welt wisse nicht von ihr? Als wir uns in Nizza sahen, war Dein Stern eben im Aufgehen; ich war vielleicht das erste Weib, das Du berauschtest, hinriffest, ein unerfahrenes Geschöpf, das sich Dir ganz und vertrauend hingab, das Dich zu erkämpfen kein Opfer scheute .. . Nein, kein Opfer!"
Die Erinnerung an jenen letzten Abend, an den Tod ihres Wohlthäters, an die düsteren Umstünde, an ihren Undank, der sie von dem Todten fort- geriffeu, an ihre Schuld — unheimliche Vorstellungen,