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Die Muse Fontanes begleitet dann die weitere preußische Geschichte auf ihrer Ruhmesbahn; da finden wir Gedichte auf „Prinz Louis Ferdinand", „Den Tag von Düppel", „Die Garde- musik bei Chlum" und in der neuesten Auflage auch auf „Kaiser Blanchebart", „Jung-Bismarck", „Kaiser Friedrich III." u. a. Von rednerischem Pomp und feierlichem Ton halten sich diese Gedichte fern; das Streben nach frischer Volksthümlichkeit und lebhafter Anschaulichkeit Prägt sich auch in ihnen ans und es findet , sich manch kräftiger Kehrreim: im ganzen aber ist der Ton nicht so herausfordernd keck wie in den Jugendliedern, welche den Helden der preußischen Walhalla galten; es sind häufiger weihevolle Klänge angeschlagen. Neben den zahlreichen Gedichten, die ! mehr geschichtliche Porträts als Schlachtenbilder sind, finden sich auch einzelne, die man echte Balladen nennen kann, wie die schwedische Sage „Der 6. November 1632", eine gespenstige Beleuchtung des Schlachtentags von Lützen.
Die Hauptstoffquelle seiner Balladen war für den Dichter übrigens die englische Geschichte und Volkssage. Nach England führte ihn noch zweimal, in den Jahren 1852 und 1855, seine Reiselust und sein Interesse für englisches und schottisches Leben, für die Geschichte dieser Länder, ihre Kunst und Literatur; er hat mehrere Reiseschriften herausgegeben, in denen er sich über dies alles in fesselnder Weise ausspricht; namentlich aber hat der englisch-schottische Balladenschatz eine große Wirkung auf ihn selbst und seine eigene Dichtweise ausgeübt: eine beträchtliche Zahl dieser Balladen, wie sie im Volksliede oder von englischen Dichtern gestaltet worden sind, hat er frei übersetzt, dabei den Volkston und die knappe Fassung beibehalten und in der durchaus ungezwungenen Wiedergabe große Gewandtheit gezeigt. Er selbst hatte schor früh das Schicksal der schönen Rosamunde in einem lyrisch-epischen Liederkranz besungen; auch „Maria Stuart" machte er zur Heldin von vier Balladen; doch auch sonst wandert seine nicht blutscheue Muse sowohl über die Schlachtfelder, von den Kämpfen der „weißen und rothen Rose" all bis Zu Cromwells Bürgerkriegen, als auch über die Richtstätten; nicht bloß Maria Stuart, auch Sir Edward Jork, Johanna Gray, Sir Walter Raleigh, James Monmouth begleiten wir auf ihrem letzten Gang zum Schafott. Es finden sich in diesen Gedichten viele stimmungsvolle Bilder; eine Perle ist das Lied von James Monmouth:
„Das Leben geliebt und die Krone geküßt
Und den Frauen das Herz gegeben,
Und den letzten Kuß auf das schwarze Gerüst —
Das ist ein Stuart-Leben."
Noch enthalten die Gedichtsammlungen „Lieder und Sprüche"; die Zahl derselben ist nicht allzu groß, und man muß das aufrichtig bedauern; denn in den Liedern ist manches duftig Hingehauchte voll zarter Empfindung und die Sprüche lehren sinn- und maßvoll echte Lebensweisheit und sind von einer wohlgelnngenen Form, so daß sie sich dem Gedächtniß einprägen:
„Du wirst es nie zu Tüchtigem bringen Bei deines Grames Träumerei'»;
Die Thronen lassen nichts gelingen,
Wer schaffen will, muß fröhlich sein.
Wohl Keime wecken mag der Regen,
Der in die Scholle niedcrbricht:
Doch golden Korn und Erntesegcn Reift nur heran bei Sonnenlicht.
Das Glück, kein Reiter wird's erjagen,
Es ist nicht dort, es ist nicht hier;
Lern' überwinden, lern' entsagen,
Und ungeahnt erblüht es dir."
Nach seiner letzten Rückkehr von England nahm Fontane in Berlin seinen dauernden Aufenthalt. Seine Beziehungen zum erbgesessenen Adel der Mark wiesen ihn auf die Geschichte ihrer Stammsitze und seiner heimathlichen Provinz hin; die Anregung dazu aber gab ihm ein Phantasiebild, das seiner Seele vorschwebte, als er über den Levensee in Schottland fuhr und ans einer Insel mitten im See, hinter Eschen und Schwarztannen halbversteckt, die Trümmer von Schloß Lochleven erblickte, aus welchen! einst Maria Stuart geflüchtet war. Da gedachte er plötzlich einer andern Kahnfahrt über den Rheinsberger See, ringsum die Schöpfungen und Erinnerungen einer- großen Zeit: sollten solche Eindrücke verloren gehen? War die märkische Heimath mit ihrer reichen Geschichte nicht ebenfalls der Schilderung und Aufzeichnung Werth? Erfühlte sich dazu berufen und so entstand sein umfangreiches Hauptwerk: „Wanderungen durch die Mark Brandenburg" (4 Bde. 1862—82).
Wenn die Mark Brandenburg in Wilibald Alexis ihren Walter Scott gefunden hat, so besitzt sie in Fontane einen nicht minder poesievollen Erforscher und Darsteller ihrcr Eigenart in Bezug auf Land und Leute. Das Werk von Fontane enthält nicht nur die Chronik der Mark, ihrer hervorragendsten Geschlechter und berühmten Männer, die Geschichte ihrer Städte und Schlösser; auch eine Schilderung ihrer landschaftlichen Schönheiten, die gar nicht so spärlich in dieser „Streusandbüchse des heiligen römischen Reiches" ausgestreut sind, wie man gewöhnlich glaubt. Wie reizend schildert uns Fontane die Müggelsberge, die so unvermuthet und unvermittelt aus dem Flachland aufsteigen wie der todte Rumpf eines fabelhaften Wasserthieres, der hier in sumpfiger Tiefe zurückblieb, als sich- die großen Fluthen der Vorzeit verliefen; wie weiß er alle Reize der Laudschaft hervorzuheben, welche das Bad Freienwalde umgiebt, mit den eine prächtige Aussicht gewährenden Randbergen des Oderbruchs, und gern betreten wir an seiner Hand das große Wald- und Jagdrevier des Werbelliner Forstes mit seinem Murünensee. Wenn er uns das Wustrauer Luch und das Dosse- bruch schildert, so versäumt er nicht, auch eine Geschichte der Bestrebungen zu geben, durch welche Preußens Regenten diese un- wirthlichen Landstrecken der Kultur zu gewinnen suchten. Wo er uns aber über berühmte Schlachtfelder führt, wie diejenigen von Zorndorf und Fehrbellin, da malt er anschaulich das Bild des
Theodor Aontane.
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