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Eine Gesellschaft wackerer Wunsiedler Bürger, an deren Spitze der von hohem Gemeinsinn erfüllte Stadtphysikus Schmidt stand, machte es sich zur Aufgabe, die Wunderwelt des Berges zu erschließen und heiterer lebensfroher Geselligkeit zu übergeben. Die unwirthliche Felsenwildniß wurde durch diese Männer, wie Goethe sagt, „spazierbar und im einzelnen beschaulich gemacht", und dankbar feierten nun am 20. Juli die Enkel den hundertsten Jahrestag der Erschließung der „Luxbnrg", wie man damals noch den Berg benannte. — Wie kam aber diese schauerlich großartige Felsenwildniß der Luxburg zu ihrem friedlich schönen Namen „Luisenburg" ? — Es war in den Junitagen des Jahres 1805, da weilte in dem nahen Alexandersbad der König Friedrich Wilhelm lül. und seine von allen Deutschen hochverehrte Gemahlin Luise. Die Königin Luise stand damals,
29 Jahre alt, in der höchsten Blüthe ihrer majestätischen milden Schönheit, deren Zauber kein Herz in ihrer Nähe sich entziehen konnte. Es ist Thatsache, daß selbst alte Leute aus dem Volke bei ihrem Anblick vor Entzücken weinten und jedermann ihr eine fast abgöttische Verehrung zollte, die durchaus nichts Gemachtes an sich hatte, sondern der noth- wendige Herzenszoll an ihre mit sanfter Würde verbundene hohe Schönheit war.
Jener Aufenthalt in Alexandersbad waren Tage hohen Genusses für die Königin, vielleicht die glücklichsten ihres Lebens, der Silberblick desselben, hinter welchem die Nacht düster aufstieg. Es war das Jahr vor der Schlacht bei Jena und Auerstädt, in der die Macht des Preußischen Staates unter den Tritten des korsischen Eroberers zusammenbrach. Und der Königin Luise war es nicht mehr beschieden, den neuen Tag, der auf die Nacht folgte, noch zu erleben.
Damals aber, in der Idylle von Alexandersbad, ahnte man noch nichts von solchem unsäglichen Unheil. Ein Frendentng reihte sich an den andern; die Hochgefeierte lebte in einem dauernden Wonnerausch. Alles, was Füße hatte, eilte in das grüne Thal der Waldquelle, eine Massenwanderung der preußisch-fränkischen Bevölkerung zum allgemeinen Freudenfeste. Die Königin sehen und ihr znjauchzen, galt den treuen Menschen für das höchste Glück. Greise und Greisinnen mußten herbeigeführt werden, um der hohen Frau einen zärtlichen Blick zuwerfen, ein Segenswort zurufen zu können; Mütter trugen ihre Kinder meilenweit, um ihnen die geliebte Landesmutter zu zeigen.
Darf es uns Wunder nehmen, daß da die Schöpfer der neuen Anlagen in der Luxburg auf den Gedanken kamen, ihr schönes Kleinod mit dem geliebtesten Namen, den sie kannten, z taufen? Und so geschah's; als der Hof am 15. Juni dem schönen Fleck Erde einen Besuch abftattete, da trat ein Chor weißgekleideter Mädchen aus der am Wege gelegenen, jetzt „Klingershöhle" benannten Grotte und verkündigte den königlichen Gästen, daß der Berg von nun an „Luisenburg" heißen werde.
