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Deutsche Roman-Bibliothek.
alten Wege sein Glück zum elften Male sucht. Ich glaube, in jeder Künstlernatur steckt der Hang zur Entmuthigung."
„Und wenn auch — ist denn ein Metier vornehmer als das andere? Erniedrigt sich der Maler, wenn er Zeichnungen anfertigt, die ihm von irgend einem Fabrikanten oder Gewerbtreibenden gut bezahlt werden? Das geht über meinen Horizont!"
„Wir verstehen einander nicht," erwiederte Klara mit einer Miene, als ob ihr eine Fortsetzung des Gespräches lästig sei.
„Das habe ich längst bemerkt," sagte Arthur gelassen. Gutmüthig setzte er hinzu: „Uebrigens freut es mich, vernommen zu haben, daß es Ihrem Vater gut geht. Sie werden also nicht verlassen sein, wenn Sie demnächst daran denken müssen, Ihr Leben in eine neue Bahn zu lenken."
Diese Erinnerung an die Unsicherheit ihres zukünftigen Schicksals brachte Thränen in Klara's Augen. „Es ist freundlich von Ihnen," sagte sie mit leicht vibrirender Stimme, „daß Sie meinem Loose einen flüchtigen Gedanken Zuwenden. Wäre mein Weg nur so geebnet, so deutlich ausgelegt, wie er Ihnen scheint! Aber das Dunkel, welches darauf ruht, kann ich Ihnen nicht zeigen!"
Sie erhob sich, wie um weiteren Fragen zu entgehen, reichte Arthur die Hand und entfernte sich leise aus dem Zimmer.
Arthur saß noch lange und sah tief unter dem Spiegel des Sees die Mondsichel zittern. Leichte Nebel wallten zu Thal; die fernen Lichter am gegenüberliegenden Ufer verschwanden. Aus hoher Luft klang ein schwirrendes Geräusch wie vom Fluge einer Vogelschaar. Arthur blickte zum Himmel empor. Die Sternendecke schien sich gesenkt zu haben; näher als sonst glühten die bläulichen Funken, aber sie zitterten und schwankten hin und her, als wenn sie gerüttelt würden. Ein Frost kam plötzlich über Arthur; er schloß das Fenster und suchte sein Zimmer auf. Auf dem Korridor begegnete ihm Notting und redete ihn an; er hörte die Stimme und wandte die Augen nach der Richtung, woher sie kam, doch antwortete er nicht, grüßte nicht; wie ein Träumender ging er vorüber.
Die Sonne mußte irre gegangen sein in dieser Nacht. Wohl wurde es hell am Morgen, aber am grauen Himmel war die Quelle des Lichtes nicht zu finden. Für Arthur war ein Brief eingelaufen; er durchflog ihn beim Kaffee und feine Stirne röthete sich.
„Der Prokurist von Konstantin Ueberweg sitzt im Rohre und schneidet sich Pfeifen!" wandte er sich an Klara. „Ein sauberer Verwalter fremden Gutes ist dieser Herr! Geschickter für sein eigenes Interesse hätte er gar nicht disponiren können, als er in letzter Zeit gethan hat!"
Klara bat, Arthur möge sie über den Grund seiner Aufregung aufklären.
„Ein Geschäft, dessen Inhaber am Verscheiden und dessen Erbe fern ist, wird von einem gewissenhaften Verwalter im langsamen Tempo geführt," entgegnen Arthur. „Was aber hat dieser Hermann Klaus gethan, dessen Name so trotzig unter dem Briefe steht? Er hat die Schiffe des Hauses in die
entferntesten Gewässer gesandt; er hat mit Fabrikanten Lieferungskontrakte abgeschlossen, die erst nach Jahresfrist ablaufen; er ist in ein Konsortium eingetreten, das langer Hand den Plan verfolgt, einen Handelsartikel zu monopolisiren — kurz, er hat Alles gethan, was er thun konnte, um eine rasche Liquidation des Geschäftes unmöglich zu machen, und dieß nur, um sein Salair noch recht lange mit Bequemlichkeit ziehen zu können, während ich in New- Aork sitze und nur erfahre, was ich erfahren soll! Vortrefflich ausgedacht, Herr Hermann Klaus! Der Schlaue muß einen hohen Begriff von meiner Gut- müthigkeit haben, wenn er glaubt, daß ich meine Augen schließe, sobald ich ausgeplündert werden soll!"
Klara spielte während dieses heftigen Ergusses mit ihrem Kaffeelöffel und sah vor sich nieder. „Hermann Klaus," nahm sie jetzt das Wort, „hat das unbegrenzte Vertrauen des alten Herrn, Ihres Vaters, genossen. Er ist in. dem Geschäfte groß geworden, das er seit mehreren Jahren fast selbstständig geführt hat. Ob er deßhalb Tadel verdient, wenn er bemüht gewesen ist, die alte Firma auf ihrer bisherigen Höhe zu halten, so lange das Ruder in seiner Hand lag, möchte ich meinestheils bezweifeln, so wenig ich auch im Allgemeinen von diesen Dingen verstehe. Daß aber der Eigennutz das Motiv seiner Handlungsweise gewesen ist," fuhr sie lebhafter fort, „diesen Ihren Verdacht, Herr Vetter, halte ich für durchaus unbegründet. Nach Allem, was ich von Herrn Klaus weiß, denkt derselbe an sich selbst eher zu wenig als zu viel."
Während dieses Plaidoyers Zn Gunsten des Verdächtigen hatte Arthur die schöne Verteidigerin scharf und mißtrauisch angesehen. Nun wandte er den Blick von ihr, lehnte sich zurück und verharrte eine Weile in Schweigen.
„Da Sie so warm für den Prokuristen meines Vaters eintreten, Fräulein Klara," sagte er endlich mit leichtem Spott, „so will ich mein Urtheil über sein Verfahren einstweilen suspendiren. Jedoch werde ich — mit Ihrer Erlaubniß — ihm sofort tele- graphiren, daß er bis zu meiner Ankunft weitere Bemühungen unterlassen möge, mit der alten Firma in seinem Fahrwasser weiter zu segeln. Und dann soll unsere nächste Sorge sein, möglichst bald an dem Orte der Aktion zu erscheinen."
Er ließ den Wirth rufen und erkundigte sich nach Fahrgelegenheit über die Alpen. Der Wirth machte ein bedenkliches Gesicht. Ueber Nacht habe sich der Wind gedreht, sagte er, und in den Bergen braue ein böses Wetter. Ein Wagen sei jederzeit zu haben; indessen halte er es für rathsam, daß Herr Ueberweg warte, bis die Wolken sich ihrer Schneelast entladen hätten, worauf dann in den Pässen der Uebergang sich auf Schlitten verhältnißmäßig bequem bewerkstelligen lasse.
Arthur runzelte die Stirn. „Es bleibt Ihnen," erinnerte der Wirth, „im Nothfalle der Weg über Venedig und Triest. Freilich ist's ein Umweg; aber unter den obwaltenden Witterungsverhältnissen wäre diese Route für das Fräulein ungleich bequemer als die direkte über den Gotthard."
„Nichts von Umwegen!" rief Arthur. „Dem