Heft 
(1890) 19
Seite
316
Einzelbild herunterladen

316

entwickelte sich erst in: Laufe dieses Jahrhunderts; denn so lange die Stadt unter fürstbischöflicher Herrschaft stand, wurde das er­sparte Kapital mehr zur Gründung und Bereicherung geistlicher Orden, Stiftungen und Pfründen als zur Gründung und Er­weiterung wirthschaftlicher Unternehmungen verwendet.

Das meiste hat zur Beseitigung provinzieller Beschränktheit jedenfalls die blühende Universität Würzburg beigetragen. Schon lange, ehe die Eisenbahnlinien und die Niederlegung der Festungs­werke nach dem 1866er Kriege der Stadt betriebsames Handels- und Gewerbsleben aus allen Theilen Deutschlands zuführten, war es die Universität, die einen regen Erguß von geistigem Leben in die städtische Bevölkerung vermittelte.

Sehen wir uns aber die Stadt etwas näher an: sie liegt, wie erwähnt, zu beiden Seiten des Mainstroms, da wo derselbe, nachdem er von derSchweinfnrth" bis zu derOchsenfurth" eine beträchtliche Strecke von Norden, nach Süden geflossen ist, sich wiederum nordwärts gewandt hat. Der größere und wich­tigere Theil der Stadt, flacher gelegen, befindet sich auf dem rechten, östlichen Stromufer; der kleinere Stadttheil steigt die höheren westlichen Ufer hinan, zur Feste Marienberg. Den an­schaulichsten Ueberblick über die ganze Lage und die Umgebung der Stadt gewinnt man theils von der alten Mainbrücke aus, theils von den nördlich der Stadt, hart am Main gelegenen Stein­bergen. Diese Berghöhen, an deren Gehängen der köstliche Stein­wein wächst, gewähren einen entzückenden Ausblick über das Mainthal, über die ganze Stadt Würzburg und die fernen Höhen­züge des Maingaues. Unser Künstler hat diesen Ausblick in höchst stimmungsvoller Zeichnung (S. 315) wiedergegeben. Ebenso groß­artig aber ist der Ueberblick von dem südlich an den Festungsberg sich anschließenden Nikolausberge. Dort erhebt sich dasKäppele", eine Wallfahrtskirche, zu welcher breite Steintreppen hinanführen. Auch diesen Aussichtspunkt findet der Leser unter unseren Zeich­nungen, oben auf dem Doppelbilde. Am Abhange des Festungs­berges, Welcher mit seinem gethürmten Schlosse den eigentlichen Mittelpunkt der Stadt bildet, wächst der berühmte Leistenwein. Die alte Feste selbst ist jetzt Kaserne.

Und nun wenden wir uns von diesen Aussichtspunkten herab in das Stromthal! Die eigentliche Stadt, auf dem der Festung gegenüberliegenden Mainufer, ist im ununterbrochenen Halbkreise von reizenden neuen Parkanlagen umgeben. Sie hat einige schöne neue Straßen mit prächtigen Privatbauten und öffentlichen An­stalten: die Ringstraßen, die Ludwigstraße, den Kaiserplatz. Charakteristischer aber für Würzburg sind die alten Straßen, in deren Bauten sich die verflossenen Jahrhunderte spiegeln. So namentlich die Domstraße, deren malerische Durchsicht (S. 309) unserem Zeichner Gelegenheit bot, zu zeigen, wie es im alten bischöflichen Würzbnrg aussieht.

Ein gründlicher Kenner Würzburgs behauptet, daß wie sich solches ja für eine geistliche Stadt schickt schon die Bau­werke, das bischöfliche Schloß sowohl, als die alten Domherrenhöfe, deutlich zeigen, daß die großen Herren hier im Cölibat lebten. Es wohnt trotz freier sonniger Lage in diesen Bauten eine gewisse kalte, einsame, klösterliche Pracht, in ihrer äußeren Erscheinung wie in den weiten öden Jnnenräumen; man merkt es, daß diese Häuser nicht für Frauen, nicht für Familien gebaut sind. Noch

