Heft 
(1885) 51
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Ziele des Lebens von W. Serger.

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ein achteckiges, wunderliches Ding mit einem Kuppel­dach, vor welchem fünf mächtige steinerne Stufen sich aufbauten. O, wie gut kannte Arthur diesen Pavillon! Hier hatte er in der schönen Jahreszeit gehaust wie in einem Schlosse, das ihm zu eigen gehörte; hier hatte er seine Blumen gepreßt, seine Schmetterlinge auf's Brett gezogen, Zinkbäume wach­sen lassen, Gypsabgüsse von Münzen und Siegeln verfertigt, und zu allerletzt seine Schularbeiten ge­macht. Ach, und hier hatte er später mit den Freun­den gesessen und Pläne geschmiedet zur Befreiung Deutschlands von den Tyrannen, zur Gründung einer Republik, von den Besten des Volkes regiert! När­rische, glückliche Jugend!

Hermann Klaus schreckte Arthur aus seiner Träu­merei auf. Der kleine Mann hatte etwas Verstörtes in feinem Aussehen; die Härchen lagen ihm un­ordentlich um Stirn und Schläfen, der Kravaten- knoten saß schief und der eine Vatermörder hing wie geknickt herab. Als er in Folge einer Aufforderung Arthur's auf einem Stuhl rechts vom Pult Platz genommen, inkommodirte das Licht sichtlich seine Augen. Er bat um Erlaubniß, sich nach der andern Seite hinüber zu setzen, wo er dann, mit dem Rücken gegen das Fenster gekehrt, in sich zusammengesunken, schweigend die Mittheilungen des Chefs erwartete.

Arthur bemerkte recht wohl, daß sich Herr Her­mann Klaus in einem absonderlichen Gemüthszustand befand, hielt sich indessen nicht für berechtigt, Notiz davon zu nehmen. Er erwähnte kurz seines gestrigen Versprechens, die Regelung der geschäftlichen Angelegen­heiten nicht länger aufzuschieben und legte dem Pro­kuristen den Entwurf zu zwei Cirkulären vor. Das erste zeigte das Ableben des bisherigen Firmeninhabers an; das zweite benachrichtigte die Adressaten, daß der einzige Sohn desselben, Herr Arthur Ueberweg, sämmtliche Aktiva und Passiva des Geschäfts über­nommen habe und dasselbe unter unveränderter Firma weiterführen werde. Am Schlüsse hieß es:Unser langjähriger treuer Mitarbeiter, Herr Hermann Klaus, wird nach wie vor per Prokura zeichnen."

Hermann las die Schriftstücke mechanisch durch und legte sie auf Arthur's Pult zurück. Nicht ein Wort hatte er über den Inhalt zu sagen.Da Sie sich jeder Aeußerung enthalten," sagte Arthur be­fremdet,so darf ich wohl annehmen, daß Sie auch mit derjenigen Stellung zufrieden sind, die Ihnen in dem zweiten Cirkulär angewiesen wird."

Ich? Jawohl, ganz zufrieden. Mir ist Alles recht." Dieß kam so melancholisch von den Lippen des Männleins, als ob er seit gestern vom Weltschmerz in der allerschlinunsten Form befallen worden sei.

Arthur sah ihn scharf an.Sind Sie krank, Herr Klaus?" fragte er kurz.

Krank? Nein doch ja, es mag wohl sein, daß ich nicht recht wohl bin ich weiß es selbst nicht

Arthur hielt es für rathsam, sich über seines Prokuristen Gesundheit in keine weitere Erörterung mit demselben einzulassen.Sie können sich schonen," sagte er,sobald ich nach einigen Tagen auf dem Laufenden bin. Lassen Sie also die Cirkuläre drucken. Noch Eins. Lassen Sie doch sofort auf den Namen

von Fräulein Holder" er nannte eine ansehnliche Summebei der Bank deponiren, gegen Buch natürlich, das Sie mir einhändigen wollen. Es ist dieß der Betrag eines Legats, welches mein Vater seiner treuen Pflegerin ausgesetzt hat. Fräulein Holder verläßt uns; sie reist mit dem Mittagszuge nach Berlin; ich wünsche vorher ihr Eigenthum in ihre Hände zu legen."

Hier that Hermann Klaus einen tiefen Seufzer. Herr Ueberweg," begann er mit Anstrengung,thun Sie mir einen Gefallen sagen Sie ihr ich meine Fräulein Holder sagen Sie ihr, ich hätte von diesem Legat nichts gewußt sie soll mich wenigstens nicht für eigennützig halten das würde mich zu sehr schmerzen"

Ich verstehe Sie nicht, Herr Klaus. Was hat sich zwischen Ihnen und Fräulein Holder ereignet?"

Hermann hatte eine Feder vom Pult genommen und probirte, um seine Verlegenheit zu bemänteln, den Spalt derselben auf seinem Daumennagel.Ich kann es Ihnen wohl gestehen," sagte er endlich mit gesenktem Blick.Jeder hat am Ende seine Schwach­heit, der Eine hier, der Andere dort. Bei mir hatte sich die Idee festgesetzt, Fräulein Holder werde eine sehr passende Frau für mich abgeben. Ich habe Rücksichten zu nehmen; meine Mutter, die ich bei mir habe, ist gerade kein Muster von Verträglichkeit

mit allem Respekt sei es gesagt. Eine jede Schwiegertochter würde ihr nicht konvcniren. Mit Fräulein Holder aber kann sie vortrefflich kramen, wie ich das, wenn ich nicht irre, gestern bereits er­wähnt habe. Und, sehen Sie, der schlimme Charakter des Vaters hätte mich nicht genirt; er wohnt ein paar Tagereisen von hier, und wenn er einmal zu­dringlich geworden wäre, so war ich immer Manns genug, ihn mir vom Leibe zu halten. Für das Mädchen wär's eine Versorgung gewesen, besser, wie sie den Verhältnissen nach eine solche erwarten durfte. Das Legat freilich ändert die Sache "

Arthur saß wie auf Kohlen.Bitte, Herr Klaus," mahnte er ungeduldig,kommen Sie zur Sache."

Gestern Nachmittag," fuhr der Prokurist ein­tönig fort, immer noch die Feder betrachtend, gestern Nachmittag theilte mir Mamsell Doris mit, Fräulein Holder werde Knall und Fall ihre Stellung hier im Hanse verlassen. Nun, dacht' ich, sei es hohe Zeit, einen Schluß in der Sache Zu machen. Fräulein Holder war aus, wohin, wußte Niemand genau anzugeben. Da Hab' ich denn draußen in der Nähe des Hauses aus sie gewartet"

Und Sie haben einen Korb erhalten?"

Hermann Klaus nickte traurig.Sie dankte mir für den ehrenvollen Antrag, wie sie als wohlerzogenes Mädchen mußte; aber sie wolle überhaupt nicht hei- rathen, sagte sie. Nun bitt' ich Sie, Herr Ueberweg"

hier legte er die Feder auf's Pult zurück was will sie denn?" Ein neuer Gedanke kam ihm. Vielleicht," forschte er,hat sie von dem Legat gewußt?"

Nicht das Mindeste, Herr Klaus."

So verstehe ein Anderer die Weiber; ich kann es nicht. Da gab's auch kein Hinterthürchen, das sie sich offen ließ, kein Wenn und kein Aber. Mit

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