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unmittelbar dem Gehörgang zugeführt. Einen ähnlichen Zweck hatten auch die „Ohrkissen", welche hinter dem Ohre angebracht wurden, um den Anheftuugswinkel der Ohrmuschel am Schädel zu vergrößern, ein vermehrtes Abstehen des Ohres herbeizu- führeu. Die Apparate dieser Gattung haben nur in vereinzelten Fällen irgend welchen Werth und werden heute kaum noch verordnet, zumal die Schallfänger leicht infolge zu starker Schwingungen Nebengeräusche erzeugen und die bei den Kissen wesentliche Voraussetzung, daß die Schärfe des Gehörs vom Ansatzwinkel der Ohrmuschel abhängig sei, vollkommen irrig ist.
/In neuerer Zeit hingegen hat man mehrfach „feste Schallleiter", meist in Gestalt von Fächern (Audiphon, Dentaphon) empfohlen, welche das Gesetz der Schallfortpflanzung durch die Schädelknochen nutzbar machen. Man glaubte, daß in Fällen, in welchen der Zustand des Trommelfells und der Gehörknöchelchen für eine Leitung des Schalls nicht mehr nilsreicht, wohl aber die Schallwellen noch durch die Kopfknvchen auf das Eentralorgan übertragen werden können, durch eine vermehrte Zuführung von Tonschwingungen zum Schädel eine verstärkte Gehörwahrnehmung zu erzielen sein würde. Leider erweisen sich diese Instrumente, besonders das bekannteste, das Audiphon, ein am Griff in der Hand gehaltener, federnder Fächer von Hartgummi, dessen obere Kante gegen die Schneidezähne gedrückt wird, in der Praxis nur äußerst selten als nutzbringend, wenngleich allerdings durch die Anwendung nicht so leicht Schaden gestiftet werden mag, als durch die Schalltrichter.
Gleichfalls von beschränkter Brauchbarkeit sind solche Apparate, welche durch Uebertragung der Schallwellen unmittelbar anf das Trommelfell zu einer verstärkten Schallwahrnehmung führen sollen. Ein neueres kleines Instrument dieser Art besteht aus einer Gummiplatte, welche in die Ohrmuschel zu liegen kommt und die voll dieser erhaltenen Tonwellen durch rin das Trommelfell berührendes Gummistäbchen auf diese sehr empfindliche Membran überträgt. Die Wirkung für die Hörschärfe ist selten groß, oft aber reizt das kleinesInstrument mechanisch derartig, daß sich seine Anwendung scholl dadurch verbietet.
Nur eigentlich unter einer Voraussetzung kann man durch
zum Heile vielleicht manches schwerhörigen Lesers eines seit einigen Jahren lebhaft betriebenen Schwindels mit sogenannten „künstlichen Ohrtrommeln" gedenken, welche leider nur zu häufig bei den Kranken, welche sie benutzen, Unheil stiften. Bekanntlich versuchen es viele all einer unheilbaren Krankheit Leidende, nachdem sie verschiedene Aerzte ohne den gewünschten Erfolg zu Rathe gezogen haben, schließlich gern mit irgend einem Geheimmittel oder dem Rathe eines Kurpfuschers. Ganz be sonders neigen hierzu die Schwerhörigen, und dieser Umstand hat eine Unmasse von Geheim Mitteln und angeblich sicher wirkenden Apparaten gegen Taubheit gezeitigt, unter anderem auch einen gewissen Nicholson veranlaßt, zum Zwecke des Gelderwerbes das leichtgläubige Publikum durch den Verkauf seiner „künstlichen Ohrtrom meln" auszubeuten, — was den Ertrag betrifft, augenscheinlich mit bestem Erfolge, denn die An frageil voll Krankeil bei den Ohrenärzten in betreff der angepriesenen Wundervorrichtung oder der darauf bezüglichen Schrift mehren sich von Monat zu Monat, umal da die Art und Weise, mit welcher der „Erfinder" des Apparates vorgeht, dazu angethan ist, bei weniger ur theilsfähigen Menschen den Eindruck der Vertrauenswürdigkeit zu erwecken. — Betrachtet man indessen die Schrift, welche mit ihren zum Theil gefälschten (weil auf das längst bekannte „künstliche Trommelfell", nicht aber auf die „künstlichen Ohr trommeln" bezüglichen) Anführungen aus wissenschaftlichen Werken, ihren anatomischen Abbildungen, sacsimilirten Diplo men und Empfehlungsschreiben für die „neue Erfindung" Reklame zu machen bestimmt ist, so findet man, daß es sich um einen Schwindel handelt, und wir halten es für unsere Pflicht, denselben aufzudecken.
