Heft 
(1890) 01
Seite
11
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Sinn haben sie Dir nicht wegschaffen können, Du bist ein Trotz­kopf, voll Selbstgerechtigkeit, und glaubst, alles am besten zu wissen. Und nun liest Du auch noch allerlei dumme Blätter, in denen hochmüthige Schulmeister und verlogene Winkeladvokaten ihre Weisheit zu Markte bringen, und redest hier in den Kretschams herum von Freiheit und Republik und dem glücklichen Amerika. Lehnert, Lehnert, dazu bist Dil mir viel zu schade! Sieh, Junge! aus Dir hält' eigentlich was Ordentliches und was ganz Gutes werden müssen, und nun verthust Du Deine Zeit mit schlechter That und schlechtem Wort. Ich lebe nun hier seit Anno 29 und noch zwei Jahre, dann Hab' ich mein Jubiläum und ich darf wohl sagen, ich kenne Euch und weiß, daß Euch allen der Pascher und Wilddieb von Kindheit an im Leibe steckt. Das wird Euch so gleich mit in die Wiege gelegt und so nehmt Jhr's als Euer gutes Recht und wenn Ihr einen Grenzer oder Förster über den Haufen schießt, dann ist es nicht Mord, dann ist es Nothwehr. Ich weiß das alles und find' es traurig genug. Aber ich finde mich darin zurecht, das heißt, mißversteh' mich nicht, ich finde mich darin zurecht, weil ich die schwache menschliche Natur kenne, der es schwer wird, der Versuchung und der Sünde, die heute so ist und morgen so, zu widerstehen. Aber daß Ihr das alles in der Ordnung findet, daß Ihr thut, als ob das Gesetz sich gegen Euch versündige, sieh, das ist das Traurige. Und daß Du die Dummheit mitmachst und auch so sprichst, als ob der Opitz ein Scheusal und eigentlich nicht viel besser als der Gottseibeiuns wäre, das thut mir leid. Und nun sprich und sage was Vernünftiges. Aber erst trink ein Glas Wein mit mir! Es ist heiß und die Zunge klebt einem am Gaumen."

Der Pastor trank auch wirklich eiu Glas; Lehnert aber dankte.

Nun gilt, dann setz' Dich wenigstens. Und dann sage mir, was Du zu sageu hast."

Ach, Herr Prediger, Sie wijseu ja, wie's liegt, uud wissen auch, wir sind nicht so schlimm, ich schon gewiß nicht. Ich war bei den Soldaten und weiß,-was gehorchen heißt, und es ist gar kein vernünftiger Mensch, der gegens Gehorchen ist. Denn das hält alles zusammen. Und so muß auch das Gesetz sein. Aber die Menschen, ja, Herr Pastor, die Menschen, die machen den Unter­schied und wenn die nichts taugen, daun ist es schlimm. Das weiß ich auch noch voll dem Soldaten her und ich darf wohl sagen, und ich Hab' es schriftlich in meinen Attesten, ich war ein guter Soldat. Aber auf die, die den Befehl haben, auf die kommt es an, und was giebt es nicht für Vorgesetzte! Da muß man antreten mit Gepäck und zwei Stunden auf dem Hofe nach­exerzieren, und die Sonne brennt und sticht, und wie man sich quälen mag, der Paradeschritt taugt nichts, die Griffe bleiben falsch und wenn sie noch so richtig wären; immer wieder 'ran, immer wieder vor, und dann einen Stoß unters Kinn uud Verwünschungen ilnd Drohungen, .daß man's wohl noch bis zum Zuchthaus oder bis zum Baugefangeuen bringen würde'. Ja, Herr Pastor, solch ein Unteroffizierund es giebt solche verlangt auch Gehorsam und findet ihn auch, aber wenn's dann Paßt, daun stellt man ihm eiu Bein oder schafft ihn über Eck. Und die, die das thun, die sind nicht gegen Gehorsam und Diseiplin, die find bloß gegen den Unteroffizier. Und was mich angeht, Herr Prediger, ich bin nicht gegen das Gesetz, auch wenn ich's nicht immer halte, ich bin bloß gegen den Opitz, diesen Schuft und Schelm, diesen Saufaus und Menschenschinder."

Siebenhaar lächelte.Da haben wirs wieder, ganz wie ein Puter, wenn er den rothen Lappen sieht. Dil willst Person und Sache trennen. Aber geht das, hast Du ein Recht dazu?"

Ich meine ffa', Herr Pastor. Sie wissen, daß ich zwei Monat drüben in Jauer war, Wien Verbrecher, unter lauter Ge­sindel. Und das verdank ich ihm."

Er hat Dich augezeigt. Das war seine Pflicht."

