Heft 
(1885) 49
Seite
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Deutsche Nornan-Sibliothek.

alles das verzehrte Gianetti's Einnahmen während der ersten Zeit; aber die Zukunft sollte ja reiche Ernte bringen.

Gianetti war im Zuge, zu glauben, daß auch sein eigener Stern wieder anfgegangen. Mit der alten Ruhe und Sicherheit machte er wieder seine Kal­kulation ; stundenlang saß er beim Legen der Patience­karten. Er begann auch wieder seine alte Liebhaberei zu treiben, sich mit einer Sammlung von Taschen­uhren zu umgeben, deren Ticktack ihn unterhielt, während er Patience legte; er lag auch wieder bis zum Mittag im Bette wie ehedem in seiner Glücks­zeit, nicht um zu schlafen, sondern um Pläne zu machen, deren Mittelpunkt immer nur Camill war, die wahrscheinlichen Einnahmen in den verschiedenen Städten zu berechnen und so weiter.

Sein Prinzip war es, jede Tournee durch Europa oder Amerika veatre a terre zu machen; so hatte er die einzelnen Künstler geführt, so ganze Gesellschaften vorwärts bewegt ein Napoleon seines Faches, wie er sich gewähnt, bis er sein Waterloo gefunden und sich in die Einsamkeit Zurückgezogen.

Daß ihn die Ueberanstrengung Camill's ge­zwungen, diesem in Wien jetzt eine kurze Ruhe zu gönnen, war ihm eine fast unerträgliche Episode, denn jeder Tag war ein Verlust, und er sehnte sich nach der Ernte.

Heute, als er Camill in seinem Salon erwartete, war er ungewöhnlich erregt. Er maß diesen mit so sonderbarem Ausdruck, wandte ihm den Rücken, um noch einmal durch das Zimmer zu schreiten, und blieb wieder vor ihm stehen.

VraimsM, vous avsr: äa la ellanes!" rief er grotesk mit der Hand im Rockaufschlag.Wär's gerathen, das Publikum hinter unsere Geschästs- coulissen blicken zu lassen, und hätte ich noch Interesse daran, es gebe Gelegenheit zu einer noch nicht da­gewesenen Reklame!"

Camill warf sich verdrossen in einen Sessel.

Ich verstehe Sie nicht!"

Verstand es auch nicht, aber es ist Thatsache... Ein wunderbar schönes Weib! Illlo a äu nerv! Eine Göttin, die vom Olymp gestiegen!"

Weiter! Ich bitte!" Camill wälzte die Stirn in der Hand.

Ich war ein Anfänger, ein Stümper, lieber Camill, als ich das Märchen in die Zeitungen gleiten ließ von der schönen asiatischen Prinzessin, die Ihnen auf Schritt und Tritt folge und Sie mit ihrem Herzen und ihren Geschenken überschütte..."

Eine Abgeschmacktheit, die ich leider zu spät erfuhr!" rief Camill nervös und aufgeregt.

Aber diese asiatische Russin! Alle Frauen recken während des Konzerts die Hälse, um die geheimniß- volle Verschleierte zu suchen, alle blicken den jungen Künstler mit asiatischen Augen an... Es wäre Zeit gewesen, etwas Neues Zu erfinden, und dieß wäre vielleicht noch wirksamer gewesen. Man hätte die Zeitungen erzählen lassen können, ich, Ihr Impresario, habe selbst dieser Versuchung widerstanden."

Gianetti's Nase schwelgte in seiner Dose. Er setzte sich Camill gegenüber, zog aus jeder Tasche eiue goldene Uhr und ließ sie repetiren.

Sie können natürlich keine Idee von dem haben, was mir heut Morgen passirt!" fuhr er mit den Augen zwinkernd fort.Ich selbst verlor meine sonst unstörbare Pose. Um kurz zu sein, lieber Camill, ich habe ein excellentes Geschäft gemacht. Zweimalhunderttausend Gulden hat man für meinen Kontrakt mit Ihnen geboten und ich habe sie an­genommen . . . Das heißt, ich forderte so viel und der Handel ward ohne Feilschen perfekt... Gentil! Höchst gentil! Zu was erfindet man, wenn es noch solche Wahrheiten gibt!"

Ein Diener trat ein und überbrachte Gianetti ein Billet.

Alles in Ordnung! Die Bank in Berlin wird Zahlen!" Schmunzelnd drehte er das Billet in der Hand.Ich kann jetzt saus ka^ou mit Ihnen

sprechen. Hören Sie also zu: Unser Kontrakt ist zerrissen. Die Baronesse von Oppenstein zahlte die Summe für die Uebertragung aller meiner Rechte aus Ihre künstlerischen Leistungen an sie." Er lächelte über eine Bewegung des Unmuths von Camill's Seite.Ich entsage denselben natürlich von heute ab. Aber auch ich glaube, Chance gehabt zu haben; als ich nämlich kürzlich, wie Sie sich er­innern, auf der Reise einen kleinen Umweg machte, um meine unglückliche Schwester einmal wiederzusehen, ließ mich ein glücklicher Zufall einem jungen Mäd­chen begegnen, an dem ich eine vielversprechende Stimme entdeckte, aber noch roh, ganz roh! Ich habe die Idee, sie in Mailand bei Lamperti ans- bilden zu lassen; es ist eine von jenen gesund und kräftig organisirten Stimmen, denen die richtige Spannung der Stimmbänder die Kraft und die Be­schaffenheit von Kehlkopf, Mund und Nasenhöhle die Klangfarbe geben; volle dreieinhalb Oktaven... unfehlbarer Succeß! Und dabei ist das Mädchen hübsch, hat Temperament! Ich glaube mich dießmal nicht zu täuschen, obgleich mir die Weiber schon mehr­mals einen Streich gespielt haben. Mein ehemaliger Diener Sauerbrod, der sich als Schauspieldirektor umhertreibt, begegnete mir gestern; er gab mir die Adresse... Illu8tri88iMo Lignore (lainillo, zu meinem Bedauern entbinde ich Sie also hiemit aller Ihrer Verpflichtungen gegen mich und gratulire Ihnen zu einer so beneidenswerthen Eroberung."

Der kleine Mann erhob sich lächelnd und reichte ihm die Hand.

Seien Sie überzeugt, daß ich mit aufrichtigster Theilnahme den ferneren Triumphen meines Zöglings folgen werde, und bewahren Sie Ihrem alten Freunde Ihr Andenken."

Gianetti, wüßte ich nicht schon Alles, ich würde Ihre Rede für Spott halten! Sie hatten nicht das Recht, ohne meine Einwilligung auf irgend etwas der Art einzugehen! Was soll ich beginnen ohne Sie!" Mit gekreuzten Armen und düsterem Blick stand Camill vor ihm.

Was Sie anfangen sollen? Bei Gott, kein Mann würde so fragen, wenn ihn so schöne Arme erwarten! Irre ich nicht ganz, so sah ich dieses herrliche Weib schon im Auditorium in Nizza, in München, in Berlin! Sie sehen, meine Fabel von der asiatischen Prinzessin war nicht ganz aus der