Was zunächst das Instrument selbst betrifft, so ist es ein künstliches Trommelfell in veränderter Gestalt; es besteht aus einem durchsichtigen Gummihäutchen, welches mit einer Gold- oder Silberplattirung versehen ist und auf das Trom melfell aufgedrückt wird; als Stiel dient ein Röhrchen von magnetischem Stahl, welches zum Zwecke einer verstärkten nervösen Thätigkeit „die Schallwellen in die Ohrnerven mit geringer magnetischer Kraft entladet"; das Röhrchen trägt überdies an seinem andern Ende eine zweite Scheibe, welche
unmittelbare Belastung des schallleitenden Apparates eine Gehör- AudipHo«. in den Gehörgang zu liegen kommt und den Apparat in der
Verbesserung herbeiführen, und zwar wenn das Trommelfell durchlöchert ist. In diesem Falle läßt sich durch Bedeckung der beschädigten Stelle und einen gleichzeitig ausgeübten sanften Druck auf den stehengebliebenen Theil des Häutchens zuweilen viel helfen. Die Apparate, welche zur Verschließung des Loches benutzt werden, nennt nian gewöhnlich „künstliche Trommelfelle"; sie bestehen aus Gummistoff, Papier, Watte oder ähnlichen leichten Körpern und können bei einiger Uebung von: Kranken selbst je nach Bedarf eingeführt werden. Doch ist ihre Verwendung nur dann gestattet, wenn keine Entzündung, namentlich kein eiteriger Ausfluß im Ohre besteht, und da sie immerhin sowohl die Schleimhaut als auch die Hörnerven nicht selten erheblich reizen, so dürfen sie auch nur tagsüber, zuweilen selbst nur wenige Stunden, getragen werden.
Leider finden sich unter den vielen Tausenden von Personen, welche beschädigte Trommelfelle besitzen, nur verhältnißmäßig wenige, denen das künstliche Trommelfell wirklich gute Dienste leistet. Es rührt das auch hier daher, daß eine Anzahl von hier nicht näher zu erörternden Bedingungeil erfüllt sein muß, wenn die Vorrichtung anwendbar oder nutzbringend sein soll.
Gerade auch das künstliche Trommelfell darf nur auf Verordnung eines in der Ohrenheilkunde bewanderten Arztes in Gebrauch genommen werden, denn kein Instrument kann so schädlich werden wie dieses, weil hierbei nicht allein die oftmals sehr bedeutende Ueberreizung der Hörnerven eintritt, die in vielen Fällen für die Anwendung ein unüberwindliches Hinderniß bietet, sondern auch eine Entzündung der Paukenhöhlen- schleimhaut und des Trommelfells hervorgerufen oder verstärkt und dann eine Zurückhaltung von Eiter herbeigeführt werden kann, welche nicht selten zu tödlichen Folgekrankheiten Veranlassung giebt. Bei Besprechung des „künstlichen Trommelfells" müssen wir
Schaüöecher.
richtigen Lage halten soll. — Daß ein solches Instrument in Füllen, in welchen das natürliche Trommelfell schadhaft ist, von Nutzen sein kann, ist nicht zu bestreiten; aber gerade darin, daß wohl manchen Patienten damit geholfen wird, liegt eine Begünstigung und eine besondere Gefahr des Schwindels; eine Gefahr, weil die Vorrichtung gerade wie das gewöhnliche, von Ohrenärzten schon längst angewandte „künstliche Trommelfell", von dem sie ihre Grundform und den leitenden Gesichtspunkt überhaupt ent lehnt hat, bei der überwiegenden Mehrzahl der Kranken schädlich wirken muß. Die Versicherung des „Erfinders", daß seine „künstlichen Ohrtrommeln" „die Gehörorgane in keiner Weise schädigen" und daß sie „ohne Unbequemlichkeit Tag und Nacht im Ohre getragen werden können", ist daher ebenso unwahr wie die an anderer Stelle zu lesende Behauptung, daß die Erfindung „von den ersten Fachmännern Europas und Amerikas geprüft und als vollkommen unschädlich befunden worden ist."
Was man ferner von der Betheuerung des „Erfinders" zu halten hat, daß er seine „Ohrtrommeln" niemals in Fällen versende, bei welchen seiner Ansicht nach keine Besserung durch Anwendung derselben zu er warten sei, geht zur Genüge aus der Anpreisung hervor, daß, wie er schreibt, sein Instrument „vertrauensvoll als ein sichres Linderungsmittel angewandt werden kann, wenn die Taubheit verursacht wird durch Skrophulose, Katarrh, Brüche, Abscesse, Ausflüsse oder Trockenheit der Ohren, verhärtetes Ohrenschmalz, Wirkung von Chinin, Erkältung des Kopfes, Scharlach, Maseru, Keuchhusten, Kanonenschüsse rc., oder wenn das natürliche Ohrtrommelfell durchbohrt, zerstört (wie wir gesehen haben, die einzige mögliche Vorbedingung für Anwendung des künstlichen Trommelfells!) oder locker ist, oder dw Taubheit eine Folge hohen Alters ist." Es gehört wahrlich-wicht viel