Heft 
(1890) 34
Seite
574
Einzelbild herunterladen

Z74

Eine Gesellschaft wackerer Wunsiedler Bürger, an deren Spitze der von hohem Gemeinsinn erfüllte Stadtphysikus Schmidt stand, machte es sich zur Aufgabe, die Wunderwelt des Berges zu er­schließen und heiterer lebensfroher Geselligkeit zu übergeben. Die unwirthliche Felsenwildniß wurde durch diese Männer, wie Goethe sagt,spazierbar und im einzelnen beschaulich gemacht", und dankbar feierten nun am 20. Juli die Enkel den hundertsten Jahrestag der Erschließung derLuxbnrg", wie man damals noch den Berg benannte. Wie kam aber diese schauerlich großartige Felsenwildniß der Luxburg zu ihrem friedlich schönen NamenLuisenburg" ? Es war in den Junitagen des Jahres 1805, da weilte in dem nahen Alexandersbad der König Friedrich Wilhelm lül. und seine von allen Deutschen hochverehrte Gemahlin Luise. Die Königin Luise stand damals,

29 Jahre alt, in der höchsten Blüthe ihrer majestätischen milden Schönheit, deren Zauber kein Herz in ihrer Nähe sich entziehen konnte. Es ist Thatsache, daß selbst alte Leute aus dem Volke bei ihrem Anblick vor Entzücken weinten und jedermann ihr eine fast abgöttische Ver­ehrung zollte, die durchaus nichts Ge­machtes an sich hatte, sondern der noth- wendige Herzenszoll an ihre mit sanfter Würde verbundene hohe Schönheit war.

Jener Aufenthalt in Alexandersbad waren Tage hohen Genusses für die Königin, vielleicht die glücklichsten ihres Lebens, der Silberblick desselben, hinter welchem die Nacht düster aufstieg. Es war das Jahr vor der Schlacht bei Jena und Auerstädt, in der die Macht des Preußi­schen Staates unter den Tritten des kor­sischen Eroberers zusammenbrach. Und der Königin Luise war es nicht mehr beschieden, den neuen Tag, der auf die Nacht folgte, noch zu erleben.

Damals aber, in der Idylle von Alexandersbad, ahnte man noch nichts von solchem unsäglichen Unheil. Ein Frendentng reihte sich an den andern; die Hochgefeierte lebte in einem dauern­den Wonnerausch. Alles, was Füße hatte, eilte in das grüne Thal der Waldquelle, eine Massenwanderung der preußisch-fränki­schen Bevölkerung zum allgemeinen Freudenfeste. Die Königin sehen und ihr znjauchzen, galt den treuen Menschen für das höchste Glück. Greise und Greisinnen mußten herbeigeführt werden, um der hohen Frau einen zärtlichen Blick zuwerfen, ein Segens­wort zurufen zu können; Mütter trugen ihre Kinder meilenweit, um ihnen die geliebte Landesmutter zu zeigen.

Darf es uns Wunder nehmen, daß da die Schöpfer der neuen Anlagen in der Luxburg auf den Gedanken kamen, ihr schönes Kleinod mit dem geliebtesten Namen, den sie kannten, z taufen? Und so geschah's; als der Hof am 15. Juni dem schönen Fleck Erde einen Besuch abftattete, da trat ein Chor weißgekleideter Mädchen aus der am Wege gelegenen, jetztKlingershöhle" be­nannten Grotte und verkündigte den königlichen Gästen, daß der Berg von nun anLuisenburg" heißen werde.

