Heft 
(1890) 19
Seite
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Ein einziger Umstand war da, der ihm leichtes Unbehagen ! machte. Vor Peter Paul Rubens'Auferweckung des Lazarus", ! die dem Eingang des Kabinetts gerade gegenüber hing, war eine ^ Malerin mit dem Kopiren der gewaltigen Tafel beschäftigt. Sie ! stand auf einem Tische vor ihrer Staffelei, und wenn sie den Kopf ! ein wenig wandte, mußte sie jeden Winkel des Kabinetts mit- einem einzigen Blick überschauen können. Aber sie war sehr vertieft ^ in ihre Arbeit. Hudetz sah, daß sie mit dem Antlitz des Andreas nicht fertig werden konnte, und in ihrem Bemühen, zu ändern und zu bessern, würde sie gewiß keine besondere Aufmerksamkeit haben für das, was in ihrer Umgebung geschah. Jedenfalls war es !

nothwendig, sie im Auge zu behalten, und das war eine Un­bequemlichkeit, mit welcher er bisher nicht gerechnet hatte.

Doch es gab nichts, das ihn in seiner gegenwärtigen rosigen und zuversichtlichen Stimmung ganz und gar hätte entmnthigen können. Er war von dem Gelingen seines Vorhabens so fest überzeugt, als wären da nicht die geringsten Schwierigkeiten zn überwinden gewesen. Nur den rechten Zeitpunkt mußte er ab- warten weiter nichts, und wo ein solcher Preis zn gewinnen war. da fiel das Opfer einer Viertelstunde doch wahrlich nicht ins Gewicht!

(Fortsetzung folgt.)

Deutsche Städtebitder.

MLrv;Urrr?g.

Von MciX KxrusHofev. Mit Zeichnungen von Wichcr^d WütLneut

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Würzöurg von den Steinvergen aus gesehen.

in schlauer Gesell ist er, der Mainstrom. Weil ihm die bösen Menschen, welche die Landkarten zeichnen, einen so gar kurzen Spielraum gelassen haben von seinen Quellen am Fichtelgebirge bis zum Altvater Rhein, macht er, um sich sein Dasein künstlich zu verlängern, die allerverwegensten Windungen, bis er endlich doch einsieht, daß er bei Mainz in den Rhein gehört. Am Main­strome nun liegt das altehrwürdige Würzburg. Der Fluß ist hier scholl recht stattlich; trügt er doch vvu Mainz bis Bamberg auf­wärts Schiffe mit zweitausend Centnern Ladung. So kann man denn von der alten Würzburger Mainbrücke aus eine kleine Flotte bemasteter Schiffe betrachten, die hier vor Anker liegt; ab und zu gleitet auch ein Fahrzeug unter den altersgrauen Bogen der Brücke durch. Der Fluß ist zu seinen mächtigen Krümmungen genöthigt durch'seinen Lauf, welcher das mitteldeutsche Berg- und Hügel­land durchbricht. Die waldigen Höhen des Rhöngebirgs, des Spessarts und des Steigerwaldes senden ihre Ausläufer sich ent­gegen; durch dieselben mußte der Strom den Weg sich bahnen.

Landschaftlich gehört Würzburg zu den schönstell deutschen Städten. Man kann auf der alten Mainbrücke stehen und strom­auf oder stromab schauen; die Festung Marienberg oben auf ihrem Felshügel, die graue Stadt mit ihrem prächtigen Dome, die rebenbewachsenen Stromufer und die fernen blauduftigen Höhen­züge : alles ist anmuthig und Gedanken weckend, ein reiches altes Stüdtebild.

Würzburg ist die Hauptstadt des alten Franken, der Punkt, wo fränlische Bevölkerung und fränkisches Leben am erkennbarsten dem Beschauer entgegentreten. Wer die Umgebung der Stadt durchwandert, gewinnt bald seine Anschauung vom fränkischen Volk. Die Leute sind von mittlerer Körpergröße, eher schlank als gedrungen, die Gesichter nicht überwältigend schön, aber llug und verständig. Die Mädchen sind hübsch; man sieht hier viele Mariengesichtchen", deren eigenthümliche fromme Schönheit ein älterer Beobachter der fleißigen Anschauung der Marienbilder in

den Kirchen zuschrieb. Darum sagt auch ein alter Würzburger Spruch:

Maria, Dich liebt Würzburg sehr,

Wo thut eine Stadt dergleichen mehr?

In Würzburg an fo manchem Haus Sieht ein Marienbild heraus."

Ohne Zweifel ist es dieser lebhafte Marienkultus, der unfern Künstler veranlaßte, unter den Heiligenbildern, welche die alte Mainbrücke zieren, gerade das Standbild der Gottesmutter auf derselben noch zu einer besonderen Darstellung zu wühlen.

Der Würzburger ist wie alle Unterfranken mit Ausnahme der armen und verkümmerten Bewohner des Spessarts und der Rhön heiter und lebensfroh, ein richtiger Weinländer. Würz­burg geht ihm über alles. Er schaut herab auf den etwas schwer­fälligeren Südbayern; aber auch auf den Rheinsranken, von dem er sagt:

Wir guten Franken,

Wir loben und danken,

Daß wir nicht sein

Wie die Groben am Rhein!"

Dabei sind die Würzburger, da die Stadt und ihre Um­gebung Jahrhunderte lang unter bischöflicher Herrschaft stand, streng katholisch. Seit dem Anfänge des neunzehnten Jahrhun­derts freilich ist der ausgleichende Zug, welcher in allen deutschen Städten an die Stelle früherer konfessioneller Einseitigkeit getreten ist, auch über Würzburg gekommen. Der jetzige bayerische Regie­rungsbezirk Unterfrauken, dessen Hauptstadt Würzburg ist, enthält ja auch einzelne ganz Protestantische Bezirke; so konnte die Pro­vinzialhauptstadt mit ihren 55000 Einwohnern nicht ausschließlich katholisch bleiben. Der gewerbtreibende Bürgerstand von Würz­burg scheint immer fleißig und thätig gewesen zu sein, aber neben seinem städtischen Gewerb nicht ungern etwas Weinbau in der Nachbarschaft getrieben zu haben. Eine eigentliche Industrie aber