Heft 
(1890) 34
Seite
575
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Da naht die Zeit der Entsühnung!

Es kam von Norden hergezogen Da, als Luise, du erschienen,

Ein Stern so hehr, so mild, so klar, Da ward gelöst der Zauberbann, Wie keiner je am Himmelsbogen , Vor deinen engelgleichen Mienen Der Heimath aufgegangen war: Ter alte Fluch in nichts verrann/

Zum heutigen Feste will wiederum sie erscheinen, die Deutschland seinen guten Engel nennt, will die Fahne mit einem selbstgestickten L, welche sie in jenen Tagen von 1805 den Wun siedlern geschenkt, von neuem weihen.

Hoch oben tritt die Hehre aus einer Felsengrotte in der Haltung, wie das bekannte Richtersche Bild sie darstellt.

Vom hohen Fels segnet sie den Berg, seine Quellen, seine Lüste und schreitet majestätisch langsam unter den Klän­gen einer leisen, lieblich feierlichen Musik herab, besteigt den von Alben errichteten Thron und empfängt die Huldigungen der Wunsiedler.

Gar manches Auge sah man feucht werden bei dieser erhebend würde­vollen Feier.

Nachdem die Königin die Fahne gesegnet, nachdem die Bürger ihr gelobt,treu zu stehen zum großen Vaterland in Glück und Noth", stimmt die MusikDeutschland, Deutschland über alles" an; Veteranen mit Fahnen der verschiedenen deutschen Bundes­staaten, sämmtliche zweihundert Mitspielende sammeln sich auf der Bühne: Norddeutschland und Süddeutschland, sinn­bildlich durch einen preußischen und einen baye­rischen Soldaten dargestellt, reichen sich vor­dem Throne brüderlich die Hand; und im vollen Chor, auch von den Zuschauern begeisterungsvoll mitgesungen, braust der vaterländische Gesang durch den herrlichen Tann!

Das Spiel ist nunmehr zum Schlüsse gelangt.

Rasch bildet sich ein überaus färben prächtiger Festzug, der sich in wunder­baren Linien die Felsensteige empor und wieder herabwindet bis zum Gesellschaftsplatz" der Luisenburg, wo die Alben zum Abschluß des Zuges noch einen trefflich eingeschulten Huldi­gungsreigen vorführen.

(Schluß.)

Madonna im Hlosenkag.

Roman von Weinbobb 6)vLnr<ann.

n einem Berliner Abendblatte fand sich an ziemlich auffallender Stelle folgende Mittheilung:

Eine eigenartige Ueberraschnug brachte den Besuchern des Schillertheaters die Vorstellung am letzten Sonntag. Die Direktion hatte das erste Auftreten einer sehr interessanten Debütantin an­gekündigt, einer jungen Dame, deren Name aus Anlaß eines un­liebsamen Vorkommnisses auf dem großen Bazar für die Ueber- schwemmten neuerdings in der vornehmen Gesellschaft Berlins vielfach genannt worden war. Die Logen und Ränge des Theaters hatten sich denn auch mit einer besonders auserlesenen und eleganten Zuhörerschaft gefüllt, und es ging eine Bewegung nicht geringen Erstaunens durch das Haus, als Herr Direktor Konstantin Rainer um sieben Uhr von der Bühne herab dem Publikum mittheilen mußte, daß ihn Fräulein Marie von Brenckendorf unmittelbar vor Beginn der Vorstellung und ohne Angabe genügender Gründe be­nachrichtigt habe, es sei ihr unmöglich, ihren Verpflichtungen nachzukommen und die Marianne in den -Geschwistern' zu spielen. Nur der liebenswürdigen Bereitwilligkeit des Fräulein Hellmund, die Partie noch in letzter Stunde zu übernehmen, habe er es zu danken, daß ihm die Aufführung des Stückes überhaupt möglich sei. Unsere bewährte jugendliche Naive entledigte sich denn auch mit Glanz ihrer Aufgabe und wurde von dem dankbaren Publikum sowohl für ihre prächtige Leistung als für ihre opfer­willige Hilfsbereitschaft mit Beifall überschüttet. In den Zwischen­akten gab es im Foyer und in den Logengängen begreiflicherweise allerlei abenteuerliche Vermuthungen und Gerüchte über die Natur der Umstände, durch welche Fräulein v. B. am Auftreten verhindert worden sein könnte. Die Diskretion verbietet uns, Näheres darüber mitzutheilen, aber wir dürfen immerhin als gutverbürgte Neuigkeit verrathen, daß gestern im Hause des bekannten Zahnarztes Brencken­dorf, welcher trotz seines bürgerlichen Namens der leibliche Bruder der jungen Dame ist, die Verlobung derselben mit ihrem Vetter, dem Gerichtsassessor v. B., stattgefunden hat. Der glückliche Bräutigam wird sich nun allerdings dazu verstehen müssen, die durch den Vertragsbruch seiner Braut verwirkte bedeutende Geld­buße an Herrn Direktor Rainer zu zahlen, aber er dürfte diese Nothwendigkeit kaum sonderlich schmerzlich empfinden, da er ja das Glück hat, einen sehr begüterten Herrn, den kommandirenden General v. B, seinen Vater zu nennen. Den reizendsten Zug in diesem kleinen Familienlustspiel bildet jedenfalls der Umstand, daß der Herr Assessor ein sehr naher Verwandter desselben Dragonerlieutenants ist, welchen man aus Anlaß jener viel bemerkten Bazarscene in Verbindung mit seiner schönen Base zu nennen pflegte."

