Heft 
(1890) 50
Seite
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Schlaraffia ins Leben, deren Ver­fassung es nach den Grundsätzen der Prager ausarbeitete, wenn auch in anderen Formen der Regierung. Es gab daher in derBerolina" an­statt dreier erwählter Oberschlaraffen einenMikado" als persönlichen Ver­treter aller Weisheit in denSip- pungen", d. h. den immer parlamen­tarisch geleiteten geselligen Zusam­menkünften, und einen natürlich all­mächtigen Reichskanzler in der japa­nischen Benamsung einesTaikun"; als Abzweigung der Prager Schlaraffia, als mit ihr eins, konnte die Berolina damals nicht angesehen werden, da überhaupt an eine Verbreitung des Schlaraffenthums als einer einmüthigen Genossenschaft in andereBurgen" noch nicht gedacht wurde. Die Beziehungen der beiden Schlaraffenreiche in Süd und Nord blieben zunächst nur rein persönliche. Anders wurde es erst 1872, als von Berlin ein Apostelthum zurEroberung" von Leipzig für die Sache des Schlaraffenthums ausging. Es führte dies zu einer Verbündung der drei nun bestehenden Reiche, von denen Praga als das mütterliche erklärt wurde. Auch in Graz erstand 1872 durch Berlin noch ein neues Reich, und von Leipzig aus erfolgte bald danach die Gründung eines solchen in Breslau. Ein Konzil, das im Jahre 1875 zu Leipzig stattfand, bewirkte eine Umarbeitung desSpiegels" im Hinblick auf den entstandenen und eine weitere Ausbreitung ins Auge fassenden FöderativbundAllfchlaraffia", und damit wurden im Geiste der Prager Verfassung die Grund­mauern zu dem Bau gezogen, der dann Ende der sieb­ziger und anfangs der achtziger Jahre schnell Zu mäch­tiger Größe aufwuchs. DieBerolina" hatte auf diesem Konzil ihre berechtigten japanischen Eigenthümlichkeiten dem neuen Bundesspiegel geopfert. Siegreich über manche philisterhafte Vorurtheile erhob sich das schalkhafte Banner Uhus auf den Zinnen von immer mehr Burgen in Deutschland und Oesterreich, dann in der Schweiz und in Ungarn, endlich auch jenseit des Oceans in New-Aork, Chicago und San Francisko. Jede dieser neuen Gründungen mußte durch einen Schlaraffenritter durchaus nach den Vorschriften des Konzilsspiegels und Ceremoniells erfolgen; sie mußte durch ihn dasjenige Mutterreich zugewiesen erhalten, welches während des vorgeschriebenen Probejahrs derKolonie" deren Erziehung überwachte und nach Vollendung derselben die Bestätigung beiAllmutter Praga" beantragte, wodurch die Kolonie erst ein in den Verband eingefügtes

Reich" wurde. Jeder Schlaraffe ist denn auch Mitglied des Bundes Allschlaraffia und in allen Reichen desWeltalls" als Ritter zur Sassen- fchaft berechtigt.

Auf den alle fünf Jahre sich wiederho­lenden Konzilien und den damit verknüpften Bundesfesten kam das einhellige Gepräge des Schlaraffenthums in all seiner bunten Mannigfaltigkeit zum schönsten Ausdruck. Das einst bescheidene Rüstzeug im Auftre­ten nahm immer glän­zendere, reichere For­men an. Ehrgeizig trachteten sodann die einzelnen Reiche, ihre besonderen Feste, wie Stiftungstage, zehn-, zwanzig-und dann gar

fünfundzwanzigjährige Jubiläen, womit die Praga 1884 den Reigen stolz er­öffnen konnte, mit allem schlaraffischen Hofstaatspomp in Scene zu setzen und den aus allen Reichen Geladenen eine schöne Gastfreundschaft zu erweisen.

Großartiges hat neuerdings die Berolina zur dreitägigen Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Jubiläums in den unteren Räumen des Kaiserhof­hotels geboten. Die Abbildungen, welche wir bringen, führen einiges von der stehenden Ausschmückung derBurg" vor, in welcher die Berliner Schlaraffensippen", und von den Gebräuchen dieses fröhlichen Ritter­ordens unserer Zeit. Da ist das Reichswappen der Berolina mit dem Datum ihrer Gründung und dem Schildspruch, der Allschlaraffia gehört: .,In art6 vo1nM8",die Kunst ein Vergnügen!" Von Palmen um­kränzt ist das Gesammtbild ihrer Verstorbenen mit deren photographischen Porträts.In Ahalla!" so heißt es von den aus diesem Leben Abge­rufenen, denen feierlich dasTrauerlulu" nachgerufen worden ist. Die Verneigung vor dem in jeder Burg thronenden Uhu ist/wie erwähnt, die

Empfang und Begrüßung fremder Schlaraffen.

Oberschlaraffe.

erste Pflicht deseiureiteuden" Schlaraffen. Auf seinem Thron ist einer der Oberschlaraffen, welcherfungirt", in seinerRüstung" zu sehen; auf dein größeren Bilde erblicken wir ihn und seine beidenAmtsbrüder" mit dem ganzen erlauchten Hofstaat, Kanzler, Ceremonienmeister, Schatz­meister, Marschall, Junkermeister, Mundschenk, Truchseß, auch dem Hof­narren, damit beschäftigt, die vorgeführten fremden Ritter würdig zu be­grüßen. Etwa 350 Schlaraffen ans etlichen fünfzig Reichen waren in der großen Festhalle der Berolina beisammen, in welcher unter rauschender Musik der pompöse Aufzug undEhreuritt" vor derAllmutter Praga" stattfand, in der bei perlendem Pilsenertapfer gesippt" wurde,die ganze Nacht" heitere und weihevolle Bortrüge poetischer, musikalischer und dramatischer Art sich in überreicher Fülle drängten und Chorgesänge die aufs prächtigste geschmückten Räume durchbrausten.

Ein Mummenschanz!

Aber getragen von dem Geiste harmloser Lust, geweiht den Genien der Poesie und Kunst, darf er wohl als et­was Einziges in sei­ner Art gerühmt wer­den. Alt sind manche in seinen: Kultus ge­worden und in treuer Begeisterung mit jun­gem Sinn ihm ergeben geblieben. Gebildete verschiedenster Berufs­klassen haben sich mit Herz und Mund zu ihm bekannt, und wer unter den im Kaiser­hof so frohmüthig Tip­penden auch an die hundert graue Köpfe mit leuchtenden Augen gesehen, alte Herren von sechzig, siebzig, ja achtzig Jahren mit dein bunten Helm auf dem Haupt, der mußte sich sagen, daß dies Schla- raffenthum das Zeug in sich trage, deutsche Männer in der ganzen Welt zu edler Brüder­lichkeit zusammenzu­schließen und einem idealen Zuge in unse­rem Zeitalter froh­müthig und siegreich zu folgen.

MM

Ahalla.