Heft 
(1885) 51
Seite
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Deutsche Noman-Sibtiothek.

Auch Deine Mutter soll's wieder gut haben!" lachte er.Du hast noch immer so krampfhaft Dein Notenblatt in der Hand," schloß er, zum Hut greifend. Ich will Dich heute nicht länger stören, obgleich ich Dich gern einmal singen gehört hätte. Ich verlasse mich darin aber ganz auf Gianetti's Urtheil, der­gleichen versteht er einstweilen noch besser als ich... Also adieu! Sei recht fleißig! Für die Matinee wirst Du mir Billette reserviren, ich komme mit einigen Freunden, und Du sollst uns arbeiten sehen."

Er schlug sich lachend in die Hände und legte ihr diese dann aus die Schulter.

Adieu, mein Kind!" Er küßte sie auf die Stirn. Es macht mich glücklich, so viel Freude an Dir zu erleben! Dem Gianetti brauchst Du einstweilen noch nichts zu sagen; das ist meine Sache. Morgen komme ich wieder, um Dich singen zu hören."

Schweigend ließ Lola Alles über sich ergehen; als er hinaus, stand sie sekundenlang wie betäubt. Sie hatte ihren Vater wieder gesehen, aber er war nur gekommen, um ihren Frieden zu stören!

Fünfzigstes Kapitel.

Am Mittag hatte sich Lola von dem traurigen Wiedersehen erholt und in dem Gedanken Beruhigung gesunden, daß sie bei Egon, im Nothfall auch bei Walbeck und Oppenstein Schutz finden werde; sie saß wieder fleißig am Piano und sang, aber es war keine Stimniung in ihr und das Herz pochte so bange, wenn sie dachte, daß sie in dieser ihr erstes Debüt machen solle.

Gianetti sollte von ihr nichts erfahren, und wenn es galt wer konnte sie zwingen! Tausende und wieder Taufende hatte dieser Mann schon an sie gewendet und wer bürgte ihm selbst heute dafür, daß ihr Erfolg seinen Hoffnungen entspreche.

Sie that ihrer Stimmung Gewalt an; sie wollte in den großen Saal, da es ihr im Zimmer zu eng ward, und da brachte man ihr eine andere Karte, die sie mit neuem Erschrecken anstarrte.

Sie!" flüsterte sie erbleichend.Ich glaubte sie fort!"

Bettina stand bereits vor ihr, den Schleier von dem bleichen, leidenden Antlitz zurückschlagend.

Du! Ich durfte Dich kaum erwarten! Du kommst..."

Und Dir wohl kaum willkommen!" Bettina's Ton klang so unfreundlich, sie schaute Lola nicht an. Ich störte Dich?" Erschöpft ließ sie sich nieder.

Warum immer diese Bitterkeit gegen mich! Allerdings werde ich täglich sehr angestrengt; Gianetti drängte mich Zum Fleiß..."

Bettina schien daraus nicht zu hören; sie war ersichtlich mit sich selbst beschäftigt; ihre halb ver­deckten Augen suchten unruhig umher.

Ich habe etwas mit Dir Zu besprechen; Du mußt mir einige Minuten schenken! Man hört uns hier doch nicht?" Sie erhob sich wieder, zog Lola auf die Causeuse und ergriff unruhig deren Hand.Du wirst sagen, ich wolle immer etwas von Dir, wenn ich komme; fürchte nicht, es ist etwas ganz Anderes. Nicht wahr, Du hast auch gelesen..."

Wenn ich Dich recht verstehe, ja!"

Du warst auch immer meine Unglücksverkünderin!"

Ich meinte es stets nur gut mit Dir ... Sag' offen, was führt Dich zu mir?" Lola fürchtete, sie zu verstehen, seit sie Bettina auf dem Podest der Theatertreppe beobachtet.

Diese suchte mit heftig bewegter Brust nach Worten. Sie preßte Lola's Hand, die sie noch in der ihrigen behalten. Mt erschreckend bleichem Antlitz und geschlossenen Augen sprach sie vor sich hin:

Du hattest Recht, als Du... Aber zu was so viel Worte!" Sie schaute entschlossen in Lola's Augen. Du erräthst ja schon und spottest vielleicht..."

Ich spotten? Ueber was? Ich habe stets die aufrichtigste Theilnahme für Dich gehabt, so lange Du diese begehrtest; und ich bin es sicher nicht allein gewesen, die Dich mahnte und warnte..."

Schweig'! Ich habe erwartet, daß Du so sprechen werdest. Du weißt, ich will dergleichen nicht hören!"

Lola schwieg; sie kannte Bettina's Heftigkeit. Diese sprang wieder ans, schritt an's Fenster, wandte sich ungestüm wieder zurück und trat vor Lola.

Du könntest Alles ... Es würde nur von Deinem Willen abhängen! Du siehst mich in einer Stimmung, die mir unerträglich geworden... Du sahst den jungen Mann, von dem ich Dir erzählte, in der Opernloge bei mir..."

Lola schaute befremdet auf, ohne zu antworten.

Er verfolgt mich seit einem Jahr mit seiner Liebe; ich habe ihm zum hundertsten Male erklärt, daß er keine Hoffnung habe; er ist darauf wie ein Wahnsinniger fortgestürzt, als wolle er sich das Leben nehmen..."

Lola schwieg noch immer.

Ich glaube nicht daran, viel eher bin ich dazu im Stande; Du weißt, was Du mir zutrauen darfst!"

Aber, Bettina, wie Du sprichst!"

Stelle Dich nicht so unwissend! Ich selbst bin toll und wahnsinnig! Ihr Alle, mit euren ewigen Prophezeiungen, seid schuld daran! Ich hätte nie­mals ernstlich an Walbeck wieder gedacht, wenn er mir nicht hier hätte begegnen müssen . .. auch nur durch euch und gerade jetzt... Du liebst ihn, ge­stehe es! Ihr Beide hattet euch damals schon gegen mich verschworen, als wir in Wien ankamen."

Lola erhob sich entrüstet.

Ueberlege Deine Worte, Bettina!" rief sie, vor Unmuth erröthend.Walbeck ist ein edler, guter Mensch, dessen Schicksal mir allerdings wehe that; jede Andere würde dasselbe empfunden haben, hätte sie gesehen, wie unglücklich er stets selbst an Dein Erbarmen appellirt. Es ist sein Glück, daß er so schnell zur Einsicht gekommen und sich getröstet."

Bettina starrte sie an, ihre Hand preßte sich auf das Herz.

Das sprichst Du, die meine Freundin sein will?" rief sie athemlos.Du . .."

Ja, aber um Gottes willen, wie soll ich denn anders sprechen? Du sagtest mir ja selbst schon vor Deiner Verlobung, wenn er der schönste und interessanteste Mann sei, Du könnest und wollest nicht das Geringste für ihn empfinden!"