Er hat mich angezeigt, das war seine Lust. Sv liegt es. Er ist immer lustig dazu, bei jedem; aber doppelt bei mir, denu wir sind alte Feinde, noch voll den Soldaten und vom Kriege her. Ich kenn' ihn, Herr Pastor; er ist ein schlechter Kerl, lind so lang ich denken kann, hat er mich gequält. Er war mein Oberjäger und kein gutes Wort hat er mir je gegönnt. Immer hart, immer roh, und nur wenn's in die Schlacht ging, war er Wien Ohrwurm. Es giebt eben Kugeln, die sich verirren. Und dann, Herr Pastor, wenn er nicht gewesen wär', so hält' ich das Kreuz. Aber er hat dagegen gesprochen. Uud was hat er gesagt? Ich

taugte nichts, ich wäre frech und übermüthig und man könne nicht jedem das Kreuz geben, der ein paarmal aus einem Fenster ge­schossen habe, bei guter Deckung. Wahr und wahrhaftig, .bei guter Deckung', so hat er gesagt, der schlechte Kerl. Und er war gar nicht einmal dabei. Ich will nicht sagen, daß er feig ist, nein, feig ist er nicht, aber ein Neidhammel ist er. Und was dann nachher kam, ich meine das vorige Jahr, nun das weiß der Herr Pastor. Von Unschlitt und Schimmelbrot will ich leben, wenn ich's dem Kerl verzeih, daß er mich belauert und an die Grenzaufseher verrathen hat, und daß sie mich nach Jauer abge liefert haben. Und warum? Um ein Stück Reichenberger Tuch, nicht der Rede Werth! Immer hat er mir den Weg gekreuzt. Hol ihn der Teufel!"

Siebenhaar drohte halb scherzhaft mit dem Finger. Lehnert aber trat an den Alten heran und bat in einem Tone, drin sich Ernst und gute Laune die Wage hielten, um Entschuldigung.

Ich will Dir den .Teufel' zu gute halten, Lehnert, wie- wohlen man ihn nicht anrufen soll. Aber versprich mir dafür,, Friede zu halten. Ich weiß nicht, ob Opitz Dir unrecht gethan bat mit dem Kreuz, aber wenn es auch wäre, Du mußt es vergessen."

Will's versuchen."

Versprichst Du's ernsthaft? Hab' ich Dein Wort?"

Ja! Aber wenn er wieder anfängt ..."

Er wird nicht. Ich werde mit ihm sprechen und Du sollst Bescheid haben. Vielleicht bald. Und dann komm ich selbst."

3.

Während Lehnert dieses Gespräch hatte, schritt der, dem all diese Drohungen galten, heimwärts auf Wolfshau zu, wo seine Försterswvhnung mit der Menzschen Stellmacherei zusammengrenzte. Der nächste Weg nach Haus wäre der unten im Thal, an der Lomnitz hin, immer flußaufwärts, gewesen, er mied ihn aber, weil dieser nähere Weg ohne Wirthshans war und er ernstlich vor­hatte, sich bei einem Glase Bier und einem guten Gespräch von den Anstrengungen der -Siebeuhaarschen Predigt, die wie gewöhn­lich gut, aber etwas lang gewesen war, zu erholen.

So stieg er denn, den Umweg nicht scheuend, die große Straße bergan auf Krummhübel zu, wo er sicher war, in dem prächtig gelegenen WirthshauseZur Schneekoppe" den ersehnten guten Trunk und vor allem auch eine gute, das heißt eine ge fällige Gesellschaft zu finden, die sich's angelegen sein ließ, ihn reden zu lassen und ihn bei jedem dritten WorteHerr Förster" zu nennen. Denn sich umworben und ausgezeichnet zu sehen und Ehre vor den Menschen zu haben, war das, wonach ihm zumeist der Sinn stand.

Sein Hühnerhund Diana, der darauf dressiert war, die Predigt draußen auf einer von der Sonne beschienenen Kiesstelle zu ver schlafen, folgte dicht hinter ihm, ein schönes, schwarz und weiß ge­flecktes Thier. Und keine halbe Stunde, so bog er in Krnmmhübel ein, drin eine sonntägliche Stille herrschte. Links lief ein Wässerchen und schäumte, Hühner und Sperlinge pickten überall umher, wo eine Krippe gestanden hatte, und in der offnen Hausthür lehnten einzelne Dorfbewohner und genossen der SonntagSrnhe.

Gilten Tag, Herr Förster," sagte Gerichtsmann Klose, seine Pfeife respektvoll aus dem Munde nehmend, undGuten Tag, Herr Förster" wiederholte die nebenanwohnende, für gewöhnlich mit ihren Gunstbezeigungen etwas kargende Frau Böhmer den Gerichtsmann Kloseschell Gruß auch ihrerseits und trat aus ihrem Kramladen in die Dorfstraße hinaus, um dem Vorübergehendeil die Hand zu geben, ja, sie schieil ihn sogar anreden zu wollen. Des Försters Haltung aber war so steif und gemessen, daß selbst Frau Böhmer mit ihrer Frage znrückzuhatten für gut fand.

Und nun noch hundert Schritte, so stand unser Förster Opitz vor ExnersSchneekoppe", trat aber nicht über den Schwellsteiu in den Flur, sondern bog gleich daneben in einen voll einem Staketenzann eingefaßten Garten ein, in dem um einen plätschernden Springbrunneil herum vor einer großen Veranda viele Sommer­gäste saßen. Sich diesen zu gesellen, fiel Opitz aber nicht ein, weil er im Vorübergehen herausgehört hatte, daß es Berliner- Waren, also Leute, von deren eigener Eingebildetheit er für die seinige nicht viel zu hoffen hatte. Sv ging er denn lieber auf eine kleine, von wildem Wein umwachsene Holztaube zu, wo