Doch nun zu der Gegenwart und ihrer festlichen Feier! Den Mittelpunkt derselben bildete ein von Reallehrer Ludwig Hacker verfaßtes BergfestspielDie Losburg"* Es läßt den Berg selbst seine Geschicke in großen Zügen erzählen. Der großartige Felsen­schauplatz belebte sich mit dramatischen Bildern, durch die sich der einheitliche Gedanke hindurchzieht, daß der Fluch, der auf dem Berge infolge der dämonischen Macht des Goldes lastete, durch die reine Weiblichkeit einer hohen Frau wieder gesühnt wird. So wurde die Feier der Luisenburg-Eröfsnung zugleich zu einer nationalen Huldigung für die hochverehrte Königin. Der Erfolg war ein un­bestrittener, durchschlagender, und man darf den Lorbeerkranz, welcher dem Verfasser am Schluffe der Vorstellung überreicht wurde, als eineu reich verdienten bezeichnen; hatte der Dichter

* Das Festspiel ist auch im Druck erschienen (Wunsiedel, Buchdruckerei von Ad. Beer).

doch auch das mühevolle Amt des Regisseurs auf seine Schultern genommen und nicht bloß alle Rollen den Mitspielenden persön­lich einstudiert, sondern auch von seinem erhabenen Beobachtungs­posten aus den Gang des ganzen Stückes geleitet!

Aber welch eine Bühne diente auch dem Spiele zum Schau­platz! Die herrlichste, die je eines Menschen Auge geschaut hat! Unter den rauschenden Aesten gewaltiger Tannen und Fichten harrt die Menge erwartungsvoll der Dinge, die da kommen sollen, vor sich den mächtigen Aufbau der moos­bewachsenen Felsen, die, vier Stockwerk übereinander lufgethürmt, denMax-Josephsplatz" der Luisen­burg umgeben. Eine weihevolle Stimmung liegt über dem Ganzen. Himmelstrebende Granit­massen bilden die Coulissen, geheimnißvolle Grotten und Schluchten entdeckt das spähende Auge mehr und mehr, und über all dem rankt sich soffitenartig das dunkelgrüne Ge­zweigs der ehrwürdigen Bäume, das Tages­licht nur gedämpft hindurchlassend. Bricht sich aber ein Heller Sonnenstrahl durch das Geäste Bahn, dann erscheint die Bühne in dem Zauber einer unvergleichlichen Ver­klärung.

Hornsignale und Kampfgetöse tönen vom Fuße des Berges zur Bühne herauf; die alte Raubritterwelt, die Zeit des Faust­rechtes steigt vor uns auf. Ein grauser Mord vollzieht sich vor unseren Augen!

Troßknechte des Raub­ritters auf Losburg tra­gen Beutestücke die Burgtreppe hinauf. Sterbend verflucht der Erschlagene, ein fränkischer Edel­mann, den Raub­ritter und seine Burg. Eine bange, düstere Stimmung bemächtigt sich der Gemüther beim Anschauen dieses Bildes. Aber bald macht sie einer freu­digen Erregung Platz!

Eine ganzeFluth kleiner lustiger Gnomen ergießt sich allmählich aus dem Innern des Berges. Erst ein­zeln, dann immer zahlreicher kommen sie aus allen Löchern, Klüften, Spalten eilig Her­vor, die bunten Ge- stältchen in rothen, blauen, gelben Ka­puzen, langen lichten Bärten, in Schurzfell und Bluse, hüpfend und springend; neckische Bilder entwickeln sich, immer von neuem das Auge fesselnd. Der Gnomenkönig Alberich, eine majestätische Erscheinung, kündet neues Unheil an: die bittersten Feinde der Alben, die Walen, auch Venediger geheißen/nahen. Die Alben werden zu treuer Wachsamkeit aufgerufen und verschwinden, wie sie gekommen sind; der Berg saugt sie eiligst wieder ein.

Nachdem die Feinde, diedüstern Wühler in der Erde Schoß", ihre verführerische Macht auch an schlichten Landleuten geübt, mit teuflischer Gewandtheit in die Herzen frommer Wallfahrer die Gier nach Gold und sinnlicher Lust pflanzend, nachdem Greuel über Greuel auf die Schultern des Berges sich gehäuft, vollzieht sich der Fluch; das Raubnest geht in Flammen auf, der Berg lieg^ öd und wüst, von Menschen scheu gemieden.

Die Moosgrube.