noch niemand saß, und ließ sich hier an einem langen braungestrichenen Eßtisch nieder; unmittelbar an der Wand daneben war ein Klingeldraht angebracht, der nach dem Wirthshause hinüber führte. Diesen zog er. Die Bedienung war aber einigermaßen säumig, was ihn, weil er eine Verkennung seiner Wichtigkeit und Würde darin erblickte, sofort heftig ärgerte. Wirklich, sein ohnehin etwas auf Schlagfluß deutendes Gesicht wurde von Minute zu Minute röther, und erst den Hut vom Kopf nehmend und gleich danach das Sacktuch aus seiner Tasche ziehend, begann er sich in nervöser Unruhe bald mit dem einen bald mit dem andern zu beschäftigen. Endlich kam die Bedienung, eine schöne schwarze Person, von der es hieß, daß sie Kunstreiterin gewesen und als Kind durch fünf Reifen gesprungen sei, was ihr jetzt freilich etwas schwer geworden wäre, und entschuldigte sich, daß der „Herr Förster" so lange habe warten müssen.
„Schon gut, Marie, schon gut."
Und nun bestellte er eine Kulmbacher und ein Schnitzel. „Aber ohne Kapern und Sardellen!"
Die Kulmbacher kam denn auch bald, aber das Schnitzel ließ auf sich warten und in seiner sofort wiederkehrenden Unruhe nahm Opitz diesmal, statt des Sacktuches, ein Notizbuch aus seiner Tasche und begann Einzeichnungen zu machen, die, seiner Miene nach, von besonderer Wichtigkeit sein mußten. In Wahrheit aber
waren es bloß Krikelkrakel, bei deren gedankenloser Hinmalung er, aller Aufregung und Wichtigthuerei zum Trotz, neugierig nach der großen Veranda und den vor derselben stehenden Tischen hinüber sah.
Endlich unterbrach die Marie mit dem Schnitzel diese nervöse Geschäftigkeit, und einige Augenblicke nachher bekam Opitz auch die Gesellschaft, nach der ihn verlangte. Ein Kamerad, der alte Förster von der Annakapelle, sammt Grenzaufseher Kraatz und Lehrer Wonneberger, dessen Schule bei den „Baberhäusern" hoch oben im Gebirge lag, waren in den Exnerschen Garten eingetreten, und Opitz ging ihnen, was eine große Auszeichnung war, drei Schritte entgegen und begrüßte jeden einzeln. Er sei froh, daß sie kämen, denn er Hab' einen ganzen Sack voll Neuigkeiten. Es gehe wieder was vor und der gottvergessene Kerl, der Gambetta, stecke dahinter. „Was meinen Sie, Kraatz? Sie sind ja doch auch ein Mann, der was hört und weiß und mit dabei war."
Während Opitz noch so sprach, hatte man sich's um den Tisch her bequem gemacht. Die Klingel wurde gezogen, eine Bestellung folgte der anderen, und ehe zehn Minuten um waren, hörte man aus der Holzlaube her nichts als Lachen und das Zusammenstößen der Seidel.
Bor der nachbarlichen Veranda aber, wo die Berliner gesessen hatten, war alles still und leer geworden.
(Fortsetzung folgt.)
FLeöer Kekörinkrumenle für Schwerhörige.
Alls Rechte Vorbehalten.
Von Prof. vr.
nter der erschreckend großen Zahl von Schwerhörigen giebt es leider nicht wenige, deren Gebrechen unheilbar ist. Diese schwersten Formen von Taubheit beruhen nieist entweder auf einer durch Verdickungen und Verwachsungen hervorgerufenett verminderten oder aufgehobenen Beweglichkeit derjenigen Theile des Ohres, welche den Schall anfzufangen und durch ihre Schwingungen fortzuleiten haben, oder in Störungen des schallempfindenden, nervösen Ohrabschnittes. Häufig ist die Vernachlässigung eines anfangs geringfügigen Ohrkatarrhs von seiten der Krankett oder ihrer Aerzte schuld an dem Eintreten der schließlich unheilbaren üblen Folgen, in andern Fällen können die sehr oft nachweisbare, verhängnisvolle Vererbung einer Neigung zu Ohrleiden oder der allgemeine Körperzustand, sowie verschiedene Ansteckungskrankheiteu, wie Scharlach, Masern, Typhus, den Ausgangspunkt der Taubheit bilden.
