Heft 
(1885) 49
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

doch plausibel. Als er am Nachmittag Zu Walbeck zurückkehrte, erzählte er es auch diesem.

Walbeck, sehr erfreut, runzelte doch die Stirn, als er von dem Impresario des berühmten Geigers hörte. Er legte den Bleistift hin.

Wie kommt sie zu diesem Menschen!" rief er unwillig, eine Vermittlung durch Bettina vermuthend. Er sah sich an diese erinnert, für die er jeden Ge­danken durch die angestrengteste Arbeit verjagte.

Es war das wohl ein ganz seltsames Begegnen," erklärte Egon.Dieser Herr hat sie nämlich durch Zufall auf der Reise an der kleinen Bühne im Salzkammergut singen gehört und ihr damals schon versprochen sich ihrer anzunehmen; und ebenso seltsamer­weise ist der Mann, den er zu ihr hieher sandte, derselbe davongegangene Schauspieldirektor, der jetzt wohl in Gianetti's Diensten sein mag."

So so!" Walbeck beruhigte das.Sagen Sie Ihrer Schwester, ich lasse ihr Glück wünschen und würde ihr heute Abend am Bahnhof Adieu sagen, wenn sie wirklich reist."

Walbeck hatte an dem Nachmittag keine Ruhe zum Arbeiten mehr. Jener Abend in dem Gebirgs- thal, von welchem ab er sein eheliches Unglück datirte, wollte ihm nicht wieder aus dem Kopf.

Die Stimme der Sängerin, wie sie durch die Stille des Alpenthals schallte, klang ihm wieder im Ohr. Er sah Bettina mit derselben über die Wiesen schreiten und dann ... jene Gewitternacht... Aber auf der Reise nach Wien hatte ihm das Mädchen ein so liebenswerthes, taktvolles Benehmen gezeigt; Lola hatte auch in Wien denselben Takt beobachtet, obgleich ihre Stellung zwischen ihm und seiner Gattin eine so schwierige gewesen.

Ich wünsche ihr alles Glück, denn sie verdient es, die Aermste!" Er ließ die Arbeit ruhen und eilte hinaus.

In der Thür stieß er auf den jungen Majorats­herrn, der säbelklappernd über die Schwelle trat. Er kam von seinen Gütern, wo er sich hatte huldigen lassen, und schüttelte Walbeck herzlich die Hand. Dieser erzählte auch ihm.

O, das ist mir ungeheuer interessant!" rief Oppenstein.Ich gestehe Ihnen, lieber Jobst ich darf Sie doch so nennen, da wir so gute Freunde geworden? daß ich mich um dieses Mädchen mehr Hütte kümmern mögen, als es mir all' die Obliegenheiten gestatteten, die so plötzlich über mich gekommen. Jndeß habe ich doch für Eins gesorgt. Die Schulden ihres Vaters sind bezahlt; es ging so in Einem hin mit den meinigen, obgleich die dieses Goldmann eine imponirende Summe repräsen- tirten. Die meinigen waren übrigens auch sehr an­ständig. Mein Bankier sagte mir soeben, er habe den Gläubigern des Goldmann zwanzig Prozent ab­gehandelt, die Verfolgung solle demnach sofort zurück­genommen werden. Ich hoffte, dem hübschen Mäd­chen die Nachricht selbst bringen zu können."

Das wird am bequemsten geschehen, wenn wir Beide sie am Abend im Bahnhof erwarten."

Vortrefflich! Eigentlich thut es mir leid, daß sie fort geht; aber wenn sie wirklich eine so bild­

same Stimme besitzt... Ich bin ein Theaternarr; ich sagte Ihnen ja: einen Sparren haben wir Alle, wir Oppensteine! Ich denke nun zunächst einen Urlaub zu nehmen und mich dann L lu suito des Regiments stellen zu lassen, denn ich möchte auch viel reisen wie einst mein seliger Vorgänger, aber nicht zur Entdeckung der Huldin, die vor Allen den Preis der Schönheit, Sittsamkeit und Tugend ver­dient. Ich habe nämlich des Verstorbenen Tage­buch unterwegs gelesen; es stehen schnurrige Sachen darin; ich werde nur zu meinem Vergnügen reisen, denn wenn ich einmal heirathe, nehme ich mir ein Mädchen, das mir gefällt, und ist sie von Geburt, so soll's mir am liebsten sein."

Am Abend empfing er Lola, als sie, von den Ihrigen begleitet, im Wartezimmer erschien, mit einem kostbaren Bouquet und sagte ihr in seiner herzlichen Weise die größten Artigkeiten; ihrer Mutter übergab er ein Briefcouvert, das diese, beiseite tretend, mit bangem Herzklopfen öffnete.

Lola," rief sie,und Du, Egon!" Thränen rannen über ihre Wangen.Lesthier! Ich errathe nur!" Sie erfaßte des Dragonerlieutenants Hand und preßte sie, unverständliche Worte sprechend. Lola, Du nimmst die Beruhigung mit auf den Weg, daß unser Name, unsere Ehre gerettet ist; unserem Wohlthäter zu danken, überlaß mir! Und jetzt reise mit Gott, er gewähre uns ein ebenso glück­liches Wiedersehen!"

Oppenstein war froh, als eben die Thür zum Perron geöffnet worden und er hinaus treten konnte. Lola folgte ihm, seine Hand ergreifend.

Ich werde Ihnen ewig, ewig danken!" rief sie. Dann noch einmal die Mutter und den Bruder um­armend, Walbeck mit Thränen Lebewohl sagend ward sie von dem dicken Sauerland empfangen, dei ihren Platz schon bereitet und sie in's Coups hob.

Oppenstein trat noch einmal an das letztere Seine Augen baten um ihre Hand. Sie reichte ihn dieselbe hinaus und er küßte sie.

Nur Courage!" lachte er.Ich werde mic! nach Ihren Fortschritten erkundigen! Italien is ja nicht so weit von hier!"

Als Walbeck am Abend spät seine Wohnum wieder betrat, fand er ein Schreiben vor, dessei Inhalt er betroffen anstarrte. Mit unsicherer Ham legte er es von sich.

So bald!" murmelte er.Aber ich komme Besser jetzt als später! Es ist das Vermächtnr einer ... Todten!"

Treiunddrcissigstes Kapitel.

Camill, als er den Impresario verlassen, war sich in seinem Zimmer in den Sessel und sa minutenlang regungslos, sinnend über seine Lage.

Der Vertrag ist zerrissen! Sie hatte kein Ahnung, daß sie die Stunde herbeiries, die noch s lange ausstand, daß sie so theuer eine Frist zurüä kaufte, die ja unvermeidlich mit jedem Tage, jede Stunde verrinnen mußte! Der heutige Tag i mein! Der morgige soll ihr gehören und der nächß und der übernächste. Sei denn der Becher geleer