Heft 
(1890) 50
Seite
850
Einzelbild herunterladen

- 850

Familicnverhältnissc zwangen den Heranwachsenden Jüngling, von seiner Absicht, Jura zu studieren, abzustehen; nachdem er die Schule verlassen, wurde er im Jahre 1857 Buchhändler, entwickelte als Ver­walter und Begründer größerer Unternehmungen eine rege Thätigkeit. Er erwarb eine eigene Druckerei und betrieb einen umfangreichen Schulbücher­verlag: aber nicht lange duldete es ihn in dieser Thätigkeit, er verkaufte sein Besitzthum und siedelte nach Berlin über. Hier trat er an die Spitze einer Reihe bedeutender Anstalten: er leitete den geschäftlichen Theil derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung", dann übernahm er die Direktion derSpenerschen Zeitung", und als dieses Blatt einging, wurde er in die Direktion der Preußischeil Bankanstalt berufen.Ich befaßte mich," sagt Heiberg,mit dem eigentlichen Bank-, wenn auch nicht mit dem Börsengeschäft, lernte das Versicherung^-,Terrain-, Häuser-und Hypotheken- ivesen kennen j das Getriebe lind Treiben der großen Emissionsbanken, die vielseitigen kaufmännischen Spezialitäten, die Fabrik- und Bergwerks- Verhältnisse und machte während längerer Jahre viele allsgedehnte Reisen durch Deutschland, die Schweiz, Holland, Dänemark, Belgien, England und Frankreich."

Als Heibergs Bank infolge des Zusammenbruchs einer Stettiner Firma in Liquidation treten mußte, stellte er sich auf eigene Füße lind befaßte sich mit der Einleitung zur Finanzirung von Sekundärcisenbahn- und Tramwapunternehmnngcu, aber er zog sich schließlich infolge übler Er­fahrungen und nach Verlust der Früchte feines Fleißes von alleil geschäft­lichen Dingell zurück und schrieb,um seine mißmuthigen Gedanken zu tödten", sein erstes Buch.

Dieses erste Buch waren diePlaudereien mit der Herzogin von Seeland". Es wirkte überraschend und verblüffend wie etwas vollständig Neues, bisher Ungesagtes. Niemand konnte ahnen, daß diese Skizzen, Feuilletons, Plaudereien und Stimmungsbilder das Ergebnis; einer miß- muthigen Laune waren, denn sie quellen über von romantisch schimmernden, bizarren, drolligen, gemüthstiefen Einfällen, die in ihrer Zusammenstellung und Gcsammtheit einen bestrickenden Zauber auf den Leser ausüben. Das Geheimniß dieser Wirkung besteht vielleicht darin, daß sich das Buch wie eill allerliebster, ausgelassener Backfisch gicbt, in Wahrheit aber die Seele und den Verstand eines ansgereiften Menschen besitzt.Die Plaudereien" lenkten mit einem Schlage die Aufmerksamkeit der ton­angebenden Kritik auf das neue Talent, und nun hatte der ehemalige Bankdirektor sich selbst gefunden. Er stand auf einen: Gebiete, auf welchem er seine glänzende Begabung ungehemmt entfalten konnte. In: Laufe von kann: zehn Jahren ginge:: aus seiner Hand ungefähr zwei Dutzend Bände hervor, von denen ein ansehnlicher Theil einen bleibenden Werth besitzt und seinen: Urheber einen unverrückbaren Ehrenplatz in der deutschen Litteratur sichert.

