Heft 
(1885) 51
Seite
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Oie tolle Betty von Hans Wachenhusen.

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er sucht Dich. Er sagt, er beschäftige sich jetzt auch als Manager, nachdem er das Geschäft kennen ge­lernt, leider fehle es ihm noch an den Mitteln und Bekanntschaften eines Gianetti, der sich nicht nobel gegen ihn gezeigt, als Balsado's Tournee zu Ende gewesen. Er sei nach Europa gekommen, um sich irgend einem großen Künstler als Geschäftsführer zu offeriren, da er die Mittel und Wege jetzt kenne, und das Glück sei ihm über alle Erwartung günstig. Es scheint ihm nicht gerade schlecht zu ergehen," setzte er, die Schwester beruhigend hinzu.

Wie soll ich ihn nur... Ob die Mutter schon weiß..."

Er scheint es auf Dich abgesehen zu haben. Er weiß bereits, in welchem Verhältnis Du zu Gianetti stehst; er sagte, er als Vater habe gefragt werden müssen, er billige den Vertrag nicht, den die Mutter mit ihm abgeschlossen, nur durch Zufall habe er davon erfahren, bei seiner Ankunft in Europa hätten ihn Gianetti's Reklamen in den Zeitungen auf die Spur geführt. Nach uns, als seinen Kindern, scheint er wenig zu fragen, aber daß Dir als seiner Tochter eine so glänzende Zukunft winke, erscheint ihm sehr verlockend."

Lola fühlte sich schwer bedrückt durch diese Nachricht.

Ich bin Gianetti so vielen Dank schuldig!" flüsterte sie.Er aber, was will er jetzt, der sich so lange nicht um mich gekümmert."

Gianetti soll einstweilen nichts von seinen Ab­sichten wissen; er will selbst mit ihm sprechen. Du kannst ihn jeden Augenblick erwarten. Du sollst erst in der Matinee austreten, von der er gelesen, und dann will er Gianetti seine Rechte über dem Kopf wegnehmen. Er sehe wieder glänzende Zeiten für sich und die Seinigen kommen, sagte er... Was wirst Du thun, wenn er kommt?"

Ich werde ihm sagen, daß ich ihm gern zu geben bereit, wenn der Himmel mir das Glück ge­währt, das man mir so überschwenglich prophezeit, daß jedoch nichts mich zwingen soll, gegen Gianetti undankbar zu werden .. . Aber laß mich jetzt, Egon! Meine ganze Andacht wird wieder gestört, wenn das so fort geht; ich glaubte wieder Ruhe zu haben."

Egon war kaum gegangen, Lola hatte sich mühselig die Ruhe wieder erkämpft, als ihr gemeldet wurde, es begehre ein ältlicher Herr, der seinen Namen nicht nennen wolle, sie sofort zu sprechen.

Er also! Großer Gott, muß ich mit diesem Gefühl meinen Vater wieder sehen!"

Moritz Goldmann im Winterkostüm, mit dem­selben behäbigen, ruhigen Gesicht, aber ergrautem

Vollbart, erschien lächelnd ans der Schwelle und streckte ihr seine Arme entgegen.

Finde ich endlich meine Lola! Und hier, unter so glänzenden Umständen!" rief er, sie an sich pressend und dann sie von sich schiebend, sie mit Stolz be­trachtend und sie küssend.Wie hätte ich ahnen

können, daß mir der Himmel in Dir ein solches

Prachtmädchen beschieden! Ich hätte mir viel Ver­druß und Ungemach ersparen können, wenn ich nicht so blind gewesen wäre.. . Aber jetzt komm', laß uns plaudern! Egon sah ich bereits. Deiner Mutter

schrieb ich von Havre aus. Du weißt wahrscheinlich

nicht, daß ich drüben als Agent im Dienste Deines Herrn Gianetti gestanden, der mich schließlich mit einem elenden Lohn abgespeist . . . Doch davon später. . . Komm', setze Dich und erzähle mir!"

Lola hatte nie eine wirkliche und warme Kindes­liebe für diesen Mann empfunden, der sich stets um die Seinigen so wenig gekümmert, diese dann herzlos von sich geschüttelt und sie dem Elend preisgegeben; sie wußte, was ihn zu ihr zurückführte. Schweigend, vor sich nieder blickend hatte sie ihn angehört. Was ihm jetzt sagen?

Sie wissen / Vater, was mit mir geschehen," sprach sie verlegen und eintönig.

Oho, Du nennst Deinen Vater schon Sie! Bist Du so vornehm geworden?" Goldmann ließ sich auf das Sopha nieder, betrachtete sie lachend und strich sich den Bart.Ich habe drüben Alles ver­sucht, um mir und euch dort eine angenehme Existenz zu bereiten, aber es wollte nichts gelingen, bis end­lich dieser Gianetti mich auf eine gute Idee brachte. Wir werden keine Noth mehr haben, Kind! Dem Gianetti habe ich alle seine Kniffe abgelauscht; es gibt nichts Einfacheres! Man nimmt einen Künstler, noch besser eine Künstlerin von großem Talent, posaunt ihre Größe in allen Zeitungen aus, läßt sie in allen denkbaren Stellungen und Kostümen photo- graphiren, hängt sie in die Schaufenster aller Kunst­handlungen, interessirt die Zeitungsreporter für sie, erzählt ihnen von ihr die abenteuerlichsten Geschichten, die sie natürlich gleich wieder erzählen, und geht die Kunstreise los, so reist man voraus, oder schickt seine Galopins voraus, die Lokale zu miethen, riesengroße Asfichen an die Mauern zu kleben und den Tamtam zu schlagen. Nur etwas Geld zur Auslage ist nöthig. Dann beginnt aber der Goldregen, die Kritiker, die Enthusiasten kommen gelaufen, um sich der Diva zu Füßen zu legen, sie mit Kränzen und Sträußen, mit Brillanten zu überschütten und so weiter. Ich sage Dir, es ist nichts einfacher als dieses Geschäft, es bringt Tausende über Tausende; und wenn man so ein paar Jahre durch alle Länder und Welttheile gezogen, geht man hin wie Gianetti und kauft sich eine Villa am Lago Maggiore... Ich werde mich allerdings als Dein Karnak und Vater jetzt auch Goldani nennen müssen; aber das kann ich ebensogut, wie Jener sich Gianetti nennt, der von Hause ans nur ein armer ungarischer Jude ist. Signor Goldani, das klingt ganz hübsch; Gianetti versteht es, Namen zu erfinden; er wird überrascht sein, wenn er von dem Impresario Goldani liest!"

Ich bin ihm auf fünf Jahre kontraktlich ver­pflichtet, Vater!" Lola hatte mit steigender Unruhe ihm zngehört.

Paperlapapp! Ist der Kontrakt hier von der Behörde legalisirt?"

So glaube ich mich zu erinnern."

Gilt doch nicht! Deine Mutter hat einseitig nichts Zu bestimmen ohne mich, denn meine Schulden waren schon bezahlt, und Du als unmündig hattest gar kein Wort mitzureden. Aber davon später. Du sollst erst in dieser Matinee auftreten, von der ich las, und dann habe ich mit Gianetti zu thun."

Er erhob sich und strich ihr lächelnd die Wange.