Schon mit der ersten Morgenpost hatte der General von Brenckendorf nicht weniger als fünf Exemplare dieses im schönsten

! Zeitungsstil geschriebenen Artikels erhalten. Die liebenswürdigen Absender hatten sich zwar nicht genannt, aber der General zweifelte keinen Augenblick, daß sie in den Reihen seiner besten Freunde zu suchen seien. Gegen Mittag jedoch war ihm das be­deutsame Blatt zum sechsten Mal und diesmal nicht durch den ! Briefträger überreicht worden. Der Generallieutenant Graf Hain- ^ ried hatte es in eigener Person auf den Schreibtisch Seiner Excellenz niedergelegt, und zwischen den beiden hohen Militärs ^ war von vornherein kein Mißverständnis; darüber gewesen, daß ! diese mit einer gewissen Feierlichkeit vollzogene Handlung einer ! höflichen Kriegserklärung gleichzuachteu sei. Und weltmännisch ^ höflich wie die Einleitung hatte sich auch der weitere Verlauf und ! der Abschluß ihrer Unterredung gestaltet. Der General von ! Brenckendorf hatte durchaus nichts gegen eine Lösung der zwischen j seinem Sohne Engelbert und ' der Gräfin Helene Hainried be- ^ stehenden Beziehungen einzuwenden gehabt, und er hatte mit einer ! äußerst verbindlichen Miene die Versicherungen des innigsten Be- ^ dauerns entgegengeyommen, welches der Generallieutenant für > seine eigene Person natürlich über diese traurige Nothwendigkeit empfand. Er hatte beim Abschied sogar mit freundschaftlicher Wärme dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Damen des Generallieutenants, welche schon in diesen Tagen einen Erholungs­aufenthalt im Süden nehmen sollten, recht angenehme und glückliche Reise haben möchten, und erst als sich dann die Thür hinter seinem Besucher geschlossen, hatte er das unglückselige Blatt wüthend zerknittert und eine eben angezündete Cigarre zwischen den Fingern zerbrochen, als sähe er in ihr den Verfasser jenes Artikels oder eine andere, in diesem Augenblick vielleicht noch bitterer gehaßte Persönlichkeit.

Der Generallieutenant Graf Hainried aber stieß beim Ver­lassen des Hauses auf den Oberst von Herzogenstein, den persön­lichen Adjutanten Seiner Majestät, als derselbe eben im Begriff war, durch die Gartenthür der Villa einzutreten. Die beiden Offiziere begrüßten sich höflich und der Oberst sagte mit einem bedeutsamen Lächeln und mit vorsichtig gedämpfter Stimme:

Ich gratulire aufrichtig > Excellenz!"

Graf Hainried lehnte ab, aber mit einer Miene, die gut verrieth, wie angenehm ihn der Glückwunsch berührte.

Das wäre etwas voreilig, lieber Oberst! Noch sind wir nicht so weit"

O, ich bin gut unterrichtet; es giebt keine bessere Quelle als die meinige. Majestät selbst hatten die Gnade, mich einzuweihen."

Das Vertrauen Seiner Majestät macht mich natürlich über alle Maßen glücklich; aber ich muß bekennen, daß ich die hohe Auszeichnung, welche mir da zugedacht worden ist, nicht ohne