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Aas Kleinod des Iichlelgebirges.
Eine Erinnerung an das Bergfestspiel auf der Luisenburg bei Wunfredel. Mit Zeichnungen von H. Gerkach.
^L m Herzen des Fich- telgebirges liegt ein Städtchen, dessen Namen in den letzten Tagen öfter genannt wurde als sonst vielleicht in Jahren. Der gebildete Deutsche kennt es allenfalls als Geburtsort unseres größten Humoristen. „Ich bin gerne in dir geboren, du kleine aber lichte Stadt," sagtJean Paul einmal von seinem Wunsiedel, und er wiederholt: „Ich bin gerne in dir geboren, Städtchen am langen, hohen, hohen Gebirge, dessen Gipfel wie Adlerhäupter zu uns niedersehen! Deinen Bergthron hast du verschö-
Der Dichter und Regisseur. I^rt durch die Berg
stufen zu chm." — Der
„Bergthron" Wunsiedels aber ist die Luisenburg, die sich in dunklem Fichtengewande unmittelbar hinter dem Städtchen in nordwestlicher Richtung erhebt.
Dieser Granitberg ist das herrlichste Kleinod des Fichtelgebirges, ja man darf kühn behaupten, der deutschen Mittelgebirge überhaupt; er steigt vor uns in schönen Linien auf, aber wir nehmen nichts Besonderes an ihm wahr, nur ein geheimnißvolles Weben wie von Geistern der Sage scheint über seinem düsteren Grün zu walten. Da trittst du in sein Waldesdunkel, und eine Welt von Wundern thut sich vor deinen: staunenden Auge auf! Ein gewaltiges Felsenchaos, so wild, so wirr, daß es aller Beschreibung spottet, bannt plötzlich deinen Blick! Kein Geringerer als der große Goethe schrieb in seinem 71. Jahre von der Lnisenburg, daß ihm „dessengleichen auf allen Wanderungen" — und er war viel und weit gewandert — „niemals wieder Vvrge- kommen." Immer neue Wunder, immer neue Reize begegnen dir, wenn du nun. weiter vordringst: da blickt aus einer dunkeln Felsengrotte gleißend Gold hervor — du wähnst, es sei ein Traum, und blickst nochmals genauer hin; und siehe, es ist wirklich so: hell leuchtet Goldes- schimmer! Unwillkürlich denkt man an das Wort Mephistos im Faust:
„Herr Mammon selbst erleuchtet den Palast."
Der nüchterne Naturforscher jedoch weiß dir zu erklären, daß dieses goldige Leuchten herrührt von den perlschnurartig aneinandergereihten wasserklaren Zellen des Goldmooses, des zierlichsten aller Moospflänzchen, dem die Fähigkeit zukommt, das Tageslicht in so merkwürdigem Goldglanze zurückzustrahlen. Ueberhaupt findet sich die kleine Welt der Moose in entzückender Mannigfaltigkeit und Schönheit auf den Felsblöcken der Lnisenburg. Das ehrwürdige Urgestein ist überall mit wunderbaren Teppichen belegt, auf deren smaragdenem XXXVIII- Nr. 34.
z Grunde hellgraue, tief braunschwarze, ja zuweilen lebhaft rothe ^ Farben, alle von Moosarten herrührend, eingewebt sind. Die ! „Moosgrube" nennt sich auch ein schöner Felsengang, der auf ! unserer Abbildung (S. 574) sich zeigt.
! Doch wir können nicht alle Herrlichkeiten unseres Berges aufzählen, es würde Seiten füllen, wenn wir auch nur die ausgezeichnetsten Stellen namhaft machen wollten. „Eine Beschreibung der Luisenburg, die einen klaren Begriff von diesem in seiner Art einzigen Felsenhaine gäbe, ist selbst für den begabtesten Stilisten eine Sache der Unmöglichkeit", so urtheilt schon Ludwig Storch, der im Jahre 1860 dieLuiseuburg iür die „Gartenlaube" schilderte. Wir wollen heute noch einen Bück auf die Geschichte dieser Berg wildniß werfen!
Uralt wie sein Gestein ist der Ursprung der Sagen des Berges. Sind ja überhaupt „in dem Innern des Fichtelgebirges die geheimen Sagenbehälter wie die Wasserkammern, von denen aus das Land im Norden und Osten, im Süden und Westen gesättigt wird". Salomo und Karl der Große, der Heiland und der Teufel, alle sollen sie hier gewesen sein. Da finden wir „Druidenschüsseln" wie auf dem „Kreuz", eiuem der höchsten Punkte der Luisenburg, — der Volksmund nennt hier diese rundlichen Vertiefungen in den Felsenflächen „Teufels Rasierschüsseln"; von Kobolden, Nymphen, Walen (goldsuchenden und goldmachendeu Dämonen) geben noch Chroniken aus dem vorigen Jahrhundert reichlich Kunde. Folgt man den Spuren der Geschichte, so tritt uns die Luisenburg als Sitz eines Raubritternestes entgegen, das, damals „Losburg" geheißen, im 13. oder 14. Jahrhundert von den Männern aus Eger zerstört wurde. Nur durch eine List gelang es, so weiß der Chronist zu berichten, der Burg beizu kommen: die Mannen von Eger kleideten sich wie Troßkuechte des Raubritters, und der Burgvogt ließ sie ein in dem Wahne, es seien seines eigenen Herrn heimkehrende Leute.
Jahrhunderte lang lagen dann Mauertrümmer und Felsen, ein wirres Labyrinth, durcheinander, selten von eiuem kühnen menschlichen Fuße besucht, aber lauge Zeit hindurch Wohnung von Füchsen und Luchsen. Nur ein Tag im Jahre war's, der die Wunsiedler massenweise heranflockte, und eine Stelle, die sie besonders anzog und vereinte. Dieser Tag war der in die Mitte des. Juli fallende St. Margarethentag, und diese Stätte eine riesige Granitplatte, die Bühne für ein seltsames Volksvergnügen, dessen wir heute gedenken müssen, da wieder dramatische Bilder durch die Luisen bürg dahinziehen. Auf jener Granitplatte wurden nämlich lateinische, von Lehrern des Wunsiedler Lyceums verfaßte Schauspiele durch Schüler der Anstalt aufgeführt. Die Stadtkammer verwilligte Geld, es wurden Hütten gebaut; auch saß das nur wun- siedelisch Deutsch verstehende Publikum auf den zerstreuten Granitblöcken umher und stärkte die von ihren lateinischen Anstrengungen sich erholenden Schauspieler mit Wurst, Schinken und Vier. Zuletzt be lustigte man sich fichtelgebirgisch aus eigene Faust, so daß der klassisch begonnene Tag schließlich doch noch zum richtigen Volksfeste ausschlug. Noch 1764 wurde der St. Margarethentag auf die angegebene Weise gefeiert. Sonst aber blieb es einsam und leer an der Stätte; es war dort nicht recht geheuer nach dem Glauben des Volkes, und so blieb man lieber — Dies wurde anders am Ende des vorigen Jcchrhuuderts
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Der Zug der Raubritter auf die Losburg.