Heft 
(1890) 19
Seite
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(Fortsetzung.)

m Hause des preußischen Gesandten rüstete man sich für die bevorstehenden Winterfestlichkeiten. Als Wallmoden im Früh­jahr seine jetzige Stellung antrat, zerstreute der nahende Sommer die Gesellschaft bereits nach allen Richtungen, und gleich darauf trat die Familientrauer ein, die vollends keine Geselligkeit erlaubte. Diese Gründe fielen nunmehr weg. Die zahlreichen Raume, die im Gesandtschaftspalaste zur Verfügung standen, waren mit einer Pracht eingerichtet worden, wie sie Herberts dnrch seine Heirath so glänzend gewordenen Verhältnisse erlaubten, und es lag auch durchaus in seinen Wünschen und Absichten, ein möglichst glänzendes Haus zu machen. In der nächsten Woche sollte der erste große Empfang stattfinden, und inzwischen wurden zahlreiche Besuche gemacht und angenommen.

Der Gesandte war auch amtlich sehr stark beschäftigt, und überdies gab es noch etwas, was ihm die Laune gründlich ver­darb der Erfolg derArivana". Wenn er schon früher Be­denken getragen hatte, Rojanvw offen entgegenzutreten, so war dies jetzt beinahe unmöglich geworden. Mur hatte denAben­teurer" ja förmlich auf den Schild gehoben und feierte überall seinen Dichtergeist. Jetzt gerade durften der Hof und die Ge­sellschaft nicht gezwungen werden, ihn fallen zu lassen, wollte man nicht sie selbst einer förmlichen Beschämung aussetzen, und es war noch die Frage, ob sie ihn überhaupt fallen lassen würden, da es sich doch nur um Winke und Andeutungen handeln konnte. Jener Erfolg hatte Hartmut irr der That fast unangreifbar gemacht.

Ilm die Lage des Gesandten vollends peinlich zu machen, stand nun auch noch die Ankunft Falkenrieds bevor, dem man die Wahrheit doch nicht verhehlen konnte und durste, wenn er­ste nicht von anderer Seite erfahren sollte. Der Oberst, von bestell Reise noch nicht das Geringste verlautete, als Wallmoden ihn kürzlich in Berlin gesehen hatte, wurde in diesen Tagen er­wartet und sollte iil der Gesandtschaft selbst absteigen, da er auch für Adelheid kein Fremder war; sie und ihr Bruder waren ja gewissermaßen unter seinen Augen aufgewachsen.

Als vor zehn Jahren der damalige Major Falkenried in die Provinz versetzt wurde, hatte er ein Kommando in der kleinen Stadt erhalten, die in unmittelbarer Nähe der großen Stahlberg- schen Jndustriewerke lag und in ihrem Handel und Wandel gänz­lich von denselben abhängig war. Der neue Major galt zwar für einen tüchtigen Soldaten, aber auch für eineil ausgemachteil Menschenfeind, der sich nur im Dienste allein wohl fühlte, seine ganze übrige Zeit mit militärischen Studien ausfüllte und alles haßte, was Gesellschaft und Geselligkeit hieß. Da er allein stand, so fiel für ihn die Nothwendigkeit weg, ein Haus zu machen, und im übrigeil verkehrte er nur da, wo die Rücksicht auf seine Stel­lung es unabweisbar verlangte.

Dem großeil Industriellen gegenüber, der die ganze Um­gegend beherrschte und die ersten Persönlichkeiten als seine Gäste empfing, mußte eine solche Rücksicht nun allerdings genommen werden, und Stahlberg war denn auch der einzige gewesen, dem der vereinsamte Mann nähergetreten war. Wenn die starre, finstere Unzugänglichkeit des Majors auch eine eigentliche Freund­schaft ausschloß, so hegten die beiden Männer doch die unbe­dingteste Hochachtung vor einander, und das Stahlbergsche Haus war der einzige Ort, wo Falkenried öfter und freiwillig erschien. Er hatte jahrelang dort verkehrt, hatte die beiden Kinder heran­wachsen sehen, und deshalb nahm es ihm Wallmoden auch ernst­lich übel, daß er nicht zu der Vermählungsfeier kam, sondern sich mit dienstlicher Verhinderung entschuldigte, als sein Jugendfreund eine Tochter dieses Hauses heimführte. Adelheid selbst wußte wenig oder nichts von den Lebensschicksalen des Oberstell. Sie hielt ihll für kinderlos und hatte nur von ihrem Gatten erfahren, daß er früh geheirathet, sich aber nach einigen Jahren von seiner Frau getrennt habe und jetzt bereits Witwer sei.

Es war etwa acht Tage nach der Rückkehr des Wallmoden- schen Ehepaares, um die Mittagsstunde, als der jungen Frau, die in ihrem Zimmer am Schreibtisch saß, die Ankunft Falkenrieds gemeldet wurde. Sie erhob sich rasch, warf die Feder hin und eilte dem Eintretenden entgegen.