Das Ungestüme, Springende, Jmprovisirende seines Wesens, wie es in denPlaudereien" und inAusgetobt", einer Geschichte von entzückender Frische und Laune, zutage tritt, finden wir in den folgenden Werken ge­mildert und geglättet. Mit überraschender Schnelligkeit hat sich Heiberg die Regeln und Handgriffe der modernsten Erzählungskunst angeeignet und meistert sie mit künstlerischer Fertigkeit. Dieser Vorzug allein hätte ihn durchaus nicht zu einem verwöhnten Liebling des Publikums gemacht, wenn er nicht noch andere gewichtige Eigenschaften besessen hätte. Es ist eine psychologisch merkwürdige Thatsache, daß Hermann Heiberg, dessen Schick­sale eine Reihe hastig abwechselnder Gegensätze und aufregender Erlebnisse bilden, das deutsche Familienleben in seiner süßen Traulichkeit, innigen Behaglichkeit und keuschen Weise so anmuthig, so farbenlenchtend und so anschaulich schilderte, wie es nur wenigen gegenwärtigen Autoren gelungen ist. Hermann Heiberg hat sich durch diese Seite seines Wesens zun: Familienschriftsteller im vorzüglichen Sinne aufgcschwungen. In letzter Zeit haben gallige und verbitterte Kritiker dem Familienroman den Krieg erklärt. Ist es aber gerecht, weil es einige schlechte Schriftsteller giebt,

^ welche in Bezug auf Handlung und Charakteristik überspannte und un- ^ mögliche Familienromane verbrochen haben, gleich die ganze Gattung zu verurthcileu? Ich für meiu Theil kam: mir kein schöneres und edleres Ziel denken, als auf Tausende junger, unbefangener Herzen zu wirken, in: engen Kreise der Familie gelesen zu werden und dort den Sinn für i das Gute und Wahre in der Kunst zu wecken. Man nehme znm Beispiel eine der Heibergschen Novellensammlungen (Acht Novellen",Ein Buch", Ernsthafte Geschichten",Neue Novellen",LiebeSwerben", welche wie ^ seine sämmtlichen Schriften und zwar in wiederholten Auflagen bei Wilhelm ! Friedrich in Leipzig erschienen sind) zur Hand, und man wird sich erfreuen ! und erquicken an der Fülle lieblicher Familienbilder, während solche in seinen ? Romanen, wie die Leser es ja ansEin Mann" wissen, einen wesent- ! lichen Bestandtheil der Handlung selbst bilden.

! Die größten Erfolge erntete Heiberg indessen nicht mit Novellen,

' sondern mit Romanen. So stattlich die Anzahl derselben auch ist, in ! jeden: einzelnen läßt der Autor seine Begabung von einer neuen Seite ! spielen, in jedem einzelnen behandelt er ein anderes Problem, und seine Phantasie ist unerschöpflich in der Erfindung spannender, eigenthüm- licher und ergreifender Auftritte. Zeigte sich in derGoldenen Schlange" noch ein allzu vorwiegend romantischer Zug, so bewegte sich der Autor­in den: meisterhaftenApotheker Heinrich" vollends ans dem Boden der poetischen Wirklichkeit. Viele halten diesen Roman für Heibergs hervor­ragendstes Werk. Es ist schwer, diese Frage entscheidend zu beantworten, i denn wir besitzen ans seiner Feder noch viele Werke, die ans die Leser keine geringere Wirkung ansübten. Glühende Leidenschaft athmenEsthers Ehe" undEin Weib", in welchen beiden Dichtungen Hermann Heiberg sich als großen Kenner des weiblichen Geschlechtes erweist; aufregende tragische ! Ereignisse stehen hier dicht neben idyllischen Ruhepausen und halten den Leser von Anfang bis zun: Schluß in unablässiger Spannung. Einen überraschenden Gegensatz zu diesen dramatisch belebten Romanen bildet dievornehme Frau". Eine eigene Goldglanzstimmung, wie über einer Rheinlandsckiaft, geht durch dieses edle und vornehme Werk. Hermann Heiberg versteht es eben, aus der Fülle seiner Erfahrungen heraus die verschiedensten, räthselhaftesten Frauencharaktere zu gestalten und sie in die Mitte einer eigenartigen Handlung zu rücken. In den: zweibändigen Roman Der Januskopf" erweitert er den Horizont seiner bisherigen Schöpfungen in bedeutsamer Weise: er entrollt uns ein großes, farbenreiches Bild aus dem sozialen Leben der Gegenwart. Das Wesen des Buchhandels, der durch Tausende von Kanälen in die breiten Massen des Publikums den stolzen Strom deutscher Poesie und Wissenschaft lenkt, erfährt durch Heiberg eine vertiefte, plastische und lebenstrotzende poetische Ausgestaltung. In seinen weiteren Werken,Menschen untereinander",Kays Töchter", Schulter au Schulter",Dunst aus der Tiefe",Die Spinne", zeigt er sich immer mehr und mehr als ein Erzähler, in dessen Schöpfungen das moderne Leben sich nach den verschiedensten Richtungen hin widerspiegelt.