mehr offenbart sich freilich diese dunkle massive Pracht in den hochgethürmten mächtigen Kir- chenbanten, die alten priester- lichen Residenz­städten so scharf ausgeprägte Profile verlei­hen. Würz- burg hat schöne Kirchen aus der Zeit des roma­nischen Stils. Großartig ist na­mentlich die drei-

schiffige Domkirche mit ihren vier schlanken Thürmen; sie ward um die Mitte des elften Jahrhunderts begonnen, hundert Jahre später- vollendet, später in gothischem und dann in zopfigem Sinne umge­staltet. Aehnlich erscheint die hart nebenanstehende Neumünster-Kirche, in späterer Zeit sehr verunstaltet. In einem kleinen grasbewachsenen Friedhofe neben dieser Kirche ist das Grab des edelsten deutschen Minnesängers, Walthers von der Vogelweide. Statt des un­scheinbaren Steines, der einst die Ruhestätte des Dichters bezeichnet^ hat ihm die Nachwelt nunmehr ein schönes, mit bildnerischem Schmucke versehenes Grabmal gewidmet. Unsere Leser finden dasselbe an der unteren Seite des Doppelbildes. Auf letzterem zeigt sich auch der mächtige Kuppelbau der Stifthauger-Kirche. Uralt ist die Kirche von St. Burkard und die durch seltsame Thiergestalten an den Säulenkapitälen ausgezeichnete Schottenkirche. In ersterer befinden sich prachtvolle Holzschnitzereien (Chorstühle) aus spat- gothischer Zeit, in letzterer nennenswerthe Wandmalereien. Ein berühmtes Bauwerk ist auch die gothische Marienkirche, deren Ban 1377 an Stelle einer bei Gelegenheit einer Judenverfolgung zu Grunde gegangenen Synagoge in Angriff genommen ward. Ein ganzes Jahrhundert aber währte es, bis der prachtvolle Ban vollendet werden konnte, zu dessen Kosten die Frauen ihre Schleier und Prachtgewänder, die Ritter Sporen und Rosse opferten. Damals galt die Würzburger Bauhütte als eine der besten Schulen der Steinmetzenkunst.

Zwischen diesen altehrwürdigen Kirchen, die von der Frömmig­keit und Kunst des Mittelalters Zeugniß geben, finden wir dann wieder jene Prachtbauten der Renaissance, welche der kunstsinnige Bischof Julius Echter von Mespelbruun ins Leben rief. Ihre vollendetste Zierde ist das 1584 vollendete Universitätsgebäude, großartig und edel in seiner aus antikem und gothischem Stile ge­mischten Erscheinung. Ihm ist die Neubaukirche angefügt, ein durchaus eigenartiges, in seinem Inneren als mächtiger Hallenbail imponirendes Bauwerk. Auch die Klöster der Karmeliter, der Minoriten und der Kapuziner rühren von demselben fürstlichen Erbauer her. Von seinem bedeutendsten Bauwerke, dem groß­artigen Juliusspital, sind nur das Portal und einige Galerien in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben; das übrige gehört einer viel späteren Zeit an. In der Allee vor dem Julius- spitale, welches auf unserem Doppelbilde oben erscheint, steht auch die Statue des Bischofs selbst, welche unser Künstler auch noch auf dem Bilde der Seite 317 als Wahrzeichen Würzburgs neben der alten Mainbrücke und der Feste Marienberg angebracht hat.

Fast in allen Straßen finden sich auch noch Bauten aus der Rokokozeit. So die prachtreiche Schönbornkapelle am Dome; das Stukkaturgewand des Domes selbst; dann vor allem die Würzburger Residenz, die neben einer Menge von Sälen und Zimmern (angeblich 300) nicht weniger als 24 Küchen enthält. Der schöne Hofgarten hinter der Residenz, von welchem unser Zeichner ans dem Twppelbilde eine kleine Ansicht giebt, enthält als Werth vollste Merkwürdigkeit Thorgitter von unübertroffener Schmiedearbeit.

Dem Rokokostile gehören auch die Karmeliterkirche und das Jesuitenkollegium sammt Kirche an, ferner der Bischofshof, der Petershof, das deutsche Haus und manche andere Paläste der Dom- und Stiftsherren.