Herzlich willkommen, Herr Oberst! Wir haben Ihre

G. Mevnev.

Depesche rechtzeitig erhalten, und Herbert beabsichtigte auch, Sie auf dem Bahnhofe zu empfangen, er hat aber gerade in dieser Stunde eine Audienz bei dem Herzog und ist noch im Schlosse; so konnten wir Ihnen nur den Wagen schicken."

Ihre Begrüßung hatte die Vertraulichkeit, die ein alter Freund ihres Vaterhauses wohl beanspruchen durfte, der Gruß Falkenrieds dagegen war zwar nicht fremd, aber es lag doch keine Herzlichkeit darin. Kalt lind ernst nahm er die dargebotene Hand ulld folgte der Aufforderung, Platz zu nehmen, während er gleich gültig sagte:Null, wir werden uns ja sehen, wenn Wallmvden zurückkommt."

Der Oberst hatte sich allerdings sehr verändert, so sehr, daß er kaum wiederzuerkennen war. Wäre nicht die hohe, markige Gestalt, die kraftvolle Haltung gewesen, so hätte mail ihn für einen Greis halten können. Das Haar des kaum zweinndfünfzig jährigen Mannes war schneeweiß, die Stirn tief durchfurcht, und tiefe, scharfe Linien gruben sich in das Antlitz und ließen es um zehil Jahre älter erscheinen. Die einst so ausdrucksvollen Züge hatten etwas Starres, Unbewegliches angenommen, und Haltung und Auftreten zeigten eine finstere, undurchdringliche Verschlossen heit. Regines Ausspruch:Der Mann ist wie zu Stein ge­worden!" war nur zu richtig. Mall empfing unwillkürlich den Eindruck, als sei er der Welt und den Menschen völlig fremd geworden, abgestorben für alles, was sie bewegt, die Pflichten seilles Berufes ausgenommen.

Ich habe Sie wohl gestört, Ada?" fragte er, den alten Namen des Vaterhauses gebrauchend, all den er gewöhnt war, ulld dabei warf er einen Blick nach dem Schreibtische, wo ein halb vollendeter Brief lag.

O, das hat Zeit," sagte die junge Frau abwehrend.Ich . schrieb nur all Eugen."

Ach so! Ich bringe Ihnen einen Gruß von dem Bruder mit, er war vorgestern bei mir."

Ich weiß, er wollte nach Berlin und beabsichtigte, Sie dort aufzusuchen. Er hat Sie ja beinahe zwei Jahre lang nicht ge­sehen, ulld auch ich sah Sie nur flüchtig bei unserer Durchreise. Wir hofften, Sie würden nach Burgsdorf kommen, wo wir einige Tage verweilten, und ich glaube, es hat Rechne sehr gekränkt, daß Sie auch diesmal nicht ihrer Einladung folgten."

Der Oberst sah finster vor sich nieder, er wußte am besten, weshalb er Burgsdorf mit seinen Erinnerungen mied. Er hatte es seit seiner Rückkehr in die Hauptstadt kaum zweimal betreten.

Regille weiß es ja, wie sehr ich mit meiner Zeit geizell muß," versetzte er ausweichend.Aber um auf Ihren Bruder zurückzukommen, Ada ich möchte da etwas mit Ihnen besprecheil, und deshalb ist es mir lieb, daß ich Sie allein finde. Was liegt eigentlich zwischen Eugen und seinem Schwager? Ist da etwas vorgefallen?"

Jll dem Gesichte Adelheids zeigte sich eine gewisse Verlegen­heit bei der Frage, aber sie sagte leichthin:Nichts Besonderes, die beiden stehen überhaupt nicht gut miteinander."

Stehen nicht gut? Wallmoden ist beinahe vierzig Jahre älter und überdies der Vormund Ihres Bruders, der erst in ein paar Jahren mündig wird. Da hat der Jüngere unbedingt nachzugeben."

Gewiß, aber Eugen ist, wenn auch herzensgut, doch nur zu oft leidenschaftlich und unbesonnen, wie er das schon als Knabe gewesen ist."

Leider! Er wird sich noch sehr ändern müssen, wenn er die bedeutende und verantwvrtnngsreiche Stellung, die seiuer wartet, nur annähernd so ausfüllen will, wie sein Vater es that. Doch hier scheint es sich um etwas anderes zu handeln. Ich machte eine ganz einfache Bemerkung über Ihre Heirath, Ada die mich, wie ich offen gestehe, ein wenig überrascht hat, so sehr ich auch nlit Ihrem Gatten befreundet bin und äußerte, ich hätte Ihnen nicht so viel Ehrgeiz zugetraut. Da fuhr Eugen auf und vertheidigte Sie in der leidenschaftlichstell Weise, sprach von einem Opfer, das seine Schwester ihm gebracht habe, und ließ sich überhaupt zu Worten und Andeutungen Hinreißen, die mich im höchsten Grade befremdeten."

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I L a in in e n z e i ch e n.

Nomall von