In: Laufe seiner Thätigkeit entwickelte sich in ihn: eine Seite seines Talentes, welche ihn zu einer litterarischen Besonderheit machte. Die Berliner Lokalbelletristik, welche in den letzten Jahren üppig in die Halme geschossen ist, besitzt in ihm einen ihrer begabtesten und erfolgreichsten Vertreter. Man braucht nur Romane wieEsthers Ehe",Die Spinne", Dunst ans der Tiefe" zu lesen, um sofort zu erkennen, wie viele Berliner- Farben Heiberg auf seiner Palette hat, und wie er es versteht, durch Mischung derselben die feinsten Stimmungen hervorzubringen. Heutzutage ist es Mode geworden, bei jedem erfolggekrönten Autor zw fragen, ob cr Realist oder Idealist ist. In richtiger Auffassung des Wesens der echten Kunst hat sich Heiberg von allen Auswüchsen des französischen Naturalis­mus ferngehalteu und nimmt sozusagen, wie jeder wahre und selbständige Künstler, eine vermittelnde Stellung ein. Was er gestaltet, ist poetisch und wirkt wie ein in eine höhere Sphäre emporgehobenes Stück Leben. Er schafft getreu nach der Natur, aber er veredelt und durchgeistigt sie.

Drnksprüchr von D. Sanders.

Leichter Sinn nnd Leichtsinn. ,

Leichtsinn bleibe dir fern! Loch leichten und !

fröhlichen Sinn stets !

Wahre dir, bis dich der Tod führet zun: Hades ^ hinab.

Mergangcnheit, Gegenwart nnd Zukunft. !

Wer, von Nergangeuheit belehrt, !

Das, was mit liecht die Gegenwart begehrt, ! Mit frischem, unverzagtem Muth Nnd in der rechten Weife thut,

Den hält dann auch die Zukunft werth. ,

Lügen.

Lügen haben kurze Leine",

Meine,

Siud's nur recht kecke,

So humpeln sie doch eine Strecke. j

Genialität.

Die Drück' hinüberwandern,

Nicht anders als die andern?

Ei, großen Dank!"

So sprach ein genialer Pudel,

Sprang muthig in den tiefen Strudel Nnd ertrank.

Marren.

Gin jeder irrt. Das sind die Narren, Oie in dem Lrrthum fortbeharren.

Liebe und Kaß.

Großes Glück.

Es ist ein großes Glück,

Läßt's Glück sich von dir finden;

Gin größres, läßt du dich Non ihm nicht überwinden.

Wehe dem Arug! (hebräisch).

Wenn der Nrug auf den Stein fällt, wehe dem ^ Grug!

^ Wenn der Stein in den Grug hineinfällt, wehe ! dem Nrug!

sTmmer, wie's dem Schicksal einfällt, wehe dem Krug!

Lieb' und Haß find parteiisch: die Liebe ver­schleiert das Schlechte, ^

Iber der grimmige Haß läßt dich das Gute!

nicht sehn. !

Alte Geschichten.

Wir Menschen find doch schrecklich geplagt!" Fdam hat es der Eva geklagt.

Alte Geschichten!" hat Coa gesagt.