Doch nun zu der Gegenwart und ihrer festlichen Feier! Den Mittelpunkt derselben bildete ein von Reallehrer Ludwig Hacker verfaßtes Bergfestspiel „Die Losburg"* Es läßt den Berg selbst seine Geschicke in großen Zügen erzählen. Der großartige Felsenschauplatz belebte sich mit dramatischen Bildern, durch die sich der einheitliche Gedanke hindurchzieht, daß der Fluch, der auf dem Berge infolge der dämonischen Macht des Goldes lastete, durch die reine Weiblichkeit einer hohen Frau wieder gesühnt wird. So wurde die Feier der Luisenburg-Eröfsnung zugleich zu einer nationalen Huldigung für die hochverehrte Königin. Der Erfolg war ein unbestrittener, durchschlagender, und man darf den Lorbeerkranz, welcher dem Verfasser am Schluffe der Vorstellung überreicht wurde, als eineu reich verdienten bezeichnen; hatte der Dichter
* Das Festspiel ist auch im Druck erschienen (Wunsiedel, Buchdruckerei von Ad. Beer).
doch auch das mühevolle Amt des Regisseurs auf seine Schultern genommen und nicht bloß alle Rollen den Mitspielenden persönlich einstudiert, sondern auch von seinem erhabenen Beobachtungsposten aus den Gang des ganzen Stückes geleitet!
Aber welch eine Bühne diente auch dem Spiele zum Schauplatz! Die herrlichste, die je eines Menschen Auge geschaut hat! Unter den rauschenden Aesten gewaltiger Tannen und Fichten harrt die Menge erwartungsvoll der Dinge, die da kommen sollen, vor sich den mächtigen Aufbau der moosbewachsenen Felsen, die, vier Stockwerk übereinander lufgethürmt, den „Max-Josephsplatz" der Luisenburg umgeben. Eine weihevolle Stimmung liegt über dem Ganzen. Himmelstrebende Granitmassen bilden die Coulissen, geheimnißvolle Grotten und Schluchten entdeckt das spähende Auge mehr und mehr, und über all dem rankt sich soffitenartig das dunkelgrüne Gezweigs der ehrwürdigen Bäume, das Tageslicht nur gedämpft hindurchlassend. Bricht sich aber ein Heller Sonnenstrahl durch das Geäste Bahn, dann erscheint die Bühne in dem Zauber einer unvergleichlichen Verklärung.
Hornsignale und Kampfgetöse tönen vom Fuße des Berges zur Bühne herauf; die alte Raubritterwelt, die Zeit des Faustrechtes steigt vor uns auf. Ein grauser Mord vollzieht sich vor unseren Augen!
Troßknechte des Raubritters auf Losburg tragen Beutestücke die Burgtreppe hinauf. Sterbend verflucht der Erschlagene, ein fränkischer Edelmann, den Raubritter und seine Burg. Eine bange, düstere Stimmung bemächtigt sich der Gemüther beim Anschauen dieses Bildes. Aber bald macht sie einer freudigen Erregung Platz!
Eine ganzeFluth kleiner lustiger Gnomen ergießt sich allmählich aus dem Innern des Berges. Erst einzeln, dann immer zahlreicher kommen sie aus allen Löchern, Klüften, Spalten eilig Hervor, die bunten Ge- stältchen in rothen, blauen, gelben Kapuzen, langen lichten Bärten, in Schurzfell und Bluse, hüpfend und springend; neckische Bilder entwickeln sich, immer von neuem das Auge fesselnd. Der Gnomenkönig Alberich, eine majestätische Erscheinung, kündet neues Unheil an: die bittersten Feinde der Alben, die Walen, auch Venediger geheißen/nahen. Die Alben werden zu treuer Wachsamkeit aufgerufen und verschwinden, wie sie gekommen sind; der Berg saugt sie eiligst wieder ein.
Nachdem die Feinde, die „düstern Wühler in der Erde Schoß", ihre verführerische Macht auch an schlichten Landleuten geübt, mit teuflischer Gewandtheit in die Herzen frommer Wallfahrer die Gier nach Gold und sinnlicher Lust pflanzend, nachdem Greuel über Greuel auf die Schultern des Berges sich gehäuft, vollzieht sich der Fluch; das Raubnest geht in Flammen auf, der Berg lieg^ öd und wüst, von Menschen scheu gemieden. —
Die Moosgrube.