Ein jeder von diesen Unglücklichen, deren Dasein durch eilt so schweres Gebrechet: getrübt wird, hat den Wunsch, die durch die Schwerhörigkeit im geselligen und im geschäftlichen Verkehr entstehenden, nur zu leicht zu völliger Vereinsamung führenden Schwierigkeiten zu hebet: oder doch zu verringert:, und wer selbst in der Nähe des Ohres laut Gesprochenes nicht mehr zu verstehen vermag, sucht meist auch ohne ärztliche Verordnung nach einem Mittel, welches zur verstärkten Wahrnehmung des Schalles dienen kann. Der einfachste Schallfänger, die hinter das äußere Ohr gelegte Hand, genügt in Füllet: von hochgradiger Schwerhörigkeit nicht mehr, denn es wird dadurch nur eine geringe Vergrößerung der für die Gehörthätigkeit ohnehin untergeordneten Ohrmuschel erreicht; der Taube bedarf vielmehr eines von sachkundigem Arzte ausgewählten Hörwerkzeuges.
Solcher Vorrichtungen nun giebt es eine große Zahl in den, verschiedensten Formet:; aber leider findet sich darunter keine, welche etwa der von den Schwerhörige:: so heiß ersehnte:: „Brille für die Ohren" entspräche; denn sie sind alle unvollkommen und leisten bei weitem nicht das, was die Gläser für das Auge bieten. Sind doch auch die Verhältnisse bei beider: Sinnesorganen grundverschieden! Bei Anwettdung der Brille für Kurz- und Weitsichtige sind wir in der Lage, nach physikalische:: Gesetzen Unregelmäßigkeiten in der Lichtbrechung des Auges durch Vorgesetzte Zer- streuungs- oder Sammellinsen aufzuheben, also das wahrzunehmende Bild außerhalb des Auges zu verändern, den: Fehler des Auges anzupassen, während wir der: Ton vorläufig nur insofern beeinflusset: können, als wir ihr: verstärkt den: Ohre zuführen und durch der: nun ausgiebigeren Reiz die verminderte Beweglichkeit der den Schall leitenden Gehörknöchelchen zu überwinden oder durch un-
K. WAMner.
mittelbare mechanische Einwirkung auf die letzteren eine lebhaftere Schwingungsthätigkeit herbeizuführen suchen müssen.
Leider sind auch die Hoffnungen, welche man auf die neueren akustischen Erfindungen, vor allem auf das „Mikrophon"* gesetzt hatte, nicht in Erfüllung gegangen. Bisher ist es'wenigstens nicht gelungen, dieselben für Schwerhörige ruchbar zu machen.
Die schallverstärkenden Apparate sind in: wesentlichen Trichter von verschiedener Größe und verschiedener Form, und zwar ist im allgemeinen die erstere für die Wirkung maßgebender als die letztere. Selter: wird ein Schwerhöriger mit einen: jener kleinen Instrumente, welche sich in: Ohre verbergen lassen, eine erhebliche Gehörverbesserung erzielen, und an diesem Umstande scheitert nur zu häufig die Am Wendung von Hörmaschinen überhaupt; denn es ist ein, zumal beim weiblichen Geschlechte, weitverbreitetes, im Grunde sehr thörichtes, durch eine gewisse Eitelkeit hervorgernfeues Bestreben, die Schwerhörigkeit möglichst zu verheimlichen; wird doch sogar die Empfehlung eines Hörrohrs von seiten eines Ohrenarztes zuweilen als eine beleidigende Zumuthung angesehen.
Betrachten wir die gebräuchlichsten Formen vor: Hörrohren etwas näher!
Die kleinsten Instrumente sind Röhren vor: Silber oder Hartgummi von kreisrunden: oder ovalem Querschnitt, welche an dem eilten Ende eine trichterförmige Erweiterung besitzet:. Dieselben werde:: so tief in de:: Gehörgang eingeschoben, daß das weitere Ende in die Ohrmuschel zu lieget: kommt, und sind daher aller- ! dings nicht auffallend; allein da der geringe Querschnitt des ! Trichters in nur sehr beschränkten! Maße zur Sammlung von Schallwellen geeignet ist, so nützen diese kleinen Röhrchen meist nur in Fället:, in welchen die Schwerhörigkeit durch das Zu sammenfalleu der erschlafften Gehörgangswünde, wie es bei alten Leuten vorkvmmt, bedingt oder vermehrt wird; hier ist dann nicht die Verstärkung des Schalles, sondern die durch das Ein führen des Instrumentes herbeigeführte Oeffnung des Kanals das Wesentliche.
Ein ähnliche, gleichfalls fast völlig zu verbergende kleine Vorrichtung besteht aus Hartgummi und besitzt eine jagdhornförmige Krümmung; auch hier wird der schmälere Theil in den Gehörgang geschoben, der weitere Theil hingegen erhält seinen Platz, mit der Oeffnung nach hinten, in der Ohrmuschel. Der Hauptzweck des Röhrchens ist, die Fläche des den Gehörgang von vorn her klappenartig schließenden, dreieckigen Knorpels zu vergrößern, weil diesen: eine besondere Thätigkeit bei der Zuleitung der Schallwellen
* Eine schnllverstcirkende Verrichtung in den Fernsprechleitnngen.